Читать книгу Auswahlband 11 Top-Krimis Herbst 2018 - Thriller Spannung auf 1378 Seiten - A. F. Morland - Страница 13
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ОглавлениеSpecial Agent Arthur Freed vom FBI Field Office Los Angeles lehnte sich in seinem Sessel zurück und bedachte seinen Besucher mit einem leicht amüsierten Blick.
„Wir werden Sie hier vermissen, Art“, hatte Fred Feinberg von der Los Angeles Times gerade gesagt, um dann hinzuzufügen: „Ich betrachte das als typisch für eine große Behörde da wird ein fähiger Mann von dem Platz wegbefördert, an dem er die beste, effektivste Arbeit geleistet hat. In Washington wird man Ihnen einen schönen Büroraum und eine knackige blonde Schreibtante zur Verfügung stellen und Sie mit Berichten eindecken.“
„Ganz so schlimm wird es nicht werden“, versuchte der G-man den Journalisten zu beschwichtigen, und doch ahnte er, dass Feinberg in etwa recht haben mochte. Er hatte Erfolge im Kampf gegen das organisierte Verbrechertum aufzuweisen. Er hatte dem PlancataMob einige empfindliche Niederlagen zugefügt.
Er? Er dachte an einen schlanken schwarzhaarigen jungen Mann, der diesen Kampf mit dem Mut des Zornigen begonnen hatte. Rasch schüttelte er den Gedanken an den Sohn des Mafia Killers Ernesto Tardelli wieder ab. Für ihn stand Roberto Tardelli auf der anderen Seite des Zauns, auch wenn dieser Tardelli, das musste der FBI-Agent einräumen, ungleich mehr gegen die Mafia erreicht hatte, als das ganze FBI zusammen. Unwillkürlich schüttelte Arthur Freed den Kopf.
Er war ein mittelgroßer schlanker Mann mit strengen Gesichtszügen und klaren hellen Augen. Washington war auf ihn aufmerksam geworden, und er sollte in die Bundeshauptstadt gehen, um von dort aus die Maßnahmen mehrerer Bundesbehörden, die gegen das organisierte Verbrechen kämpften, zu koordinieren. Das war eine große Aufgabe, und er würde sie anpacken.
„Die Herren von der Ehrenwerten Gesellschaft werden sich melden“, prophezeite Feinberg. „Es gibt da Gerüchte ...“
Art Freed kannte diese Gerüchte. Schließlich verfügte er über einige Verbindungen zur Unterwelt von Los Angeles, denn ganz von Ungefähr kamen seine Erfolge schließlich nicht zustande. Es hieß, die Mafia der Westküste rüste zu einem großen, vernichtenden Schlag gegen ihre Feinde. Vom Field Office Chicago hatte er erst vor drei Tagen ein Fernschreiben erhalten mit dem Hinweis, dass sich einer der übelsten Profikiller aus der Stadt verzogen habe – angeblich soll er nach Los Angeles gereist sein. Freed hätte gern ein Foto dieses Killers gehabt, einen Namen, irgendetwas. Aber es gab nichts.
Das Telefon auf seinem Schreibtisch gab einen leisen Summton von sich. Freed lächelte entschuldigend und nahm den Hörer ab.
„Ja?“, meldete er sich knapp.
„Ein Gespräch, Mr. Freed“, sagte der Telefonist.
„Es passt jetzt schlecht“, meinte der G-man. „Wer ist es denn?“
„Der Anrufer will seinen Namen nicht nennen. Er sagt nur, es sei wichtig.“ Der Telefonist wartete ungeduldig.
Freed zögerte. Feinberg lächelte und stand auf.
„Wir sehen uns sicher in den nächsten Tagen, Art.“
Freed nickte abwesend. „Stellen Sie durch“, sagte er. Feinberg schloss leise die Tür hinter sich. Freed sah durch die Scheibe, wie der dicke Journalist durch das Hauptbüro ging. In der Leitung knackte es. „Hallo? Freed? Sind Sie es?“
„Ja“, antwortete der G-man. Er kannte die Stimme nicht, das registrierte er ganz automatisch. Er beugte sich vor und legte den Schalter um, der das Bandgerät in Betrieb setzte. Er hatte es sich angewöhnt, die meisten seiner Telefongespräche mitzuschneiden, auf jeden Fall diejenigen, die in irgendeiner Weise ungewöhnlich zu werden versprachen.
Dieses hier war kein gewöhnlicher Anruf, das spürte der G-man.
Die nächsten Worte des Mannes am anderen Ende bestätigten Freeds Befürchtungen auf unerwartet drastische Weise.
„Ihr Sohn Ronny trägt heute eine kurze blaue Hose, ein weißes Hemd und weiße Kniestrümpfe.“
Freed rührte sich nicht, dabei meinte er, jemand stieße ihm ein Messer tief in den Leib.
„Wir haben ihn in unsere Obhut genommen, als er aus dem Schulbus stieg. Vor fünf Minuten ...“
„Sie lügen“, brachte Freed hervor. Dabei wusste er, dass der Anrufer die Wahrheit sagte. Niemand rief einen G-man an, um ihn auf diese Weise zu bluffen. Allerdings konnte Freed sich an keinen Fall erinnern, in dem das Familienmitglied eines Special Agenten entführt worden war.
„Wenn Sie den Jungen lebend wiedersehen wollen, Freed, erklären Sie Ihren Rücktritt. Nehmen Sie Ihren Abschied vom FBI. Wir melden uns wieder.“
„Hören Sie!“, schrie Freed. „Warten Sie!“ Er schüttelte den Hörer, aber er wusste, dass der Gangster seine Worte nicht mehr hörte. Die Leitung war unterbrochen.
Freed drückte auf die Taste, die ihm eine Amtsleitung verschaffte. Er wählte die Nummer seines Hauses draußen in Wilshire. Der Hörer wurde nach dem ersten Läuten abgenommen. Er hörte die Stimme seiner Frau.
„Hallo?“ Die Stimme klang ruhig.
„Doris“, sagte Freed. „Wo ist Ronny?“
„Ronny?“ Doris’ Stimme klang jetzt schrill. „Er müsste jetzt gerade ankommen, das weißt du doch ...“
„Jetzt?“, fragte Freed, sich zur Ruhe zwingend. Er sah auf die Uhr. Es war zwanzig Minuten vor vier. Er wusste genau, dass Ronny immer pünktlich war. Er besuchte eine Privatschule in Beverly Hills. Er hatte keine Freunde aus der Nachbarschaft, die auf dieselbe Schule gingen. „Hör zu, Doris, unternimm jetzt nichts. Gar nichts, verstehst du? Ich bin in einer Stunde zu Hause.“
„Art, was ist mit Ronny? Willst du es mir nicht sagen?“ Sie beherrschte sich. Es kostete sie große Anstrengung. Freed wusste es.
„Ich weiß es noch nicht, Doris. Ich werde dir alles erklären, wenn ich nach Hause komme.“
„Ist er ...“
„Nein, er hatte keinen Unfall, jedenfalls nicht, wie du denkst. Doris, bitte, du musst Vertrauen haben. Ich muss mich jetzt um etwas kümmern, ja?“
„Ja. – Art?“
„Ja, Darling?“
„Es wird ihm doch nichts geschehen?“
„Nein, es wird ihm nichts geschehen“, sagte Freed hart. Er spürte einen Druck hinter den Augen, und für einen Moment dachte er daran, aus dem Büro zu stürmen und irgendeinen von der Bande so lange zu schütteln, bis er ihm sagte, wo Ronny steckte.
Und dann wollte er ihn in Stücke schießen.
Er legte den Hörer auf und starrte zwischen seine Hände. Er wusste, wer hinter diesem gemeinen Anschlag stand. Er konnte losziehen und es im Alleingang versuchen. Vielleicht hatte er sogar Erfolg, vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall müsste er anschließend den Dienst quittieren.
Das war es offenbar, was die Verbrecher bezweckten.
Mit zitternden Händen zündete er sich eine Zigarette an, dann stand er auf und trat einen schweren Gang an.