Читать книгу Mörderische 13 Urlaubs-Krimis auf 1600 Seiten - A. F. Morland - Страница 61

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Montag, 16. Juni


Lupo erschien gegen neun Uhr in der Kanzlei und sagte der Sekretärin, die ihn nicht auf der Terminliste hatte: „Melden Sie Ihrem Chef bitte, ein Herr Ückes aus Bonn möchte ihn sprechen. Er weiß dann schon Bescheid.“

Die CD wechselte für tausend Euro den Besitzer, Lupo leugnete stur, dass sie sich eine Kopie gebrannt hatten, was Nellen, der seine Pappenheimer kannte, ihm nicht glaubte.

*


ISA WEIGERTE SICH, mit Rudi in die Stadt zu fahren und etwa das „Haus der Geschichte“ zu besuchen, während er mit dem Kollegen Schneider „regelte“, was sich in Katrins Treppenhaus abgespielt hatte. Rudi ließ sich erst überzeugen, nachdem er Isas Beretta inspiziert und ihr das feierliche Versprechen abgenommen hatte, lieber als erste zu schießen, denn als zweite angeschossen oder gar erschossen zu werden.

Kollege Schneider war beeindruckt. „Sie müssen ja ein hohes Tier in ihrem Amt sein.“

„Den Eindruck hatte ich bisher nicht“, erwiderte Rudi ehrlich.

„Wenn Sie wüssten, wer alles sich eingemischt hat.“

„Wahrscheinlich alle diejenigen, die vorher gegen das Zeugenschutzprogramm im Fall Vandenburg waren.“

„Gut möglich. Zum Glück gibt es auch in Verwaltungen 'tätige Reue'.Haben Sie Ihre Dienstwaffe mitgebracht?“

„Ja.“

„Kann ich die mal sehen?“

Er verglich sie umständlich mit den Angaben auf einem Ausdruck. Der Donnerer bestätigte, dass es sich bei der Heckler & Koch um die neue Dienstwaffe des Kriminalhauptkommissars Rudolf Herzog, LKA-Abteilung Personenschutz, handelte. Damit war der formelle oder dienstliche Teil eigentlich erledigt, nachdem Rudi ein Protokoll und seine Aussage aus der Nacht unterschrieben hatte, aber Schneider war noch nach Plaudern zumute: „Natürlich kenne ich mittlerweile zumindest in Umrissen den Fall. Sie scheinen ja eine wirklich wichtige Kronzeugin spazieren zu fahren. Ich denke, der Mörder Lucanos sitzt bereit.“

„Tut er, aber wenn man den zweiten Firmeninhaber wegen Anstiftung zum Mord für Jahre hinter Gitter schicken kann, hat man eine große OK-Firma lahmgelegt.“

„Schön. Aber für wie lange? Da stehen doch bestimmt schon Utom-Konkurrenten bereit, den Laden zu übernehmen.“

„Wahrscheinlich ... aber das kümmert mich wenig, ich bin kein Ermittler. Für mich ist der Auftrag erledigt, sobald der Vorsitzende die Zeugin Isa Vandenburg aus dem Zeugenstand entlässt“, log Rudi betont gleichmütig. Schneider griente etwas ungläubig, verfolgte das Thema aber nicht weiter: „Ich fürchte, dann geht für Sie die Arbeit erst richtig los.“

„Wie meinen Sie das?“

„Ihre Kollegen werden Ihre Zeugin durch die Mühle drehen, um möglichst viel über die Geschäfte der Utom zu erfahren, die Hintermänner und Verbindungen. Wo stecken mögliche Akten und Unterlagen?“

Rudi wollte nicht zugeben, dass er daran auch schon voller Sorge gedacht hatte. Und Schneider legte den Finger gleich in die nächste Wunde: „Ohne überzeugende Akten und Dokumente muss sie dann mindestens noch einmal in den Zeugenstand – lebend und aussagefähig.“

*


HAUPTKOMMISSAR SCHNEIDER irrte nur in einem Punkt. Mehtar Ben Ali stand nicht, sondern saß entspannt in Liechtenstein auf einem bequemen Armsessel im luxuriösen Besprechungszimmer seines Anwaltes Terzani. Seit Ben Ali zum ersten Mal von Spannungen zwischen Tomasio Lucano und Ullrich Schiefer wegen der „Ausweitung des Geschäftsfeldes“, an der Ben Ali ein großes finanzielles und politische Interesse besaß, gerüchteweise gehört hatte, war er fest entschlossen, notfalls Utom selbst zu übernehmen, als dieses wichtige, ja unverzichtbare Element in ihren Plänen untergehen zu lassen. Nun konnte man ein OK-Unternehmen nicht einfach kaufen oder mit einer unfreundlichen Übernahme an der Börse an sich bringen. Seit Monaten kümmerte sich Terzani um einen Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Gruppen, die ein Auge auf Utom geworfen hatten. Es ging voran, langsam zwar, aber immerhin, es ging voran.

„Hat du jetzt eine Ahnung, wo die Akten stecken?“

„Nein, nicht wirklich“, räumte Ben Ali ein. „Aber wir schalten von Tag zu Tag mehr Möglichkeiten aus. Es geht voran.“

„Viel Erfolg“, wünschte Terzani. „Ich kümmere mich dann mal um Bellini.“

„Muss das sein?“

„Die Familie besteht darauf und hat – nicht vergessen – nur unter dieser Bedingung dem Verkauf zugestimmt.“

Ben Ali nickte stumm. Er verstand vieles nicht, was diese Christen Moral, Ehre oder Anstand nannten. Aber sich aufzuregen, wenn ein gestandener Mann wie Ben Ali mit einer vierten Ehefrau liebäugelte, die von sich behauptete, echt blond und noch Jungfrau zu sein.

*


SIE TRAFEN SICH IN der Wohnung und beschlossen, nichts mehr zu unternehmen. Doch Isa und Rudi war keine Ruhe vergönnt. Eine Viertelstunde später lärmte Isas Handy, sie drückte die Taste und wurde nach einigen Sekunden weiß wie die Wand. „Das ist nicht dein Ernst ... das kannst du nicht machen, Julia. Ich bitte dich, das ist kein Mann wert ... Ja, ich komme sofort.“

Sie wandte sich an Rudi. „Wie lange fahren wir nach Essen?“

„Was ist los?“

„Später. Wie lange?“

„Eine gute Stunde.“

„Hast du gehört. In einer guten Stunde bin ich bei dir, dann reden wir über alles. Bis gleich.“

„Timo hat sich von Julia getrennt, weil sie ihm kein Geld leihen kann. Timo hat Spielschulden und ist wohl ziemlich verprügelt worden, weil er heute seinen letzten Termin für die Rückzahlung nicht eingehalten hat. Jetzt geht ihm der Arsch auf Grundeis, und Julia soll ihm helfen. Wenn nicht, dann sei sofort und für immer Schluss mit der großen Liebe.“

„Okay, wir fahren. Zieh dich schon schon mal an, vergiss deine Beretta nicht, ich rufe nur mal schnell meinen Bekannten Dorberg an.“

Alexander Dorberg war nicht erstaunt, als er von dem Drama hörte.

„Und du willst jetzt von mir mal so eben wissen, wer hinter dieser Pokerbande steckt?“

„Das wäre wunderbar.“

„Das wiederholst du nicht, wenn du hörst, was ich heute herausgefunden habe. Die Laube gehört dem Bruder des Grafen von Stahl.“

„Wie bitte?“

„Essen hat einer Bordellstraße, heißt die Stahlstraße, und der mächtigste Mann dort wird der Graf von Stahl genannt.“

„Da hat eine Prostituierte den letzten Rest von literarischer Bildung und Humor zusammengekratzt.“

„Schon möglich. Bürgerlich heißt der Kerl Leo Woslowski und wohnt in Haarzopf. Natürlich habe ich seine Adresse. Wir treffen uns in der Ahornstraße.“

Der Leihwagen lief so gut, dass Rudi ernsthaft überlegte, seine alte sandfarbene Möhre endlich abzustoßen und sich einen neuen Karren zu leisten. Auf seinem Konto hatte er genug Geld angesammelt. Sie rasten, was die vier Zylinder, gefüttert mit Super plus, hergaben. Dorberg wartete schon vor dem Haus und winkte ab, als Isa sich bei ihm bedanken wollte.

„Ich habe zwei Töchter durch die romantische Phase der großen Lieben gebracht“, sagte er trocken. Beide haben ihre Examina geschafft, sind verheiratet, haben Kinder und ich muss jetzt Enkelinnen durch Liebeskummer und -leiden schubsen. Ich lege ehrlich keinen Wert darauf, Urgroßvater zu werden.“

Isa klingelte Sturm, und Rudi meinte: „Versuche sie zu trösten und zur Vernunft zu bringen. Wir kommen zurück, sobald wir die Schuldscheine, sofern vorhanden, eingesammelt haben.“

Dorberg und Rudi nahmen den Leihwagen mit Bonner Kennzeichen. Leos Haus war zu groß und zu pompös für die Umgebung, die meisten Fenster waren erleuchtet. Bevor Dorberg klingelte, machten sie ihre Waffen schussbereit. In der Diele ging auch ein Licht an und sie hörten, dass hinter der Eingangstür ein Hund hechelte und knurrte.

Dorberg schien den Grafen von der Stahlstraße zu kennen und begrüßte den großen Mann, der die Haustür öffnete, fröhlich mit: „Na Leo, du alte Drecksau und Kinderschänder, wir wollen nur ein paar Schuldscheine einlösen.“

Ob der Hund auf das Wort Drecksau dressiert war, blieb unklar. Jedenfalls machte er Anstalt, Dorberg an die Kehle zu springen, was Rudi nicht duldete. Es wurde ein prächtiger Kopfschuss, der Rottweiler legte sich flach auf die Dielenfliesen, und als Leo Woslowski in die Tasche griff und seine Hand mit einem Schnappmesser wieder hervorkam, schoss Dorberg dem unvorsichtigen Leo in den Oberschenkel; Woslowski legte sich neben seinen toten Hund, das Messer rutschte über die Fliesen bis an die Wand.

„Seid ihr Arschlöcher verrückt geworden?“, kreischte eine mangelhaft bekleidete Frau los, die in die Diele gestürzt kam. Dorberg schien sie zu kennen und grüsste unverändert freundlich: „Hallo, Rita, du stählerne Königin der Schwanzlutscherinnen. Lässt dich Leo wieder ran an sein kleines Stück? Es lebe Viagra – oder?“

„Was wollt ihr Komiker?“

Jetzt schoss Dorberg noch einmal. Hinter Rita ging eine Wandleuchte zu Bruch. Sie schrie auf und ließ sich auf die Knie fallen. „Wir wollen alle Schuldscheine, die Leo hat, und zwar subito, pronto, verstanden?

Leo winkte sie heran, damit er ihr was ins Ohr flüstern konnte, und drohte dann laut: „Das werdet ihr bezahlen. Ich mache euch fertig und verfüttere das Hackfleisch an meinen neuen Hund.“

„Ja, das wissen wir, wenn du aus dem Krankenhaus kommst und noch laufen kannst. Wenn es dir lieber ist, fackeln wir vorher die Stahlstraße ab. Ich weiß sehr genau, was du unter Ritas Bett versteckt hast. Für sie sind fünf bis sieben Jahre drin, für dich, wenn alle Frauen aussagen, zwölf bis fünfzehn plus Sicherungsverwahrung.“ Rita stand auf und schlich mit krummem Rücken aus der Diele. Minuten später kam sie mit einer prall gefüllten Papiertüte zurück. Dorberg und Rudi holten sich zwei Stühle und schauten sich in aller Ruhe die Scheine, Notizen und Zettel an. Kaum zu glauben, wer sich da mit welchen Summen verschuldet hatte. Darunter auch auch ein Timo Reufels, und weil im Wohnraum lustiges Kaminfeuerchen prasselte, fütterten sie den Kamin mit etwas Papier und einer halbvollen Papiertüte.

Rita hing sich ans Telefon: „Einen Notarztwagen bitte, mein Freund hat sich aus Versehen ins Bein geschossen.“ Na ja, so konnte man es auch ausdrücken.

*


AUF DER RÜCKFAHRT ERKLÄRTE Dorberg sein Handeln. „Wir hatten zweimal den schönen Leo bis vor Gericht gebracht. Und beide Male kam er mit Notwehr durch. Ich hatte mir fest vorgenommen, bevor mich ein Schwerverbrecher in Notwehr ersticht, schieße ich lieber, eigentlich wollte ich seine Eier treffen, aber der Oberschenkel ist ja auch ganz nett.“

„Ist das deine Dienstwaffe?“

„Nein, die habe ich längst abgegeben. Diese Pistole habe ich heimlich einem Totschläger abgenommen, der sie in den nächsten Jahren nicht mehr brauchte, und dann hatte ich mich an das gute Stück gewöhnt.“

Rudi staunte. So kannte er seinen Freund Dorberg gar nicht.

*


ISA KAM AN DIE HAUSTÜR gestürzt: „Erfolg gehabt?“, flüsterte sie.

„Ja“, gaben beide genau so leise zurück.

„Passt! Das darf sie nicht hören, ich habe sie wohl so weit, dass sie mit mir nach Bonn kommt und Timo für den Moment vergisst.“

Das war Rudi eigentlich gar nicht recht; aber er konnte es der besorgten Mutter einer liebeskranken Tochter wohl nicht abschlagen. Schon auf der Ruhrbrücke erkundigte sich Julia: „Schläfst du – Entschuldigung, schlafen Sie mit meiner Mutter?“

„Ja, du kannst mich ruhig duzen. Heute nacht überlasse ich aber dir meine Betthälfte.“

„Dann bist du der Schulfreund aus Lanzarote?“

„Nein, der aus Mainz-Kastel, den deine Mutter auf Lanzarote zufällig wiedergetroffen hat.“

„Es geht doch nichts über alte Freundschaften“, murmelte Julia etwas aufsässig, aber das überhörte Rudi elegant, weil er gerade einen dieser idiotischen, lebensgefährlichen Gigaliner überholen musste.

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