Читать книгу Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren - A. F. Morland - Страница 22

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„Ober sich wirklich den Hals gewaschen hat?“, fragte Eva-Maria aus ihren Gedanken heraus und lachte.

„Wer denn?“ Er lachte, erleichtert über ihre spontane Fröhlichkeit, zurück.

„Hermann. Das war immer als Junge sein schwacher Punkt. Seine Mutter ist darüber fast verzweifelt, daran erinnere ich mich. Gestern hat er versprochen, mit frisch gewaschenem Hals am Eingang zu stehen.“

„Sehen wir doch nach“, schlug Walter vor und reichte ihr in übertrieben galanter Manier den Arm. „Dann kann er auch gleich sehen, dass wir ein glückliches Paar sind.“ Sie verließen den Parkplatz der Paul-Ehrlich-Klinik.

Schelmisch blickte sie ihn von der Seite an. „Immer noch eifersüchtig? Ganz ehrlich!“

„Am Anfang ja.“ Er drückte ihren Arm. „Ich konnte dir nicht viel bieten. Ein freches Mundwerk und ein mäßiges Gehalt. Er war schon der Traummann in Weiß, von dem die Frauen schwärmen.“

„Er war Student“, berichtigte sie. „Noch schlimmer. In dem Stadium sind die angehenden Äskulapjünger abgefeimte Schürzenjäger. – Wenn mich keine Halluzinationen narren, steht er wirklich vor der Tür!“

„Er war kein Schürzenjäger.“ Eva-Maria ergriff eindeutig Partei. „Und abgefeimt auch nicht. Zur Jagd gehören bekanntlich zwei der Jäger und das Wild.“

„Pirsch heißt das wohl. Genug herumgeschlichen ist er um dich. Manchmal bin ich richtig wütend geworden. Alle Knochen hätte ich ihm brechen können. Und jetzt mag ich den Burschen irgendwie.“

Sie strebten dem Portal zu. Hermann Mittler entdeckte sie und winkte erfreut.

Wenig später begrüßten sie sich. „Hat sie dich mitgeschleppt?“, fragte der Arzt danach und hob etwas die Brauen.

„Ich habe mich ihr aufgedrängt“, scherzte Walter. „Außerdem war es die Gelegenheit, dem Büroärger zu entwischen.“ Er sah die Erleichterung in Hermanns Gesicht. Wegen des verheimlichten Telefonanrufs hatten sie beide kein reines Gewissen.

„Ich würde euch gerne rauf begleiten, aber die Patienten warten schon zu lange auf mich. Ich hinter lasse bei Fräulein Angern, wo wir uns anschließend treffen. Ihr habt doch Zeit, oder?“

„Den ganzen Tag“, versicherte Walter. „Wer ist Fräulein Angern?“

„Die Sprechstundenhilfe von Herrn Winter.“ Der Pieper in seiner Brusttasche meldete sich aufdringlich. „Ich muss leider. Bis dann!“ Als sie die Halle durchquerten, sahen sie ihn telefonieren.

„Der Stress lässt keinen aus“, meinte Walter; der Anblick des emsigen Arztes und Freundes Hermann Mittler versöhnte ihn mit seinem Ärger über Kentenich.

Dieses Fräulein Angern entpuppte sich als blondes, recht adrettes und freundliches Wesen, das geschäftig die Personalien aufnahm und einen aufmerksamen Blick zu Walter Becker hin überschoss.

„Bitte noch fünf Minuten!“, sagte sie. „Sie kommen pünktlich dran, Frau Becker. Nehmen Sie doch solange Platz. Sie wollen warten, Herr Becker?“

„Wenn es nicht als ungewöhnliches Vorkommnis aufgefasst wird ja.“

„Wir begrüßen es, wenn Ehemänner ihre Frauen begleiten“, versetzte Fräulein Angern und wandte sich der Kartei zu, während die Beckers Platz nahmen.

Eva-Maria wirkte plötzlich zart, hilflos und verschüchtert wie ein Mädchen unmittelbar vor der ersten Tanzstunde. Dieser Vergleich fiel Walter ein, als er sie so dasitzen sah.

„Ist dir nicht gut?“, fragte er besorgt. Es roch dezent nach alkoholischen Lösungen, wie sie zum Desinfizieren verwendet wurden, und es gab Leute, die kippten schon allein von diesem Geruch um.

„Die Schmerzen sind weg!“, sagte Eva-Maria mit weit geöffneten Augen, als könnte sie es selber nicht fassen.

Walter nickte. „Der Zahnarzteffekt! Zahnpatienten gehen fast ein vor Schmerzen, und wenn sie an die Reihe kommen, ist der Schmerz wie weggeblasen. Leider nicht die Ursache ...“

Er verstummte. Im Hintergrund öffnete sich eine Tür, eine quirlige Frau wirbelte heraus, drehte sich um, warf eine Kusshand ins Zimmer und rief: „Tschüs, Doktorchen.“

„Auf Wiedersehen, gnädige Frau!“ Die kraftvolle männliche Stimme verströmte Vertrauen und Glaubwürdigkeit und flößte Zuversicht ein.

Augenblicke später tauchte der Arzt in der Tür auf.

Eva-Maria taxierte ihn ängstlich und unsicher, Walter prüfend. Eine bemerkenswerte Erscheinung sicher, souverän und Freundlichkeit ausstrahlend.

Das also war dieser Dr. Winter, von dem Edith Trautloff so hingerissen war und dessen handwerkliche Qualitäten sie über den grünen Klee lobte!

Sie hat nicht übertrieben, fand Eva-Maria. Er entspricht genau dem Bild, das ich mir anhand ihrer Schilderungen von ihm gemacht habe. Ein Mann, dem man einfach vertrauen muss!

Der Arzt reichte seiner Helferin ein Patientenblatt und nahm ein anderes entgegen. Er warf einen Blick darauf und hob den Kopf. „Frau Becker? Herr Becker?“ Er lächelte herzlich und gewinnend. „Bitte, treten Sie näher.“

Die Ordination war peinlich korrekt sauber.

„Nehmen Sie doch Platz. – Mein Name ist Winter. Sie waren noch nie bei mir, Frau Becker, und hier sehe ich, dass Sie einen respektablen Anmarschweg auf sich genommen haben. Eine Empfehlung, nehme ich an.“

Sie nickte tapfer. Die Schmerzen waren tatsächlich weg, aber die Angst saß ihr wieder wie ein Kloß im Hals und würgte sie. „Edith Trautloff – eine Freundin, Herr Doktor Winter.“

Er lächelte höflich. „Ich bin im Bilde. Sie sind beide auch mit Herrn Mittler befreundet, er informierte mich dahingehend. Nun, dann wollen wir uns Ihrem Problem zuwenden, Frau Becker. Sie haben Beschwerden, hörte ich. Beschreiben Sie sie bitte möglichst genau. – Ist es Ihnen unangenehm, wenn Ihr Mann zugegen ist?“

„Wir – wir haben keine Geheimnisse voreinander“, sagte sie flach.

„Das lobe ich mir. Herr Becker, Sie werden verstehen, dass ich Sie dennoch bitten muss, den Raum zu verlassen, wenn ich mit der Untersuchung beginne. Nicht jetzt, behalten Sie Platz!“ Er nickte auffordernd der Patientin zu und machte ihr Mut mit dieser Geste.

„Seit Tagen verspüre ich ein unerträgliches Völlegefühl im Unterleib, Herr Doktor. Dazu einen seltsamen Druck, der pulsiert.“ Erst stockend, dann immer flüssiger schilderte Eva-Maria, wie sich die Krankheit äußerte. „Dabei stellten sich Schmerzen ein, die bis in den Rücken hinaufziehen.“

Dr. Florian Winter machte sich Notizen. „Bitte, fahren Sie fort!“, bat er.

„Mit dem Völlegefühl stellten sich Blutungen ein – Metro... Metro ...“, sie suchte nach dem Wort. Immer wieder hatte sie es gemurmelt. Jetzt war es ihr entfallen.

„Menorrhagie“, half Dr. Winter. „So lautet der Fachausdruck für langanhaltende Blutungen außerhalb der Regel. Wir sollten damit aber äußerst zurückhaltend umgehen. – Bitte!“

„Und heftige Schmerzanfälle, als ob es mich gleich zerreißt. Das ist sicher mehr unmedizinisch ausgedrückt.“

„Es verhilft zu einem besseren Bild. Wann traten diese Schmerzanfälle erstmals auf, und wo nehmen sie ihren Anfang, Frau Becker?“

„Ebenfalls im Unterleib. Und sie kommen in immer kürzeren Abständen. Das heißt, seit gestern Morgen gar nicht mehr. Das Völlegefühl und der Druck sind auch weg.“ Sie blickte ihn aus großen geweiteten Augen hoffnungsvoll an, als erwartete sie, dass er aufstand und sagte, alles sei in Ordnung, und sie könnte nach Hause fahren.

„Sie hat es mir leider verheimlicht, müssen Sie wissen“, sagte Walter erklärend. „Durch Zufall wurde ich gestern früh Zeuge eines solchen Anfalls. Ich hätte sie sofort zur Untersuchung gebracht.“

„Das werden wir schon noch nachholen. – Frau Becker, wie äußern sich diese Schmerzanfälle? Ich sehe hier, Sie haben ein Kind, dann verstehen Sie, was ich meine. Sind sie wellenartig oder stechend oder ...?“

„Stechend. Ich habe in einem Fachbuch gelesen, dass das typische Symptome für Krebs sind.“

„Dann wollen wir ganz schnell vergessen, was Sie da gelesen haben. Typisch ist gar nichts, am wenigsten in der Medizin. Wenden wir uns der Anamnese zu.“ Er bemerkte, dass Eva-Maria Becker sich kerzengerade aufsetzte, und fügte beruhigend hinzu: „So nennt man die Befragung des Patienten nach früheren Krankheiten und operativen Eingriffen.“

Seine ruhige sonore Stimme und seine freundliche, verständige Art übten einen beruhigenden Einfluss auf Eva-Maria aus. Als sie das Wort „Krebs“ aussprach, hatte er sogar etwas gelächelt. Nur für einen Augenblick, aber sie hatte es gesehen.

Dann war es vielleicht doch nicht das, wovor sie sich fürchtete?

Geduldig fragte Dr. Winter Krankheiten ab. Dann und wann nickte sie. Es waren die üblichen Kinderkrankheiten.

Der Kugelschreiber kritzelte auf Papier.

„Und operative Eingriffe, Frau Becker?“

„Eine geplatzte Zyste am rechten Eileiter. Das ist zehn Jahre her. Der Blinddarm wurde dabei entfernt.“ Fragend blickte Dr. Winter auf.

„Auf dem Rückzugsgefecht mit erledigt, so drückte sich der Arzt aus“, erklärte Walter. „Die geplatzte Zyste war eine böse Geschichte. Sie hat sich nämlich einen Tag mit unmenschlichen Schmerzen herumgeschleppt. Nachts um drei habe ich sie gegen ihren Willen ins Krankenhaus gebracht. Da war es schon höchste Eisenbahn.“

Dr. Winter schrieb. Dann fragte er: „War die Geburt des Kindes komplikationslos?“

„Tina hatte eine doppelte Nabelschnurumschlingung und stellte sich drei Wochen zu früh ein. Kein Kaiserschnitt, wenn es wichtig ist.“

„Und sonst, Frau Becker?“

„Sonst wurde ich nie stationär behandelt.“

„Danke. – Herr Becker, wenn ich Sie nun bitten dürfte, draußen zu warten.“ Dr. Winter drückte auf die Ruftaste.

In der Tür erschien Renate Angern.

Walter verließ das Behandlungszimmer.

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