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Januar 2317

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»Sie hat sich ihren Roboter geholt und trägt auch ihr Schwert wieder.« Der Stimme der Frau war anzuhören, dass sie nur ungern zugeben würde, dass auch im 24. Jahrhundert eine so antiquiert wirkende Waffe ihre Vorteile hatte. Nur mühsam konnte die Besitzerin der Stimme ihre Ungeduld unterdrücken. »Sie ist startbereit. Wir sollten uns ebenfalls an Bord unseres Schiffes begeben, Mister Green. Schließlich wollen wir sie nicht schon zu Beginn verlieren.«

»Das werden wir nicht, Miss Silver«, klang die dunkle Stimme des Mannes auf, an den ihre Worte gerichtet waren. Er trat näher an die Kanzelscheibe des Hangar-Meisters heran und blickte zusammen mit der Frau in die Tiefe der riesigen Halle. Mehr als dreißig kleinere Raumschiffe standen dort in Reih und Glied, umgeben vom Gewimmel aus Wartungstechnikern, Lastrobotern, Mannschaften und anderem Personal. Mittendrin der Hangar-Meister, der es sich offensichtlich leisten konnte, seinen Aussichtsposten immer wieder durch Präsenz am Ort des Geschehens tauschen zu können. Der Rest des Kanzelpersonals war zu beschäftigt und zu weit von dem Paar entfernt, um dessen Gespräch mithören zu können.

Nur ein Schiff passte nicht so recht in das Bild aus Ordnung und kontrolliertem Durcheinander. Es war das einzige Mazzar-Raumschiff im Hangar und vermutlich momentan auch das einzige im ganzen Laurin-System. Und genau das ärgerte den Mann, der wie seine Begleiterin in einfache Straßenkleidung gehüllt war. Nicht, dass er wünschte, es würden sich mehr Raumschiffe der Mazzar in der Kernregion der Terranischen Föderation aufhalten, nein. Aber er hätte es niemals dieser Frau überlassen, der er nicht völlig vertraute. Nicht mehr vertraute. Er hätte es lieber gesehen, wenn sich dem Schiff ganze Horden von Schiffsingenieuren und Technikern des Geheimdienstes gewidmet hätten. Es bis zur letzten Schraube – wenn es denn solche überhaupt besaß  zerlegt, analysiert und wieder zusammengebaut hätten. Aber nein, die Admiralität und das Oberste Gericht der Föderation hatten es Bérénice Savoy überlassen. Natürlich kannte er sie und bewunderte sie für das, was sie erlebt, überlebt und geleistet hatte. Aber er vertraute ihr eben nicht.

Es war für ihn ein Leichtes gewesen, die Genehmigung für eine Mission zu erhalten, die er selbst vorgeschlagen hatte. Auch einige seiner Vorgesetzten teilten seine Bedenken. Erst recht, weil eine ihrer Agentinnen – ehemaligen Agentinnen – einen Mann aus den eigenen Reihen umgebracht hatte. Ob nun in Notwehr oder nicht, interessierte offenbar die Hälfte der Geheimdienstführung nicht. Ihn dagegen umso mehr. Er hatte Hinweise entdeckt, die in ihm den Verdacht hatten aufkommen lassen, dass es eine Gruppierung innerhalb des Geheimdienstes gab, die eigene – nicht offizielle oder von der Terranischen Regierung genehmigte – Ziele verfolgte. Und nach seiner ureigenen Meinung spielte Bérénice Savoy darin eine Rolle. Ob nun bewusst oder unbewusst: Das war für Mister Green die spannende Frage. Er hatte zwar ein Gefühl, doch auf Gefühle allein wollte er sich nicht verlassen. Also hatte er seine persönlichen Beweggründe für diese Mission für sich behalten. Nicht eines der Besatzungsmitglieder dieses Geheimdienstschiffes wusste von seinen wahren Plänen. Auch nicht seine rechte Hand, Miss Silver.

Ich muss ganz von vorne beginnen, dachte er und beobachtete, wie ein BEHEMOTH in Begleitung zweier Frauen in Trooper-Uniformen den Hangar betrat und mit ihnen auf das Spionageschiff der Mazzar zuging. Selbst aus dieser Entfernung sah der Geheimdienstmann den goldenen Blitz auf dem Rücken des Kampfroboters. Der BEHEMOTH betrat das Schiff, die beiden Trooperinnen  unschwer an der schwarzen Haut als Bérénice Savoy und den roten Locken als deren rigelianische Freundin Naya erkennbar  blieben noch davor stehen und unterhielten sich mit zwei Männern der Hangar-Crew. Jeder könnte zu dieser Clique gehören. Wenigstens kann sich Savoy auf ihren Roboter und die Rigelianerin verlassen.

Mister Green war ein alter Hase des Terranischen Geheimdienstes und in wenigen Jahren würde er seinen mehr als wohlverdienten Ruhestand antreten.

Aber nicht bevor ich herausgefunden habe, wer Bérénice Savoy umbringen will. Und vor allem: warum?

Was ihn ebenfalls zwischen Hoffnung und Misstrauen schwanken ließ, war, dass Savoy zwei Mazzar bei sich hatte. Es fiel ihm immer noch schwer, die Feinde vieler Jahre jetzt als Verbündete, ja sogar als Freunde im Kampf gegen diese mysteriösen Hydren zu betrachten. Und noch etwas beschäftigte ihn: Die Psychologen des Geheimdienstes stritten  wie übrigens auch ihre zivilen Kollegen  über die Frage, ob diese neue, dritte Partei innerhalb der Mazzar-Gesellschaft, diese sogenannten Pazifisten, eine vernachlässigbare und kurzfristige Erscheinung darstellte oder zu nachhaltigen Veränderungen im Verhalten der Mazzar führen würde. Vom grundsätzlichen Verständnis der außerirdischen Psychologie einmal ganz abgesehen.

Ergo hatte Mister Green die Erlaubnis bekommen, mit dem neuesten Schiffsmodell der Menschheit – einem Chamäleon samt einer kleinen Besatzung, der schwarzen Amazone auf den Fersen zu bleiben. Der Frau, die ihren Namen Black Ice auch durch ihn und seine damalige Bewertung erhalten hatte.

»Wie können Sie so sicher sein, dass wir sie nicht verlieren, Sir?«, brachte sich seine Kollegin wieder in Erinnerung. »Der Mazzarsender in dem Schwert wurde nachweislich und irreparabel zerstört. Unsere Techniker waren ziemlich stolz darauf, dies ohne Beschädigung – und Spuren – hinbekommen zu haben.«

Green nickte und wusste auch, dass Savoy den Ärzten nur erlaubt hatte, den terranischen Sender in ihrem Körper zu entfernen. An die anderen Implantate und Medikamenten-Depots ließ sie die Ärzte nicht heran, auch wenn diese beteuerten, ihr Bestes geben zu wollen. Agent Whites konkreter Aussage, besser: Warnung, diese seien nicht ohne Komplikationen zu entfernen, schien sie zu glauben.

Egal, wir können ihr auch so auf den Fersen bleiben, dachte Green und konnte dabei dem Gedanken, eine Mitschuld an Savoys Misstrauen zu haben, nicht widersprechen.

»Dieses Mazzarschiff ist ein Spionagemodell inklusive einer Tarnvorrichtung, die wir noch nicht erforschen konnten«, brachte ihn Miss Silver wieder in die Gegenwart zurück.

Ohne auf ihre Frage einzugehen, wandte er sich zu ihr um und lächelte geheimnisvoll. »Sie hat das Schiff MATA HARI getauft. Interessant, nicht wahr?«

Sie schien mit dem Namen nichts anfangen zu können, sondern nickte nur.

Greens Lächeln verschwand und machte einem zufriedenen Ausdruck Platz. »Wir schlafen nicht, Miss Silver. Unser hübsches neues Schiffchen hat auch einige Innovationen eingebaut. Eine davon hat von ihren Konstrukteuren einen so langen Namen erhalten, dass ich der Überzeugung bin, ihre Erfinder wollten schon allein damit ihre Funktion bis ins Detail beschreiben. Ich nenne sie einfach die Leine. Es ist ein Signalgerät, das es uns ermöglichen wird, dieses Mazzarschiff bis zu einer Distanz von 20 Lichtjahren anzupeilen, egal ob man es getarnt hat oder nicht. Dabei ist die Leine selbst – ohne entsprechenden Empfänger – so gut wie nicht zu orten. Sie sendet ihre Signale nämlich nicht durch den Normalraum, sondern durch den Ultraraum. Im Grunde ist sie eine Weiterentwicklung der Ortungstechnologie, welche in den Ultraraum ein- und austretende Raumschiffe erfasst.«

Miss Silver, eine attraktive, aber drahtige Frau, nickte wieder, dieses Mal verstehend. »Ich erinnere mich an das Briefing, Sir. Ich wusste nur nicht, dass unser Schiff schon damit ausgerüstet ist.« Sie schien für einen Moment verärgert zu sein, dass sie diese Information erst jetzt erhielt, deutete dann aber beruhigt in den Hangar hinab. »Wir können also abwarten, bis Agent Savoy die LEONIDAS verlässt.«

»Ja«, antwortete er. »Gehen wir also an Bord der GHOST, meine Liebe.«

Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er den Eindruck, dass sie bei der ungewohnten Anrede gelächelt hatte, und setzte nun selbst das charmanteste Gesicht auf, zu dem er in der Lage war.

»Ich denke, wir werden während unserer Mission genügend Gelegenheit haben, um uns näher mit den Eigenschaften der GHOST vertraut zu machen. Und uns besser und intensiver untereinander … äh … auszutauschen.«

Auch sie war nicht erst seit gestern beim Geheimdienst und verstand sofort die Botschaft, die in seinen Worten steckte. Nachdem Mitglieder des Terranischen Geheimdienstes so gut wie nie Familie hatten, schien sie nicht abgeneigt zu sein.

Also fange ich mit ihr an, dachte Green. Mal sehen, ob ich ihr vertrauen kann.

Aevum

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