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Jahrzehntelang war die Bowery eine der berüchtigsten Straßen New Yorks gewesen. Ein Symbol des sozialen Abstiegs. Obdachlose, Bars und billigste Absteigen hatten das Gesicht dieser Straße der Sünde geprägt.

Inzwischen hatte sich einiges geändert. Zwar hatte die Bowery noch immer ihren über die Stadtgrenzen hinweg bekannten schlechten Ruf, aber inzwischen wurde das Straßenbild längst mehr durch Restaurants und Apartmenthäuser als durch Bars und Bordelle geprägt. Von der Sünde war nur ein Hauch geblieben. Und zu diesem Hauch gehörte das Belle de Jour - Pitaschwilis Laden.

Genau genommen hatte das zweifelhafte Etablissement nicht John Pitaschwili allein gehört. Miteigentümer war ein Jamaikaner namens Marvin Kingsroad. Ein Drogen-Tycoon, der zur Zeit wegen diverser Anklagen vor Gericht stand.

Es war später Nachmittag, als Milo und ich das Bell de Jour erreichten.

Natürlich war noch nichts los.

Lieferanten parkten im Halteverbot. Getränke wurden ausgeladen. Mit den Kistenträgern gelangten wir in den Schankraum. Ein Elektriker stand auf einer hohen Leiter und bastelte an dem ultramodernen Laserlicht herum.

Und auf der Bühne bereiteten sich ein paar kurvenreiche Girls auf ihren mehr oder minder textilfreien Auftritt am Abend vor. Sie lockerten schon mal ihre beweglichen Körperteile.

"Heh, ihr da! Raus!"

Der Kerl, der uns auf diese Weise anschnauzte war mindestens zwei Köpfe größer als ich und so breit wie ein Kleiderschrank. Seine platte Nase und die langgezogene Narbe, die von der Schläfe bis zum rechten Nasenflügel führte, gaben ihm ein geradezu brutales Aussehen.

Eine ehemalige Messerwunde, so vermutete ich.

Der Kerl kam auf uns zu und baute sich breitbeinig auf. Er war zweifellos der Rausschmeißer, hatte aber wohl geglaubt, dass es zu dieser frühen Stunde nichts rauszuschmeißen gab...

Er bleckte die Zähne.

Die obere Reihe bestand komplett aus Edelmetall.

Als wir ihm beinahe im selben Moment unsere Dienstausweise unter die Nase hielten, erschlaffte seine Gesichtsmuskulatur von einer Sekunde zur anderen.

Er sah jetzt ziemlich blöd aus.

"Zwei G-men?", knurrte er und klang dabei schon viel kleinlauter. "Wollen Sie hier die Kundschaft vertreiben?"

"Ich sehe noch keine Kundschaft!"

"Mann, es geht hier in einer Stunde los, was glauben Sie, was da alles noch zu tun ist!"

"Für Sie immer noch Mr. Trevellian!"

Er fletschte seine Metallzähne. "Mister Trevellian!", presste der Eisenbeißer dann hervor. "Wenn Sie uns irgendetwas anhängen wollen, dann..."

"Wie heißen Sie?"

"Randy. Mick Randy. Und da ihr Brüder das sowieso in euren verdammten Computern drin habt: Ich bin mal wegen Körperverletzung verurteilt worden..."

"Es geht um Ihren Boss", mischte sich jetzt Milo ein.

Mick Randy blickte kurz zu meinem Freund hinüber. Auf der Stirn des Eisenbeißers erschienen jetzt ein paar Falten. "Mr. Kingsroad?"

Milo sagte: "Wir sprechen von Pitaschwili."

"Ach so..."

"Er ist im Strand Book Shop von einem Killerkommando erschossen worden. Dasselbe gilt für seinen Leibwächter Harry Jiminez."

Der Eisenbeißer wurde bleich. Der Kinnladen klappte ihm herunter.

Ich studierte aufmerksam sein Gesicht und ergänzte dann: "Wir suchen Pitaschwilis Mörder. Ist Mr. Kingsroad da?"

"Lesen Sie eigentlich keine Zeitung, Mister Trevellian?" Mick Randy lachte heiser. Der Elektriker hatte indessen das Laserlicht für einige Momente probeweise eingeschaltet. Es ließ Randys Metallzähne eigentümlich blitzen. Als das Flimmerlicht dann wieder abgeschaltet war, sah Randy auf die goldene Rolex an seinem Handgelenk. "Mr. Kingsroad steht in diesem Moment noch vor dem Richter..."

"Davon habe ich gehört. Die Kollegen der DEA scheinen gute Ermittlungsarbeit geleistet zu haben."

"Aber Mr. Kingsroads Anwälte sind auch nicht zu verachten..."

"Was Sie nicht sagen."

"Wollen Sie sich die Live-Übertragung im Fernsehen ansehen?

Direkt aus dem Gerichtshof!"

"Danke!"

Indessen war eines der Girls an uns herangetreten. Eine hübsche Dunkelhaarige. Sie trug nichts weiter als einen knappen Body, der jedes Detail ihrer aufregenden Figur hervorragend zu Geltung brachte. Offenbar hatte sie uns zugehört.

"Warum sagst du ihm nichts, Mick?"

"Halt's Maul, Miranda!"

"Aber..."

"Ich habe gesagt: Halt's Maul! Scher dich zum Teufel!", schnauzte Mick Randy.

"Vielleicht werde ich mich mit Ihnen besser unterhalten, wenn Mister Randy nicht dabei ist, Ma'am", erklärte ich mit einem eisigen Blick, den ich dem Eisenbeißer zuwandte.

Ich sah, wie sich dessen Unterarmmuskeln anspannten.

Und ich war mir ziemlich sicher: Wenn ich nicht ein G-man gewesen wäre, hätte ich eine Sekunde später seine Faust im Gesicht gehabt.

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