Читать книгу Wahre Wunder geschehen manchmal: Arztroman Sammelband 4 Romane - A. F. Morland - Страница 16
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Wenige Tage vor Stefanie Behrensens Abreise nach Berlin gab es Krach im Hause Wylander. Um der heftigen Auseinandersetzung mit seinem Sohn gewachsen zu sein, hatte Jan Wylander rechtzeitig ein Nitropräparat genommen, das die Herzkranzgefäße erweiterte und dadurch ernsthafte Beschwerden verhinderte.
„Es muss endlich Schluss sein mit diesem Lotterleben, Junge!“, erklärte der Fabrikant streng. „Du musst endlich begreifen, dass der Mensch nicht nur dazu auf der Welt ist, die süßen Früchte zu genießen. Er muss auch dazu beitragen, dass sie wachsen und gedeihen.“
„Willst du mich etwa wieder in dieses Büro stecken?“, fragte Matthias aufsässig.
„Was hast du dagegen?“
„Es ist ein Käfig“, zischte Matthias aggressiv, „und ich hasse es, eingesperrt zu sein, das weißt du ganz genau.“
Jan Wylander schlug mit der Faust kräftig auf den Tisch. „Ein gesunder Mann hat die verdammte Pflicht, zu arbeiten, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen und nicht das beschämende Leben eines Parasiten zu führen!“
Bibiane Wylander machte sich Sorgen um ihren Mann. „Bitte, Jan, du darfst dich nicht so aufregen. Du musst an dein Herz denken.“
„Denkt unser feiner Herr Sohn an mein Herz? Nein. Dem ist es völlig egal, wie es mir geht. Soll der alte Trottel sich doch zu Tode schuften!, denkt er. Wenn er so dumm ist, ich kann’s nicht ändern! Wir haben einen rücksichtslosen, selbstgefälligen, stinkfaulen Egoisten, der kein Mitleid kennt, in die Welt gesetzt, Bibiane.“ Matthias griff nach seiner ärmellosen Lederjacke und zog sie an.
„Wohin willst du?“, fragte Bibiane ihren Sohn.
„Ich gehe. Ich hör’ mir das nicht länger an!“, knurrte Matthias.
„Ich bin noch nicht fertig!“, schrie Jan Wylander.
„Ich lasse mich von dir nicht beleidigen, Vater!“
„Du wirst gefälligst bleiben und dir anhören, was ich zu sagen haben.“ Matthias setzte sich auf eine Sessellehne, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte seinem Vater trotzig in die Augen.
Jan Wylander pflanzte sich vor seinem Sohn auf. „In einer Familie hat einer für den anderen dazusein. Die Welt da draußen kann sehr gemein sein. Es gibt nicht viele Menschen, die es mit einem ehrlich meinen. Alle anderen lügen, betrügen, stehlen, intrigieren, übervorteilen... Der
Lebenskampf ist hart. Wenn da nicht wenigstens die Familie zusammenhält, wird sie in diesem unerbittlichen Kampf aufgerieben und vernichtet.“ Er sah Matthias durchdringend an. „Du hast deiner Mutter und mir noch nicht viel Freude gemacht, obwohl wir alles für dich getan haben und immer für dich da waren, wenn du uns gebraucht hast. Findest du nicht, dass du uns etwas schuldest? Man kann im Leben nicht immer nur nehmen, man muss hin und wieder auch etwas zurückgeben. Doch auf diesem Ohr warst du bisher stets taub.“
Matthias wippte gelangweilt mit dem Fuß.
„Hör auf damit!“, herrschte sein Vater ihn an.
„Darf ich wenigstens atmen? Oder hast du auch dagegen etwas?“
„Du frecher Halunke, wenn du nicht mein Fleisch und Blut wärst und ich nicht Rücksicht auf deine Mutter nehmen müsste, hätte ich dich schon längst aus dem Haus gejagt.“
„Kann man denn nicht vernünftig mit dir reden, Junge?“, sagte Bibiane Wylander unglücklich. „Was ist bloß los mit dir? Warum bist du so unzugänglich? Wir sind doch nicht deine Feinde! Wir sind deine Eltern, und Papa braucht zum erstenmal im Leben deine Hilfe. Du darfst ihn nicht enttäuschen!“
„Wenn du nach Berlin fährst, anstatt mich in der Firma zu entlasten, sind wir geschiedene Leute“, erklärte Jan Wylander hart. Seine Augen wurden schmal. „Ich meine es ernst, Matthias. Hoffe nicht auf die Fürsprache deiner Mutter. Sie könnte mich dann nicht umstimmen. Wenn du mich jetzt im Stich lässt, bist du für mich erledigt, dann habe ich keinen Sohn mehr.“
Bibiane Wylander weinte.
„Du bekämst keinen Pfennig mehr von mir“, fuhr Jan Wylander verblüffend ruhig fort. „Du könntest nicht mehr wie die Made im Speck leben, damit wäre es ein für allemal vorbei, und mir wäre es egal, was dann aus dir würde. Keinen Finger würde ich mehr für dich rühren. Mein Sohn sitzt in der Klemme? Welcher Sohn? Ich habe keinen Sohn. Wylander heißt er? Tut mir leid, das muss sich um eine zufällige Namensgleichheit handeln. Du würdest sehr bald schon im Gefängnis landen, und ich würde dich dort eiskalt verrotten lassen. Ja, Junge, das brächte ich fertig, wenn du dich nicht endlich darauf besinnst, dass du ein Wylander bist.“
„Weißt du, wie man das nennt, was du tust, Vater?“
„Erpressung?“
Matthias nickte grimmig. „Genau.“
„Ich weiß kein anderes Mittel, um dich endlich zur Vernunft zu bringen.“