Читать книгу Sammelband 6 Krimis: Tödlicher Rachefeldzug und andere Krimis für Strand und Ferien - A. F. Morland - Страница 13
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WÄHREND DER FAHRT ZU Nolans Haus, schaltete Milo den TFT-Bildschirm ein. Über den Bordrechner ging er Online und startete eine Anfrage über NYSIS, das Datenverbundsystem zu dem alle Polizeieinheiten des Landes Zugang hatten. Vom einfachen County Sheriff bis zur FBI-Zentrale in Washington.
Über Michael S. Nolan gab es dort tatsächlich mehrere Einträge. Illegaler Waffenbesitz, Notwehrexzess, als ein Obdachloser sein Grundstück betreten und Nolan die Hunde auf ihn gehetzt hatte, Diebstahl und Raub. Die Liste der Delikte war recht lang. Allerdings lag die letzte rechtskräftige Verurteilung schon mehr als zehn Jahre zurück. Er hatte also keinerlei Bewährungsauflagen oder dergleichen mehr zu beachten und lebte seitdem offenbar ein ziemlich zurückgezogenes Leben.
Wir erreichten eine Viertelstunde später das Haus von Michael S. Nolan. Milo und ich fuhren mit dem Sportwagen voraus. Jeannie McNamara folgte uns in einem Toyota. Luftlinie waren es kaum zwei Meilen bis zu Nolans Haus, aber wenn man mit dem Wagen dorthin gelangen wollte, musste man einen ziemlich großen Umweg fahren.
Das Haus war aus Holz und irgendwann sicherlich mal blau angestrichen gewesen. Der Großteil der Fassade blätterte langsam ab.
Wir hielten mit dem Sportwagen vor der Veranda, deren Dach notdürftig ausgebessert worden war.
Wir stiegen aus.
Jeannie McNamara traf mit ihrem Fahrzeug nur wenige Augenblicke später ein. Sie ging im Storchenschritt durch den tiefen aufgeweichten Boden. „Scheint so, dass mein Schuhwerk nur für eine großstädtische Umgebung taugt“, meinte sie. Ihr Lächeln wirkte etwas gezwungen.
Insgesamt drei Fahrzeuge befanden sich auf der Veranda-Seite des Hauses.
„Ich wette, zwei dieser Wagen werden ausgeschlachtet, um den dritten fertig zu machen“, war Milo überzeugt. Vermutlich hatte er Recht.
„Mister Nolan?“, rief ich, erhielt aber keine Antwort.
Ich versuchte es noch einmal und ging auf die Veranda zu.
Milo und Jeannie McNamara folgten mir.
„Hier spricht Jesse Trevellian, FBI! Meine Kollegen und ich möchten gerne mit Ihnen über Ihre Beobachtungen am Tatort sprechen.“
Ein knurrender Laut empfing uns.
Zwei hüfthohe Doggen schnellten blitzschnell durch die offen stehende Tür und blieben an der Treppe der Veranda stehen. Sie verharrten dort, fletschen die Zähne und knurrten uns an.
Milo und ich zogen sofort unsere Dienstwaffen.
Der Besitzer der Hunde erschien wenig später auf der Veranda. Nolan war breitschultrig und hatte schulterlanges, verfilztes, blondes Haar. Der Vollbart bedeckte beinahe das gesamte Gesicht und hatte einen deutlichen Rotstich.
Sommersprossen kennzeichneten seine Nase und die Stirn. Letztere wurde außerdem noch von ein paar tiefen Furchen durchzogen.
„Wer sind Sie?“, fragte er.
„Jesse Trevellian, FBI!“, sagte ich und zog meine ID-Card. „Wir müssen mit Ihnen sprechen.“
„Geht es um die Tote?“
„Zunächst mal würde ich vorschlagen, dass Sie Ihre Hunde irgendwo einsperren.“
„Die Hunde tun niemandem etwas, es sei denn ich sage es ihnen.“ Nolan trat zwischen die beiden Doggen und kraulte einen von ihnen den Nacken. „Wissen Sie was? Reden Sie einfach! Ich höre zu.“
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Milo.
Falls Nolan auf den Gedanken kam, seinen Hunden den Befehl zum Angriff zu geben, hatten wir vermutlich kaum die Chance, rechtzeitig unsere Dienstwaffe zu ziehen und beide Tiere zu erschießen.
Aber andererseits konnten wir uns von Nolan auch unmöglich diktieren lassen, unter welchen Bedingungen wir mit ihm sprachen.
„Nein, Mister Nolan, so läuft das nicht“, erklärte ich.
„Es läuft entweder nach meinen Regeln oder gar nicht“, erwiderte Nolan. „Im Übrigen habe ich Ihren Kollegen alles gesagt, was es über die Tote zu sagen gab. Ich bin mit den Hunden unterwegs gewesen und da war sie... Das ist alles!“
„Die Hunde an die Leine, Mister Nolan! Sofort!“, forderte ich unmissverständlich. „Oder ich werte das als einen bewaffneten Angriff auf FBI-Agenten und wir kommen mit zwei Dutzend Mann wieder, um Sie vorläufig festzunehmen!“
Nolan überlegte einen Moment. Er trat etwas vor. „Wotan! Odin! Ins Haus!“ Die beiden Doggen gehorchten tatsächlich aufs Wort. Sie verschwanden durch die Haustür. Nolan schloss sie hinter den Tieren.
Dann kam er die Verandatreppe herunter und trat auf uns zu.
„Zufrieden?“
„Beinahe“, erwiderte ich.
„Wir haben nichts gegen Sie und wollen Ihnen auch keine unnötigen Schwierigkeiten machen“, ergänzte Milo.
„Sie arbeiten doch für die Regierung. Das ist doch fast gleichbedeutend damit, anderen Leuten Schwierigkeiten zu machen. Im Grunde ist das doch der ganze Zweck Ihres Jobs! Die Regierung bezahlt Sie dafür, dass Sie Leute drangsalieren...“
„Tut mir Leid, dass Sie so schlecht von uns denken“, erwiderte ich. „Eigentlich sehen wir unsere Aufgabe eher darin, die Menschen vor dem Verbrechen zu schützen. Vor allem die Schwachen.“
Nolan lachte höhnisch. „Sie glauben diesen Mist doch nicht einmal selbst, Mister...“
„Agent Trevellian.“
„Ich persönlich traue weder Regierung noch den Behörden über den Weg. Es wäre alles viel einfacher, wenn jeder Mann seine Waffe hätte und damit auch umgehen könnte. Dann könnte man sich diesen gesamten korrupten Polizeiapparat sparen.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung.
Dann zuckte er mit den breiten Schultern.
Niemand von uns hatte besondere Lust, die verqueren Ansichten von Michael Nolan weiter zu diskutieren. Uns ging es um die Abklärung der Fakten.
„Wann haben Sie die Tote genau gefunden?“, fragte ich.
„Heute Morgen, so gegen vier Uhr. Kurz darauf ging die Sonne auf.“
„So früh sind Sie schon unterwegs?“, wunderte ich mich.
Er nickte.
„Ja. Was dagegen?“
„Schildern Sie uns genau, was passiert ist!“
„Ich mache um die Zeit immer einen Weg von gut fünf Meilen mit den Wotan und Odin.“
„Sind das nicht zwei verschiedene Namen für ein- und denselben nordischen Gott?“, mischte sich Jeannie McNamara ein.
Er schien überrascht zu sein, dass ihn jemand darauf ansprach. „Das stimmt“, gab er zu. „Aber die beiden Doggen kommen ja auch aus demselben Wurf. Aber wollen Sie mich jetzt über die Hunde ausfragen oder über die Leiche am Waldrand?“
„Es würde uns bei der Einschätzung Ihrer Aussage helfen, etwas mehr über Sie zu wissen“, erwiderte Jeannie McNamara.
„Dann hätte ich die Leiche wohl besser sich selbst überlassen sollen, anstatt der Polizei den Fund zu melden“, knurrte Nolan mit heiserer Stimme. „Die Raben hätten ihre Mahlzeit und ich keinen Ärger gehabt.“
„Wieso gehen Sie davon aus, dass Sie Ärger bekommen?“, fragte Jeannie.
Er stutzte, presste die Lippen aufeinander und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Mir fiel auf, dass er eine Tasche für ein Klappmesser am Gürtel trug.
„Keine Ahnung. Wahrscheinlich erwarte ich einfach Ärger, wenn Cops auftauchen.“
„Sie waren gerade dabei, uns zu schildern, wie Sie auf die Leiche aufmerksam wurden“, versuchte sich das Gespräch wieder auf den Fall zu lenken.
Er nickte. „Die Hunde wurden plötzlich unruhig. Ich bin den beiden eigentlich nur gefolgt und dann sah ich sie da sitzen. Grässlich. Da ich kein Handy und auch keinen Festnetzanschluss besitze, musste ich erst die drei Meilen bis zu Danny’s Drugstore laufen. Der liegt an der Interstate 87 Richtung Albany. Es gehört auch eine Tankstelle und Diner dazu. Alles 24 Stunden rund um die Uhr geöffnet. Von dort habe ich die Polizei angerufen.“ Er atmete tief durch. „Dieser Danny hat noch so ein Theater wegen der Hunde gemacht. Keine Ahnung, in welches Dreckloch Wotan hinein getreten war, aber jedenfalls gab es ein paar hässliche Spuren auf dem Boden.“
„Sind Sie von dort aus direkt zurück zum Tatort gegangen?“
„Nein, ich musste den Hunden etwas zu fressen und zu trinken geben. Wotan und Odin sind an einen regelmäßigen Tagesablauf gewöhnt. Als ich am Tatort eintraf, waren schon jede Menge Cops in der Nähe. Ich habe gegenüber dem Sheriff meine Aussage gemacht und dachte eigentlich, dass es damit vorbei wäre.“
„Hatten Sie Gelegenheit, sich am Tatort etwas umzusehen?“, mischte sich jetzt Milo ein. „Oder haben Ihre Hunde noch etwas entdeckt?“
„Ich habe keine Ahnung, worauf Sie hinaus wollen!“
„Darauf, dass wir bei der Toten nur einen Lippenstift, aber nicht die die dazugehörige Handtasche gefunden haben. Und außerdem hat jemand versucht, ihr einen Ring vom Finger zu nehmen.“
„Fangen Sie den Mörder. Dann haben Sie wahrscheinlich auch diese Dinge.“
Ich nickte. „Vermutlich. Nur eine Sache noch!“
„Wenn ich dann endlich meine Ruhe habe...“
„Das Taschenmesser an ihrem Gürtel hätte ich gerne.“
Nolan verengte die Augen und ich war froh, dass die Hunde im Haus eingeschlossen waren. Andererseits traute ich den Tieren durchaus zu, dass sie auf einen Pfiff hin die Tür öffnen konnten.
„Wir möchten Sie als möglichen Täter gerne von vorn herein ausschließen“, erklärte Milo. „Unsere Spezialisten im Labor können beurteilen, ob Ihr Messer die Tatwaffe gewesen sein könnte.“
„Sie bekomme es natürlich sofort zurück, wenn der Befund negativ ist“, versicherte ich.
„Sie wollen mir doch bloß was anhängen!“, knurrte er.
„Genau das Gegenteil ist der Fall“, erwiderte ich. „Lassen Sie das Messer in der Tasche stecken und nehmen Sie die vom Gürtel.“
„Brauchen Sie dazu nicht einen richterlichen Beschluss oder so was? Ich kenne mich inzwischen gut aus. Schließlich war ich schon oft genug ein Opfer von Amtswillkür und Justizschikane.“
Milo seufzte. „Wenn wir mit einem richterlichen Beschluss zurückkehren müssen, stellen sechs Mann Ihr Haus auf den Kopf. Sie werden solange in Gewahrsam genommen und Ihre Hunde müssen sich für 48 Stunden an den Tagesablauf des örtlichen Tierheims gewöhnen. Ich weiß nicht, ob das wirklich in Ihrem Interesse liegt.“
Er griff sich an den Gürtel, zögerte aber noch. Die Hunde im Haus wurden unruhig. Offenbar waren die Tiere sensibel genug, um die zunehmend aggressive Grundstimmung des Gesprächs mitzubekommen.
Für ein paar Augenblicke hing alles in der Schwebe und ich war kurz davor, Jeannie McNamara zu raten, sich in ihren Wagen zu setzen. Aber dann gab Nolan doch noch nach. „In Ordnung, Sie kriegen das Messer.“