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Es war schief gegangen. Total schief. Bruno Pfaff konnte es sich nicht erklären. Rosys Timing hatte bestens gepasst, war perfekt gewesen.

Sie hatte, aus seiner Sicht, alles richtig gemacht – und dennoch lag sie jetzt auf einem Operationstisch in der Seeberg-Klinik, und ihr Leben hing an einem hauchdünnen Faden. Bruno war konfus. Zum ersten Mal merkte er, wie sehr er an Rosy hing. Er wollte sie nicht verlieren.

Deshalb hatte er auch darauf bestanden, dass man sie nach dem „Unglück“ nicht in irgendein Krankenhaus brachte, sondern in die Seeberg-Klinik.

Seit zwei Stunden wurde sie von Dr. Seeberg operiert. Seit zwei Stunden lief Bruno Pfaff auf dem Flur im Kreis – hoffte, bangte und schwitzte.

Würde Rosy sterben? Würde sie durchkommen? Würde sie ihr weiteres Dasein mit einem bleibenden Schaden fristen müssen? Bruno sah sie im Geist in einem Rollstuhl sitzen – entstellt von hässlichen Narben.

Würde er in diesem Fall die Kraft aufbringen, bei ihr zu bleiben? Er konnte es sich nicht vorstellen. Wenn Rosy nicht mehr so war, wie er sie gemocht hatte – dann war sie doch nicht mehr sein Mädchen, dann war sie eine andere; eine, mit der er nichts mehr zu tun haben wollte.

Bruno durchsuchte seine Taschen nach einem Kaugummi. In der Innentasche seines Jacketts befand sich das Kuvert mit den Aufnahmen von Dr. Torben Lorentz, dem Chirurgen, der sich in Luft aufgelöst hatte. Bruno trug die Fotos immer bei sich, obwohl dies eigentlich nicht nötig gewesen wäre.

Er fand einen Kaugummi, riss die Verpackung auf und schob sich den hellgrauen Streifen zwischen die Zähne. „Verdammt, wie lange schneiden die noch an ihr herum?“, murmelte er, denn das Warten machte ihn völlig fertig.

Nach zweieinhalb Stunden erschien ein Assistenzarzt und teilte ihm mit, dass Dr. Seeberg die Operation erfolgreich beendet hätte.

„Wie geht es ihr?“, erkundigte sich Bruno gepresst. Er nahm den Kaugummi aus dem Mund und warf ihn in den Abfallkorb.

,,Ihr Zustand ist immer noch sehr kritisch“, sagte der Assistenzarzt.

„Aber sie wird wieder auf die Beine kommen, ja?“

Der Assistenzarzt nickte. „Sie wird es schaffen“, sagte er, aber es hörte sich nicht besonders zuversichtlich an.

„Wo ist sie jetzt?“, wollte Bruno Pfaff wissen. Er wischte seine feuchten Handflächen an den Ärmeln seines Jacketts trocken.

„Auf der Intensivstation.“

„Ich möchte sie sehen. Ist das möglich?“

Der Assistenzarzt forderte Bruno auf, ihm zu folgen. Auf der Intensivstation lag Rosy Kupfer hinter weißen Wandschirmen. Sie schlief, war angeschlossen an Maschinen und Apparate, die ihre Lebensfunktionen unterstützten und überwachten und sofort Alarm schlagen würden, wenn die Werte, die permanent gemessen und in Sekundenschnelle ausgewertet wurden, in den kritischen Bereich absackten.

Bruno bat den Assistenzarzt, ihn einige Minuten mit Rosy allein zu lassen. Ihm war heiß. Er zog sein Jackett aus und hängte es über den Stuhl, auf den er sich setzte.

„Mädchen, du musst wieder gesund werden“, murmelte er. „Aber ganz gesund. Mit halben Sachen geben wir uns nicht zufrieden.“ Sein Blick wanderte über ihren Körper. Es war nicht zu sehen, dass sie verletzt war. Sie sah aus wie immer. Aber dennoch war sie heute dem Totengräber gerade noch mal von der Schippe gerutscht, und sie war noch nicht über dem Berg, das fühlte Bruno, wenn der Assistenzarzt ihm auch – nicht besonders überzeugend – Hoffnung gemacht hatte.

Bruno schaute auf Rosys flachen Bauch. „Wo hat Dr. Seeberg so lange herumgeschnitten? Was war da drinnen alles kaputt, Schätzchen?“

Er seufzte. Rosy hatte heute keinen erkennbaren Fehler gemacht, und dennoch war es zu dieser folgenschweren Katastrophe gekommen.

Wir machen das nie wieder, dachte Bruno. Vorerst haben wir genug Geld eingefahren, und später überlege ich mir eine weniger riskante Variante.

Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Er schaute hoch und blickte in das Gesicht eines Arztes, den er nicht kannte.

„Ich bin Dr. Rüsch“, stellte der Mediziner sich vor. „Zuständig für die Intensivstation.“

Dr. Thomas Rüsch bat Bruno Pfaff, jetzt zu gehen. Bruno stand auf, zog sein Jackett an, und sie verließen den Raum mit den summenden, piepsenden und tickenden Apparaten.

Draußen sagte Bruno: „Machen Sie mir mein Mädchen wieder ganz gesund, Doktor.“

„Wir tun hier alle für sie, was möglich ist“, gab Dr. Rüsch zurück.

Bruno Pfaff schüttelte den Kopf. „Ich möchte, dass speziell Sie sich um mein Mädchen kümmern, Dr. Rüsch. Sie scheinen mir ein tüchtiger Arzt zu sein.“ Sein Blick verdunkelte sich. „Enttäuschen Sie mich nicht.“ Er zeigte auf den Arzt. „Ich komme morgen wieder, und ich erwarte, dass es Rosy dann schon merklich besser geht. Sollte das nicht der Fall sein, müsste ich annehmen, dass Sie sich nicht genug um sie bemüht haben …“

„Das hört sich nach einer Drohung an“, fiel Dr. Rüsch dem jungen Mann ärgerlich ins Wort.

Bruno nickte. „Das ist eine Drohung, und zwar eine, die Sie verdammt ernst nehmen sollten.“

Thomas Rüsch brauste auf. „Jetzt hören Sie mir mal zu, Sie aufgeblasenes Würstchen …“

Bruno Pfaff packte den Arzt blitzschnell an der Kehle und zischte: „Nicht in diesem Ton, Rüsch! Nicht mit mir! Sonst kriegen Sie mehr Schwierigkeiten an den Hals, als Sie verkraften können.“ Er ließ ihn los und fuhr beinahe friedlich fort: „Wir sehen einander morgen wieder.“ Dann ging er.

Als er tags darauf wiederkam, wurde er von zwei Kriminalpolizisten erwartet, denn Dr. Rüsch hatte unter Rosy Kupfers Bett ein Kuvert gefunden, in dem sich abstoßende Fotos befanden, die die Patientin und Dr. Lorentz zeigten.

Dr. Rüsch informierte Dr. Seeberg, und als die Ärzte Rosy nach ihrem Erwachen die Bilder zeigten und sie um eine Erklärung baten, erzählte sie ihnen mit matter Stimme eine haarsträubende wahre Geschichte …

In weiterer Folge erfuhr Dr. Kayser, dass man Bruno Pfaff sein verbrecherisches Handwerk gelegt hatte, und Sven setzte unverzüglich Dr. Nicola Sperling davon in Kenntnis.

Nun war allen klar, warum Dr. Torben Lorentz verschwunden war, doch nach wie vor wusste niemand, wohin. Wo sollte man den Chirurgen suchen? Wie sollte man ihn finden?

Ärzte und Schicksale Auswahlband 8010 - 8 Romane: Manchmal kommt das Glück ganz unverhofft

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