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DIE ERKENNUNGSDIENSTLICHEN Untersuchungen an Michael Nolans Haus dauerten bis spät in die Nacht. Inzwischen hatte ich mit Mr McKee telefoniert. Der Chef des FBI Field Office New York bekam einen ausführlichen Bericht über die bisherigen Ermittlungsergebnisse.

Außerdem wurde das weitere Vorgehen besprochen.

Um die Ermittlungen gleich am nächsten Morgen fortsetzen zu können, ließen wir uns von Sheriff Masterson in Kingston ein Hotel empfehlen, in dem wir die Nacht verbringen konnten. Masterson sagte uns außerdem in jeder Hinsicht Unterstützung zu, gleichgültig, ob wir Verhörräume, Gewahrsamszellen oder Unterstützung bei Straßensperren und Durchsuchungen brauchten.

Auch Jeannie McNamara verzichtete darauf, nach Albany zurückzukehren, um uns weiter jederzeit unterstützen zu können. Sie nahm sich im selben Hotel wie wir ein Zimmer. Es hieß „Washington“, weil angeblich George Washington hier mal genächtigt hatte. Zumindest hing im Foyer das fast hundert Jahre später entstandene großformatige Gemälde eines lokal bekannten Malers, das den ersten Präsidenten bei seinem ersten und einzigen Besuch in Kingston zeigte.

Die interessantesten Erkenntnisse ergaben sich weder am Fundort der Leiche noch bei Danny’s Drugstore, sondern im Büro des County Sheriff, der uns sein Computer-Equipment und seine Kaffeemaschine für unsere Ermittlungen zur Verfügung stellte.

Über das Datenverbundsystem NYSIS hatten wir Zugang zu allen relevanten Daten. Außerdem waren wir über eine permanente Online-Verbindung mit dem Kollegen Max Carter, einem Innendienstler aus der Fahndungsabteilung unseres Field Office verbunden.

Einige Fakten über Nolan ließen sich schnell klären.

Michael Nolan hatte Grisella McCoy geheiratet, kurz nachdem er seine IT-Firma gründete. Grisella wurde schwanger, litt unter einer postnatalen Depression und konnte keine Beziehung zum Kind aufbauen. Im Alter von dreieinhalb Jahren starb dieses Kind – ein Sohn, der nach seinem Vater Michael genannt worden war – unter mysteriösen Umständen. Das Ganze war aktenkundig und die Daten für uns einsehbar, weil es eine Anklage gegen die Mutter gegeben hatte. Michael Nolan warf Grisella vor, ihren gemeinsamen Sohn misshandelt zu haben und überzeugte die Staatsanwaltschaft davon, dass diese Misshandlungen Ursache seines Todes waren. Ein Gutachterstreit schloss sich vor Gericht an. Schließlich wurde Grisella freigesprochen.

„Damals konnten sich die Geschworenen noch nicht vorstellen, dass eine Mutter ihr Kind tötet“, stellte Jeannie McNamara fest. „Inzwischen hat sich das durch einige spektakuläre Fälle dieser Art geändert und die Mutter ist die erste Verdächtige, an die wir uns halten.“

„Und anderthalb Jahre nach ihrem Freispruch ist Grisella McCoy tot“, stellte ich fest. „Ein Verkehrsunfall, bei dem nicht eindeutig hatte ermittelt werden können, ob es sich nicht in Wahrheit um einen Selbstmord gehandelt hat.“

Jeannie nickte. „Sie hatte ihren Mädchennamen nach der Scheidung von Michael Nolan wieder angenommen. Und Tatsache ist, dass Michael Nolan sich durch eine ihm sehr nahe stehende Person mit blonden Haaren verletzt gefühlt haben muss.“

„Was ihn mit Ihrem Täterprofil in größere Übereinstimmung bringt“, ergänzte ich.

„Aber gegenüber Danny Brownwell scheint Nolan die Geschichte etwas anders dargestellt zu haben“, meldete sich Milo zu Wort.

Jeannie McNamara hob die Augenbrauen. „Ich nehme an, dass er weder den Verlust seines Sohnes noch den Niedergang seiner Firma wirklich verarbeitet hat.“

„Könnte es sein, dass jemand wie Nolan blonde Frauen tötet, um sie stellvertretend für den Tod seines Sohnes zu bestrafen?“, vermutete Milo.

Jeannie nickte. „Das ist durchaus denkbar. Er könnte das 87er Monster sein. Jemand, der immer wieder blond gelockte Frauen für das bestrafen will, was Grisella ihm angetan hat. Falls er es sein sollte, dann vermute ich, dass Nolan selbst in seiner Kindheit von seiner Mutter misshandelt worden ist.“

Jeannie nahm ihre Tasche und zog einen Computerausdruck hervor. „Ich habe hier die Zeugenbeschreibung eines Verdächtigen, wie sie nach dem ersten Mord des 87er Monsters von der Polizei aufgenommen worden ist.“

Sie hatte diese Beschreibung die ganze Zeit über bei sich gehabt, wie ich überrascht feststellte.

Ich las sie mir durch. Sie war so vage, dass man danach noch nicht einmal ein aussagekräftiges Phantombild hätte zeichnen lassen können. „Der Mann trug einen Anzug und soll Anfang Dreißig bis Mitte Vierzig gewesen sein. Das ist nicht viel“, stellte ich fest.

„Dementsprechend überwältigend war dann ja auch der Fahndungserfolg.“

Ich lehnte mich auf dem unbequemen Bürostuhl in Sheriff Mastersons Büro zurück und nahm einen Schluck aus dem Kaffeebecher, dessen Inhalt inzwischen kalt geworden war. Mit dem exquisiten Gebräu von Mandy war das allerdings selbst im heißen Zustand nicht vergleichbar. Der Kaffee, den die Sekretärin unseres Chefs aufbrühte war eben einfach etwas ganz Besonderes.

„In Ihrem Anfangsprofil des 87er Monsters vermuten Sie, dass der Täter unter einer oder mehreren Psychosen litt und deswegen vielleicht auch schon in Behandlung war.“

„Das ist korrekt – und ich bin immer noch davon überzeugt.“

„Bei Nolan konnten wir davon bislang nichts finden.“

„Das heißt nicht, dass er kein Psychotiker sein könnte.“

„Ergaben sich in seinem Haus Anhaltspunkte dafür?“

Sie zuckte mit den Schultern. „In gewisser Weise ja... Ich meine, ich müsste ihn untersuchen können, um das genauer zu bestimmen, aber die Art und Weise, wie er die Doggen als Waffen abgerichtet hat, könnte auf eine Paranoia deuten. Ich sagte könnte. Wir wissen einfach noch zu wenig über ihn.“

Milos Handy klingelte.

Mein Kollege nahm das Gespräch entgegen und sagte mehrmals kurz hintereinander „Ja!“, ehe er schließlich die Verbindung beendete. „Das war Dr. Claus“, erläuterte er. „Das Messer von Nolan könnte die Tatwaffe gewesen sein.“

„Was heißt hier könnte?“, mischte sich Jay Kronburg ein.

„Das heißt, es spricht nichts dagegen. Um genau sagen zu können, ob es die Mordwaffe war, müssen erst noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Die Obduktion ist abgeschlossen. Danach hat Rita Greedy wie vermutet K.o.-Tropfen bekommen. Und zwar dieselbe Sorte, die von den anderen Morden des 87er Monsters bekannt ist. Es wurde außerdem Fremd-DNA gefunden.“

„Die von Nolan muss auf jeden Fall dabei sein“, meinte ich.

Die blutigen Sachen, die in Nolans Haus gefunden worden waren, befanden sich längst im Labor und wir erwarteten die Ergebnisse der Untersuchungen für den nächsten Tag.

Milo unterdrückte ein Gähnen und ich hatte ebenfalls Mühe, mich in dieser Hinsicht zurückzuhalten.

„Machen wir Schluss für heute“, meinte Leslie Morell. „Morgen ist schließlich auch noch ein Tag!“

„Ein Tag, an dem das 87er Monster wieder zuschlagen könnte“, gab Jeannie McNamara zu bedenken.

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