Читать книгу Erziehung - Beratung - Psychotherapie - Volker Kraft - Страница 9

1.1 Begriffliche Klärungen und theoretische Werkzeuge

Оглавление

Wenn man ein Studium der Pädagogik beginnt, hat man zumeist kaum theoretische, sondern zuallererst praktische Ambitionen: man möchte Kinder in ihrer Entwicklung fördern und unterstützen, Schülern etwas beibringen oder mit Jugendlichen arbeiten, und oft sind es gerade die schwierigeren Arbeitsfelder, die einen anziehen, benachteiligte Kinder etwa, verhaltensauffällige Schüler oder besonders problembeladene Jugendliche. Und es gibt den damit verbundenen Wunsch, auf diese – pädagogische – Weise, einen Beitrag zur Veränderung oder Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse zu leisten. Diese Motive sind ohne Frage aller Ehren wert und nicht nur als emotionale Grundlage für Studium und Beruf unerlässlich und überaus bedeutsam.

Von einer guten Absicht zu einer guten Wirkung führt allerdings kein direkter Weg. Gute Absichten alleine reichen nicht, sondern sie müssen in ein jeweils besonderes Handeln transformiert werden, ein bestimmtes »Können« also, das heute gerne »Kompetenz« genannt wird. In dieser Hinsicht sind pädagogische Berufe überhaupt nicht besonders, sondern allen anderen gleich. Jedoch sind auch »Absicht« und »Können« durch keinen direkten Weg miteinander verbunden, dazwischen liegt das weite Feld von Theorie und Wissen, Einübung, praktischer Erfahrung und kontinuierlicher Reflexion. Wenn es gut geht, verstärken sich diese Elemente wechselseitig und verschmelzen zu dem, was man berufliches Können nennen kann.

Wie in der Einleitung deutlich gemacht worden ist, geht es in diesem Buch darum, sich in Form von Abgrenzungen und Unterscheidungen mit den Problemen pädagogischen Handelns vertraut zu machen. Dieses erste Kapitel soll die Grundlage dafür liefern. Damit ist zunächst eine Zumutung verbunden, denn jenseits aller praktischen Ambitionen bedarf es dafür einer theoretischen Einstellung. Sie soll sich, eng umgrenzt, auf einen einzigen Sachverhalt richten: eben das jeweils spezifische Handeln. Es geht im Folgenden also nicht darum, zu beantworten »Was ist Erziehung« oder »Was ist Beratung« oder »Was ist Psychotherapie«? Sondern im Zentrum stehen »Was macht man, wenn man erzieht?« und »Was macht man, wenn man berät?« und schließlich »Was macht man, wenn man psychotherapeutisch handelt?« Es geht demnach, anders gesagt, primär um die professionellen Interventionen, nicht um die Phänomene in ihrer ganzen Komplexität. Diese eben soll gerade reduziert werden, damit dann einzelne Variablen oder Komponenten umso deutlicher zum Vorschein kommen.

Damit sind natürlich die Kontexte der jeweiligen Handlungsform – historische, soziale, politische, institutionelle, organisatorische oder biographische, um nur einige beispielhaft zu nennen – keineswegs aus der Welt geschafft. Sie werden nur zum Zwecke theoretischer Klarheit erst einmal ausgeklammert und in den Hintergrund verschoben, dort sorgsam aufbewahrt und bei Bedarf an entsprechenden Stellen eingeführt. Genau das ist gemeint, wenn von theoretischer Einstellung gesprochen wird. Denn zunächst muss zerlegt und isoliert werden, was in der Praxis selbst miteinander verwoben ist und ineinander läuft.

Unterschiede zeigen sich in verschiedenen Hinsichten und dementsprechend lassen sie sich auch auf unterschiedliche Weisen zum Vorschein bringen. In allen drei Fällen handelt es sich um kommunikative Praxen, d. h. ihr Medium ist die Sprache. Und in allen drei Fällen wird versucht, Einstellungs- und/oder Verhaltensänderungen in den Adressaten zu bewirken oder zumindest zu befördern. Anders gesagt: Es geht in allen drei Fällen im weitesten Sinne um die Initiierung von Lernprozessen. Ungeachtet dieser Gemeinsamkeiten sind die Formen der Kommunikation offensichtlich sehr verschieden: die Aufzeichnung einer psychotherapeutischen Sitzung ergibt ein anderes Bild als die einer Schulstunde oder die eines Gespräches mit dem Steuerberater. Zudem gibt es in allen drei Handlungsfeldern nicht nur jeweils eine spezifische Form der Kommunikation, sondern es finden sich mehrere, die sich wiederum voneinander unterscheiden. Wie soll man sich da orientieren und Klarheit gewinnen? Denn gesucht wird ja im Sinne Max Webers sozusagen nach »Typen« der Kommunikation, wenn möglich sogar nach »Idealtypen« pädagogischen, beratenden oder psychotherapeutischen Handelns.

Ein (in der Wissenschaft häufig gewählter) Ausweg aus diesen Schwierigkeiten besteht darin, dass man die Ebenen wechselt und einen anderen, höheren Abstraktionsgrad wählt. Es wird also ein theoretisches Instrumentarium oder Konzept benötigt, das es erlaubt, sowohl die Gemeinsamkeiten der drei Praxen als auch deren Unterschiede abzubilden. Damit kommt, buchstäblich verstanden, ein anderer Maßstab zum Einsatz. Seine Eigenschaft besteht darin, dass er einerseits die drei Fälle in ihren zentralen Merkmalen angemessen zu erfassen erlaubt, andererseits aber nicht in ihnen aufgeht, sondern über sie hinausweist; eben dafür sorgt der höhere Grad der Abstraktion. Für die Zwecke dieser Darstellung soll die Zeige-Theorie als ein solches begriffliches Werkzeug dienen. Das ist im Falle der Erziehung schon unter dem Titel »Operative Pädagogik« erprobt und in Teilen ausgearbeitet.2 In Bezug auf Beratung und Psychotherapie erscheint ein solches Vorgehen neu und daher ungewohnt, und man wird sehen, ob das auch dort funktioniert und wieweit man damit kommen kann.

Damit sind, wie eingangs angekündigt, die nächsten Schritte festgelegt: zunächst soll in einem kurzen Abschnitt genauer erläutert werden, was gemeint ist, wenn hier und im Fortgang des Buches von »operativ« gesprochen wird ( Kap. 1.1.1); dann ist die Zeige-Theorie in ihren wesentlichen Grundzügen vorzuführen ( Kap. 1.1.2). Und erst danach geht es zu den Sachen selbst, also zu den typischen Zeigestrukturen von Erziehung ( Kap. 1.2), Beratung ( Kap. 1.3) und Psychotherapie ( Kap. 1.4), bevor am Ende dieses Kapitels Bilanz gezogen werden kann ( Kap. 1.5).

Erziehung - Beratung - Psychotherapie

Подняться наверх