Читать книгу Sammelband 6 Krimis für Strand und Ferien - Club der Mörder und andere Krimis - A. F. Morland - Страница 17
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Die Seitenstraße war eng und namenlos. Eigentlich nicht mehr, als eine etwas breitere Einfahrt, die in einem Hinterhof mündete. Ehedem war hier das Gelände einer Transportfirma gewesen, die wohl in Konkurs gegangen war. Einige Schilder wiesen noch darauf hin. Jetzt verfiel hier alles. Ratten krochen ungeniert zwischen überquellenden Mülleimern herum und suchten sich ihr Teil.
Als Milo und ich den Innenhof erreichten, sahen wir noch einige Lastwagen, die vor sich hin rosteten. Man hatte sie ausgeweidet wie eine Weihnachtsgans. Kein brauchbares Stück war noch an ihnen dran. Die Reifen fehlten, die Sitze, die Motoren...
Jede brauchbare Schraube schien herausgedreht worden zu sein.
Und dann sahen wir auch den Chevy.
Drei Türen standen offen.
Also drei Kerle!, schoss es mir durch den Kopf. Hier war ihre Höllenfahrt zu Ende gewesen. Der Innenhof wurde umgeben von einem mehrstöckigen Gebäude, dessen Fassaden herunterbröckelten. Die ehemaligen Garagen der Lastwagen standen offen. Sie waren kahl und leer. In den oberen Etagen, in denen sich vielleicht mal die Büros befunden hatten, waren zum Teil die Fenster eingeschlagen. Zollformulare wurden durch den Wind über den Hof getrieben.
Ein verlassener Ort, wie geschaffen, um sich zu verstecken.
Ein Labyrinth, in dem man sich hervorragend auf die Lauer legen konnte...
Wir nahmen hinter dem ersten Lastwagen Deckung.
"Die sind über alle Berge, Jesse!", meinte Milo, der wie ich die Waffe in der Faust trug. "Aber die Spurensicherer sollten das ganze Gelände mal abchecken. Vielleicht haben unsere Freunde irgendetwas verloren..."
Jede Kleinigkeit konnte uns vielleicht weiterbringen.
Und wenn es nur ein vollgerotztes Papiertaschentuch war, aus dem sich vielleicht ein genetischer Fingerabdruck gewinnen ließ...
"Ich weiß nicht", meinte ich. "Ich habe ein schlechtes Gefühl..."
Milo gab per Funkgerät durch, welches Gebiet abgeriegelt werden musste. Aber es war die Frage, ob die Verstärkung von FBI und City Police schnell genug sein würde.
"Achtung!", zischte ich.
Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte ich bei einem der zerschlagenen Fenster eine Bewegung. Ich wirbelte herum, aber schon in der nächsten Sekunde knatterte eine Maschinenpistole los.
Die Projektile zerfetzten den Kasten des Lastwagens, hinter dem wir uns verschanzt hatten, dann schlugen sie dicht vor unseren Füßen in den Asphalt, und wir mussten einen Satz zurück machen. Wir kauerten hinter der Fahrerkabine des Lastwagens, und ich feuerte dreimal kurz hintereinander zurück, woraufhin das Feuer auf der anderen Seite eingestellt wurde.
Vorerst.
"Die haben auf uns gewartet", meinte Milo.
Ich lud derweil meine Waffe nach und hatte die Waffe einen Augenblick später schon wieder schussbereit.
"Immerhin sind sie noch nicht über alle Berge!"
"Im Moment sitzen wir in der Falle - und nicht sie!", stellte Milo fest.
"Gib mir Feuerschutz!", forderte ich.
"Was hast du vor?"
"Mich etwas voran arbeiten! Am besten bis zum Eingang, um irgendwie ins Haus zu gelangen. Oder hast du vielleicht Lust, hier länger als Zielscheibe dieser Verrückten zu dienen?"
"Kein Gedanke... Aber willst du nicht besser auf die Verstärkung warten?"
"Wie es im Diensthandbuch steht? Dann sind die Kerle weg..."
"Auch wahr!"
"Also los!"
"Du gibst das Signal!"
"Okay!"
Milo atmete tief durch und wir wechselten einen kurzen Blick. In Situationen wie diesen konnten wir uns hundertprozentig aufeinander verlassen. Das wusste jeder vom anderen.
Eine Maschinenpistolengarbe krachte in diesem Moment wieder in unsere Richtung. Ich hatte das Gefühl, das die Killer nicht so genau wussten, wo wir uns befanden. Oder sie trauten sich nicht, genau hinzusehen, weil sie Angst hatten, selbst eine Bleiladung abzubekommen.
Jedenfalls mussten wir uns einige schreckliche Sekunden lang ganz klein machen. Möglichst unsichtbar. Gegen diese geballte Feuerkraft, hatten wir nichts entgegenzusetzen. Nichts, was dem Paroli hätte bieten können. Was die Bewaffnung anging, waren dieser Killer uns überlegen.
Die Schusskraft einer Maschinenpistole ließ unsere Dienstwaffe beinahe wie Spielzeuge von rührender Harmlosigkeit erscheinen.
Ich glaubte schon, dass die Ballerei fürs erste wieder vorbei war, da ging es erneut los. Die Kugeln schlugen Löcher in die Beifahrertür des Lastwagens. Die Heckscheibe der Fahrerkabine war bis dahin das einzig heile Stück Glas am Wagen. Jetzt ging es zu Bruch. Ein Regen aus scharfkantigen Scherben regnete auf Milo und mich hernieder.
Dann war erst einmal wieder Stille.
Eine tödliche, drohende Stille.
Wir beide wussten es.
Ich packte die Waffe so fest, dass sich meine Knöchel weiß färbten.
Dann nickte ich Milo zu.
"Jetzt!"
Ich rannte in geduckter Haltung voran, während Milo auf das Fenster feuerte, aus dem zuvor auf uns geschossen worden war.
Eine zaghafte Erwiderung krachte los, aber Milo schien ziemlich genau zu zielen. Und der Killer dort oben ging lieber auf Nummer sicher.
Rechts und links neben mir kratzten die Kugeln am grauen Asphalt. Dann hechtete ich mich hinter einen Mercedes-Lieferwagen von uraltem Baujahr. Er war mindestens so ausgeschlachtet wie die Lastwagen.
Immerhin...
Ich hatte einige Meter gewonnen. Und der Eingang war jetzt in einer Entfernung, die vielleicht erreichbar war, wenn der der Kerl am Fenster mal nicht so hundertprozentig auf dem Posten war.
Ich feuerte ein paar Mal hinauf zu ihm und kauerte mich dann zum Nachladen hinter den Lieferwagen.
Milo machte mir ein Zeichen.
Alles in Ordnung.
Wieder herrschte einige Augenblicke lang diese eigenartige Ruhe vor dem Sturm. Jeder Muskel und jede Sehne meines Körpers waren angespannt.
Ich atmete tief durch und ließ den Blick die Fassaden auf der anderen Seite entlanggleiten.
Als ob ich es geahnt hätte...
An einem der Fenster bemerkte ich eine Bewegung.
Einer der Killer hatte sich offenbar auf die andere Seite begeben, um uns in aller Ruhe abschießen zu können. Ich ballerte zweimal in seine Richtung. Für den Moment schien er sich nicht aus seiner Deckung herauszutrauen.
Dafür war der Kerl mit der MPi um so aktiver. Er feuerte wild drauflos.
Ein unheimliches, zischendes Geräusch folgte, anschließend eine mörderische Hitzewelle.
Ich musste zur Seite hechten, als die Kugeln den Tank durchsiebten, der offenbar noch genug Kraftstoff enthalten hatte, um eine Explosion auszulösen.
Die Flammen schlugen hoch aus dem Lieferwagen heraus, während ich mich am Boden herumrollte und die Augen zusammenkniff. Die Hitze war furchtbar. Ich hatte das Gefühl, buchstäblich bei lebendigem Leibe geröstet zu werden.
Wieder schoss eine Flamme aus dem Lieferwagen heraus. Die wenigen Scheiben, die noch ganz waren, zerbarsten mit einem Klirren.
Der MPi-Schütze ballerte von oben in meine Richtung. Die Kugeln schlugen links und rechts von mir ein.
Es war die Hölle.
Mit einer heftigen Bewegung riss ich die Waffe hoch und feuerte zurück. Dann rappelte ich mich hoch, feuerte ein weiteres Mal dabei und hastete in Richtung des Eingangs. Ich schoss wild drauflos. Ein paar Dutzend Schritte nur trennten mich von der bröckelnden Hausfassade...
Ich setzte alles auf eine Karte. Und etwas anderes blieb mir auch gar nicht. Ich musste so schnell wie möglich aus dem Schussfeld kommen.
Ich keuchte.
Den letzten Schuss feuerte ich aus der Waffe und dann hatte ich es geschafft. Ich presste mich an die Fassade.
Der herausrieselnde graue Staub setzte sich in meinem Mantel fest. Ich atmete auf. Für den MPi-Schützen war ich jetzt unsichtbar. Der Winkel war zu spitz. Er konnte mich von oben weder sehen noch gezielt beschießen.
Bis zum Eingang hätte ich mich noch einige Meter an der Wand entlangdrücken müssen.
Aber dafür blieb keine Zeit, denn jetzt wurde von der anderen Seite geschossen.
Das war der Kerl mit der Schalldämpferwaffe und der Spiegelbrille. Jener Mann, der meinen Informanten getötet hatte. Jedenfalls schloss ich das aus der Tatsache, dass ich kein Schussgeräusch hörte. Ohne Vorwarnung drang die Kugel dicht neben mir in das poröse Mauerwerk und ließ noch mehr Putz herunterrieseln.
Meine Waffe war leergeschossen. Ich konnte nicht zurückfeuern.
Als der nächste Schuss dicht über meinen Kopf strich, stand mein Entschluss fest. Ich hechtete in das nächste Fenster hinein. Die Scheiben waren zerschlagen, aber es ragten noch scharfe Splitterstücke in die Fensteröffnung hinein. Wie Messer.
Und ich wusste nicht, was mich auf der anderen Seite, im Halbdunkel dieser verfallenen Ruine erwartete. Hart kam ich auf den Boden und rollte mich auf die Weise ab, die man mir im Nahkampftraining beigebracht hatte.
Meine Schulter schmerzte höllisch, aber ich biss die Zähne zusammen. Ich lud die Waffe in Windeseile nach. Dann sah ich das Blut an meinem Arm.
Das Glas war wie ein Messer durch meinen Mantel gefahren.
Hoffte ich.
Ich glaubte einfach nicht, dass es eine Kugel war.
Innerlich fluchte ich.
Aber ich war nicht bereit, jetzt auf diese Verletzung Rücksicht zu nehmen. Ich packte die Waffe fester und durchquerte den halbdunklen Raum.
Wenig später hatte ich die Tür erreicht und arbeitete mich durch den Flur vor. Eine Treppe führte hinauf. Der Aufzug war nur noch ein Schrotthaufen, und ich hatte keine Lust, ihn auf seine Funktionstüchtigkeit hin zu testen. Außerdem gab es vermutlich auch keinen Strom.
Vorsichtig ging ich die ersten Stufen hinauf. Das Geländer war schadhaft, der Handlauf teilweise abgebrochen.
Eine Bewegung ließ mich herumfahren, und ich sah eine riesige Ratte von einer Tür zur anderen huschen.
Nur den Bruchteil einer Sekunde später sah ich über mir etwas aufblitzen.
Das Mündungsfeuer einer MPi.