Читать книгу Sammelband 6 Krimis: Tödlicher Rachefeldzug und andere Krimis für Strand und Ferien - A. F. Morland - Страница 16
Оглавление8
WIR MUSSTEN EINEN ZIEMLICH weiten Umweg zur nächsten Auffahrt auf die Interstate 87 nehmen und kamen daher erst eine halbe Stunde später auf dem Parkplatz von Danny’s Drugstore an.
Den Sportwagen parkte ich direkt vor dem Drugstore. Jennie McNamara setzte ihren Toyota daneben.
Etwa dreißig Yards entfernt befand sich ein BMW, dessen Kennzeichen mit dem übereinstimmte, das wir für Rita Greedys Wagen ermittelt hatten.
„Sie war als hier!“, stellte Milo fest.
„Dann wird sie hier auch jemand gesehen haben“, nickte ich.
Wir gingen zu ihrem BMW. Jeannie McNamara folgte uns.
„Das ist typisch für alle bisherigen Fälle dieser Serie“, sagte sie. „Der Wagen blieb irgendwo zurück. Der Täter hat das Opfer in seinem eigenen Fahrzeug mitgenommen.“
„Aber zu dem Zeitpunkt ist sie bereits betäubt gewesen, oder?“, vergewisserte ich mich.
Schließlich befasste ich mich erst seit kurzem mit diesem Fall, während Jeannie McNamara seit Jahren geradezu davon besessen war, ihn endlich aufzuklären und damit der grausamen Serie dieses Killers ein Ende zu bereiten.
Milo deutete in Richtung des Drugstore. „Vielleicht hat sie dort einen Kaffee getrunken und jemand hat ihr ein paar Tropfen hineingemixt. Hier draußen ist ihr dann übel geworden und der Täter brauchte ihr nur zu folgen und sie in seinen Wagen schaffen.“
„Vier der Opfer wurden zusätzlich noch chloroformiert, weil die K.o.-Tropfen nicht schnell genug wirkten“, erläuterte Jeannie McNamara.
„Wie es in diesem Fall gewesen ist, dürften wir erst wissen, nachdem Dr. Claus’ vorläufiger Obduktionsbericht vorliegt“, stellte ich fest.
Ich zog mir Latexhandschuhe über und öffnete den Wagen, um nach weiteren Hinweisen zu suchen. Im Handschuhfach waren die Papiere des Wagens. Außerdem ein kleinkalibriger Revolver und ein Elektroschocker.
„Das hätte sie besser bei sich gehabt, anstatt es im Wagen zu lassen“, meinte Milo.
„Ich glaube nicht, dass ihr das etwas genutzt hätte“, war Jeannie McNamara überzeugt. „Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, der Mann, den wir suchen ist eher unscheinbar und sehr rücksichtsvoll. Er wirkt auf keinen Fall gefährlich. Zu einem Kampf ist es in keinem der Fälle gekommen, dafür hat unser Mann gesorgt.“
„Jemand, der auf Nummer sicher geht, - ist das auch ein Kennzeichen seines Charakters?“, fragte ich an Jeannie gewandt. „Ich meine, wenn jemand seinem Opfer K.o.-Tropfen verabreicht und es zusätzlich auch noch in einigen Fällen chloroformiert...“
„Sie haben vollkommen Recht, Jesse. Er überlässt nichts dem Zufall.“
Milo nahm das Handy ans Ohr und sprach mit unseren Kollegen am Tatort. Er hatte Mell Horster am Apparat.
„Wir haben den Wagen des Opfers. Jemand von euch müsste den noch erkennungsdienstlich unter die Lupe nehmen.“
Ich sah derweil Jeannie McNamara an.
Sie erwiderte den Blick und hob die Augenbrauen.
„Ist irgendetwas nicht in Ordnung, Jesse?“
„Ich nehme an, Ihnen ist bewusst, dass Sie ziemlich genau dem Beuteschema des Killers entsprechen.“
Sie nickte. „Das weiß ich. Und um Ihre nächste Frage gleich vorwegzunehmen: Meine Haare sind keineswegs gefärbt und die Locken hatte ich schon als Kind. Ich habe mich keineswegs so gestylt, dass ich den Eigenschaften der von unserem Serientäter bevorzugten Opfer entspreche!“
„Das habe ich auch damit nicht sagen wollen“, erwiderte ich.
Sie atmete tief durch. Eine dunkle Röte hatte ihr Gesicht überzogen.
„War nicht so gemeint“, murmelte sie. „Ich bin im Moment mit den Nerven etwas am Ende. Eigentlich wollte ich nur deutlich machen, dass ich keineswegs so verrückt bin, mich selbst als Köder für einen Serienkiller ins Spiel zu bringen. Das wäre im höchsten Maße unprofessionell.“
Milo öffnete die Fahrertür des BMW und griff nach dem Navigationssystem. Auch er trug selbstverständlich Latexhandschuhe, um nicht selbst jede Menge Spuren zu hinterlassen.
Milo aktivierte das Navigationssystem. „Als Zielort ist Kingston, N.-Y. angegeben“, meinte er. „Die Adresse entspricht derjenigen, die auch im Führerschein steht.“
„Und der Ausgangspunkt ihrer Reise?“
„War die Mott Street in Manhattan“, stellte Milo überrascht fest.
„Little Italy!“, entfuhr es mir. „Wir kriegen sicher noch heraus, was sie dort wollte. Lass uns jetzt das Drugstore-Personal befragen. Hier bringen wir doch nur alles durcheinander.“
„Einverstanden“, nickte Milo.
Wir betraten wenig später den Drugstore.
Eine junge Frau stand hinter dem Tresen. Wir zeigten unsere Dienstausweise.
„Jesse Trevellian, FBI. Dies ist mein Kollege Agent Milo Tucker. Und Miss McNamara ist als Polizeipsychologin für das Alabany Police Department tätig.“
„Ich werde Danny holen... ich meine, Mister Brownwell. Im gehören der Drugstore und die Tankstelle. Ich nehme an Sie wollen zu ihm.“
Sie wollte schon davoneilen, aber ich hielt sie zurück. „Einen Augenblick. Wer sind Sie denn?“
„Mein Name ist Carmen Hernandez. Ich arbeite hier.“
„Auch gestern Abend?“
„Nein, gestern hatte ich frei...“
„Was ist hier los?“, fragte ein Mann, der ein T-Shirt mit der Aufschrift „I’M DANNY“ trug.
„Jesse Trevellian, FBI. Sie sind der Besitzer dieses Drugstore?“
Er nickte.
„Danny Brownwell.“
„Michael Nolan hat von hier aus heute Morgen die Polizei alarmiert, nicht wahr?“
„Ja, richtig. Dieser Nolan ist ja ein ziemlich seltsamer Vogel, müssen Sie wissen und man weiß nie richtig, ob alles auch stimmt, was er sagt oder ob er sich das nur eingebildet hat. Ich war natürlich erstmal misstrauisch, als er hier hereinkam und erzählte, dass er eine tote Frau gefunden hätte. Aber ich wollte ihm ungern widersprechen, weil die Hunde bei ihm waren.“
„Das kann ich gut verstehen“, meint Milo.
Ich legte den Führerschein von Rita Greedy auf den Tisch.
Carmen Hernandez warf einen Blick auf das Lichtbild. Für einen Moment hatte sie ihre Gesichtszüge nicht unter Kontrolle. Der Schrecken war ihr deutlich anzusehen.
„Ich nehme an, das ist die Frau, die ermordet wurde“, sagte Danny Brownwell.
Ich nickte. „Ja.“
„Sie war gestern Abend hier.“ Er wandte sich an Carmen Hernandez und warf ihr einen Blick zu, der alles andere als freundlich war. Sie schien sofort zu begreifen, was von ihr erwartet wurde und ging. Sie verschwand durch einen Nebenausgang und blickte sich zuvor noch einmal kurz um. Meinem Blick wich sie aus.
„Erzählen Sie uns alles, was Sie beobachtet haben“, forderte Milo.
„Sie wirkte ziemlich übermüdet und wollte einen starken Kaffee. Und dann hat dieser Typ sie angesprochen.“
„Was für ein Typ?“, hakte Milo nach, während ich noch darüber nachdachte, aus welchem Grund Carmen Hernandez so schnell das Weite gesucht hatte.
„Biederer Kerl, trug einen dreiteiligen Anzug, aber von der Stange. Sah aus wie ein Bankangestellter oder ein Vertreter. Mir ist aufgefallen, dass er wie ein Schwein schwitzte, obwohl es hier gar nicht so warm war. Der Typ sah furchtbar aus, so als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her.“ Danny zuckte mit den Schultern. „Wie auch immer, er hat die Business-Lady angesprochen. Die beiden haben sich unterhalten, so viel habe ich mitgekriegt.“
„Wann war das?“, fragte ich.
„Es war schon dunkel und eigentlich hätte Miles seine Schicht gehabt, aber er hat mir – wie üblich – kurzfristig abgesagt. Der Mann hat Asthma. Ich beschäftige ihn eigentlich nur noch, weil ich Mitleid mit ihm habe und ihn wahrscheinlich auch sonst niemand nehmen würde, so oft wie er wegen seiner Krankheit nicht einsatzfähig ist.“ Danny seufzte. „Im Zweifelsfall muss dann immer ich die Extraschicht übernehmen. So ist das eben! Die meisten glauben, ich wäre hier der Boss – aber in Wahrheit bin ich der Arsch für alles! So komme ich mir jedenfalls häufig vor!“
„Auf eine Uhrzeit können Sie sich nicht festlegen?“, hakte ich noch mal nach.
Danny verzog das Gesicht und meinte schließlich: „Im Radio kam bereits der Night Talk. Der beginnt um kurz nach zwölf.“
„Wann haben die beiden den Drugstore verlassen?“, fragte ich.
„Tut mir leid, das weiß ich nicht.“
„Aber ich dachte, Sie wären hier im Raum gewesen.“
„Ich war zwischendurch beschäftigt. Es kam ein Telefonanruf, der mich abgelenkt hat. Die Beiden waren weg, ehe ich richtig bemerkt hatte, dass sie gegangen waren.“
„Haben Sie eine Videoüberwachung?“, hakte Milo nach.
Danny nicke. „Aber nur für den Bereich um die Tankstelle. Sie wissen ja gar nicht, wie dreist die Leute werden können! Die lassen sich den Tank volllaufen und brausen dann einfach davon! Aber mit der Überwachungsanlage kriege ich jeden. Selbst wen er sein Nummernschild verändert oder sonst irgendwelche Tricks versucht.“ Danny grinste. „Wissen Sie, wodurch der letzte Benzin-Dieb von den Kollegen der Highway Patrol überführt wurde?“
„Nein“, murmelte ich. Es gab nichts, was seinen Redefluss im Moment aufhalten konnte. Also versuchte ich es auch gar nicht erst.
Danny stützte sich auf den Tresen und beugte sich vor. „An dem Waschmuster seiner Jeans! Der Kerl hatte an alles gedacht! Das Nummernschild war so verändert, dass es nicht mehr erkennbar war. Aber für einen Moment drehte er sich um, nachdem er ausgestiegen war! Und da konnte man das Waschmuster seiner Jeans erkennen. Das ist so individuell wie ein Fingerabdruck.“
„Wir brauchen die Videoaufzeichnungen von der Tankstelle“, sagte ich. Es konnte ja schließlich sein, dass der Kerl, der mit Rita Greedy Kontakt aufgenommen hatte, an einer der Zapfsäulen zu sehen war. „Außerdem wird unser Zeichner Agent Prewitt hier herausfahren, um mit Ihnen ein Phantombild anzufertigen.“
Danny verengte die Augen ein wenig.
„Sie glauben wirklich, dass dieser biedere Typ ein Mörder ist?“
„Nein. Aber er wird uns zweifellos ein paar sehr interessante Fragen beantworten müssen!“
Jeannie McNamara erkundigte sich dann noch nach Michael Nolan. „Was hatten Sie an dem Morgen für einen Eindruck von ihm, als er die Polizei verständigte?“
„Ich konnte kaum noch die Augen offen halten“, erklärte Danny. „Erwarten Sie jetzt also keine scharfsinnigen Beobachtungen. Nolan war völlig außer sich und das machte natürlich auch seine Hunde entsprechend nervös. Außerdem war seine Kleidung blutig.“
„Wo genau war seine Kleidung blutig?“, hakte Milo nach.
Danny Brownwell hob die Augenbrauen. „An den Ärmel-Enden seiner Jacke. Ich sprach ihn deswegen an, aber er reagierte gar nicht darauf. Ich nehme an, dass er noch versucht hat, der Frau zu helfen. Er stammelte nur immer wieder etwas davon, dass ihre Pulsadern aufgeschnitten seien und glaubte wohl, es mit einer Selbstmörderin zu tun zu haben.“
„Aber Sie haben das nicht angenommen“, stellte ich fest.
Danny bedachte mich mit einem Blick, den ich nicht zu deuten wusste.
„Nein, ich dachte ehrlich gesagt gleich an das 87er Monster. Wissen Sie, wenn man hier direkt am Highway lebt, dann geht einem diese Serienkiller-Geschichte natürlich viel näher, als jemandem, der irgendwo sonst wohnt. Allein der Gedanke, dass der Killer vielleicht hier einen Kaffee getrunken und getankt hat... und zwar nicht nur dieses eine Mal, sondern über die Jahre immer wieder! Schließlich sind doch all die Verbrechen entlang der Interstate 87 geschehen. Das ist schon gespenstisch...“
„Aber Sie hatten Michael Nolan nicht in Verdacht, als er mit blutigen Händen bei Ihnen auftauchte?“, hakte ich nach.
Danny Brownwell starrte mich überrascht an.
„Nolan? Das ist ein armer Kerl – und auch wenn er mit seinen Hunden ziemlich gefährlich wirken mag, ist der völlig harmlos. Etwas verrückt vielleicht, aber harmlos. Und das er so seltsam geworden ist, kann ich ehrlich gesagt gut nachvollziehen.“
„In wie fern?“, fragte ich.
Danny Brownwell beugte sich zu mir über den Tresen und sprach in gedämpftem Tonfall weiter. „Dieser Nolan war vor Jahren eine große Nummer in der IT-Branche. Hat drüben in Newark eine Firma aus dem Nichts gestampft, die innerhalb von drei Jahren 500 Mitarbeiter hatte. Nach dem Boom in der Branche kam der Crash. Andere waren cleverer und haben ihre Firmen schnell genug verkauft. Nolan hat gedacht, er könnte noch etwas retten und dabei alles verloren. Aber damit nicht genug. Er hat innerhalb kürzester Zeit seine Frau und sein Kind verloren. Das hat ihn völlig aus der Bahn geworfen. Seit dem lebt er völlig zurückgezogen in seinem Haus mit seinen Hunden. Er besitzt nicht einmal ein Telefon. Einmal in der Woche kommt er zum Einkaufen her.“