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§ 23. Die Vernunft auf dem Grunde des Glaubens bei Anselm von Canterbury 1. Glaube und Vernunft

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Wesentlich intensiver wird das Problem des Verhältnisses von Glauben und Vernunft bei Anselm von Canterbury 1 durchdacht. Dieser unterschätzt keineswegs die Bedeutung der Vernunft für die Erkenntnis Gottes. Und doch ist für ihn der Glaube die unverrückbare Basis aller vernunftgemäßen Überlegungen. Seine wesentliche Intention geht eindeutig dahin, daß der Glaube sich selber durchsichtig werde. Das drückt sich im ursprünglichen Titel des „Proslogion“ aus: „Fides quaerens intellectum“, „Der Glaube auf der Suche nach Einsicht“. Anselm spricht demgemäß von sich selber als von einem, „der einzusehen sucht, was er glaubt“ (P prooem.).

Damit ist die Priorität des Glaubens vor der Vernunft eindeutig festgestellt. Jener ruht in sich selber, diese wird allererst um seinetwillen in Gang gesetzt. „Denn ich suche nicht einzusehen, damit ich glaube, sondern ich glaube, damit ich einsehe (credo ut intelligam)“ (P 1). Philosophische Theologie bedeutet also für Anselm – echt augustinisch – die denkerische Durchdringung des Glaubens. Dieser ist die vorgegebene Autorität. „Die rechte Ordnung verlangt, daß wir an die Tiefen des christlichen Glaubens zunächst glauben, ehe wir es wagen, sie mit der Vernunft zu untersuchen“ (C I 1).

Auf dieser Basis des Glaubens aber kann sich nun die vernünftige Einsicht in weitestem Umfang entfalten. In „ Cur deus homo“ geht Anselm auf die Forderung seines Gesprächspartners ein, „daß ich mit vernünftiger Notwendigkeit einsehe, all das müsse sein, was uns der katholische Glaube von Christus zu glauben gebietet“ (C I 25), und zwar, „als ob von Christus nichts gewußt würde“ (C praef.). Dies zu leisten versucht Anselm im Ganzen seiner Schrift, so daß der Partner am Ende gesteht: „Ich sehe ein, daß bewiesen ist, was immer im Neuen und Alten Testament enthalten ist“ (C II 22).

Allerdings drückt sich Anselm in seinem Zutrauen in die Macht der Vernunft, das Ganze des Glaubens zu begreifen, gelegentlich vorsichtiger aus. Etwa in bezug auf die Inkarnation sagt er, „daß kein Mensch in diesem Leben ein so großes Geheimnis gänzlich aufdecken kann“ (C II 16). Was die Trinität angeht, so betont er, daß „das Geheimnis dieser so sublimen Sache alle Schärfe menschlicher Einsicht übersteigt“ (M 64).

Das besagt freilich nicht, daß die Vernunft nun gänzlich verstummen müßte; „denn ich meine, es müsse dem die unbegreifliche Sache Erforschenden genügen, wenn er durch Vernunftschlüsse dahin gelangt, daß er erkennt, sie sei höchst gewiß, auch wenn er mit der Einsicht nicht durchdringen kann, auf welche Weise sie so ist“ (M 64). Mag also auch die innere Möglichkeit der göttlichen Geheimnisse der Vernunft unzugänglich sein, ihr Daß läßt sich doch aufs gewisseste einsehen.

Die Vernunft also, im Ursprung vom Glauben abhängig, ist doch, wenn sie sich verstehend auf dessen Wahrheit richtet, unabhängig. Im Begreifen der Glaubenswahrheiten waltet sie aus eigener Macht. Im „Monologion“ betont Anselm ausdrücklich, daß in dieser Schrift „überhaupt nichts durch die Autorität der Schrift zur Überzeugung gebracht werde“; es komme vielmehr darauf an, daß „die Notwendigkeit der Vernunft kurz und bündig zwinge und die Klarheit der Wahrheit offen sehen lasse“ (M prol.). Philosophische Theologie im Sinne Anselms ist so der freie Gebrauch der Vernunft bei der Einsicht in die Wahrheit des ihr vorgegebenen Glaubens.

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