Читать книгу Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren - A. F. Morland - Страница 27

20

Оглавление

Nervös und mit zunehmender Feindseligkeit blickte er auf die OP-Tür, hinter der Ärzte und Schwestern verschwanden.

Da tat sich etwas!

Aber er musste draußen bleiben.

Der Gedanke, Eva-Maria nicht beistehen, nicht helfen zu können, machte ihn in der einen Sekunde krank und in der anderen fast rasend.

Er zündete sich die nächste Zigarette an, ging auf und ab, blickte aus dem Flurfenster auf die Stadt im Sonnenschein und starrte dann wieder auf die Tür.

Wie lang dauerte das bloß? Zum Verrücktwerden war es.

Hinter ihm klatschten Schritte. Jemand hustete krächzend. Er fuhr herum.

Eine Schwester blickte ihn bissig an. „Wir haben ein Raucherzimmer!“

„Meine Frau ist da drin.“ Sein Finger wies zum OP.

„Damit, dass Sie sich hier die Lungen torpedieren, helfen Sie ihr ganz sicher nicht. – Außerdem ist das Rauchen hier verboten. Wo streuen Sie die Asche hin?“

„Blumentopf“, sagte er. Er war nicht bei der Sache.

Die Schwester überzeugte sich und sagte voller Entrüstung: „Sind Sie eigentlich noch bei Trost? Acht Zigaretten, aber noch keine halbe Stunde hier! Gehen Sie nach Hause. So eine Operation dauert zwei bis drei Stunden. Und rauchen Sie weniger.“

„Zwei bis drei Stunden? Hören Sie, das muss eine Verwechslung sein! Becker ist mein Name!“

„Weiß ich. Also, jetzt kommen Sie mal hier weg. Zaungäste sind unerwünscht. Mögen Sie Kaffee? Ich habe welchen aufgeschüttet.“

„Gern, danke. Sie gehören nicht da rein?“ Er ging neben ihr her und deutete mit dem Daumen hinter sich.

„Bin froh, wenn ich’s nicht muss. Ich gehöre zur Station. Nur ist heute der Teufel los, und da müssen wir überall einspringen.“ Sie öffnete vor ihm eine Tür mit der Aufschrift „Schwesternzimmer“. „Rauchen ist hier übrigens zulässig. Ich steck’ mir auch mal gerne eine an.“

Sie schloss die Tür und nahm eine Zigarettenpackung aus der Kitteltasche.

Walter gab ihr Feuer und bemerkte eine sehr junge Schwester, die Medikamente in kleine Schälchen sortierte, weiße und bunte Pillen, und jedes Mal auf einer Liste gewissenhaft etwas abhakte.

Die Schwester, die ihn erst angefaucht und dann zu einem Kaffee eingeladen hatte, begutachtete die Pillenverteilung, prüfte jede Schale, verglich mit der Liste und ging dann zu der brutzelnden Kaffeemaschine, durch die eben der letzte heiße Wasserstrahl lief.

Sie goss zwei Tassen aus.

„Mit Zucker und Milch?“

„Mit ohne, bitte.“

Ihr strenger Gesichtsausdruck milderte sich etwas. „Sie sind gern lustig? Findet man selten heutzutage. Bewahren Sie sich das.“

„Das Lachen ist mir vergangen.“ Er nahm die Tasse entgegen. Auf der Fensterbank stand ein Aschenbecher.

„Lange können Sie nicht bleiben“, fing die Schwester wieder an. „Das Zimmer ist für Besucher eigentlich tabu. Aber ich drücke mal ein Auge zu.“

„Können Sie mir sagen, was die da hinten so lange ...?“

Sie ließ ihn erst gar nicht ausreden. „Kann ich nicht. Kann nicht einmal der operierende Arzt, bevor er nicht sieht, was in einem Patienten los ist.“ Sie trank schlürfend und blickte unwillig zum Telefon, als es schnarrte. Mit der linken Hand hob sie ab. „Schwesternzimmer! – So, alle zwei? Ich komme.“

Der Hörer flog auf die Gabel.

„Trinken Sie aus und verkrümeln Sie sich.“ Sie stellte ihre Tasse ab und warf einen sehnsüchtigen Blick darauf.

„Gehen Sie nach hinten? Können Sie vielleicht …?“, fragte Walter hoffnungsvoll.

Sie maß ihn von Kopf bis Fuß. „Ich werde im Kreißsaal gebraucht. Sagte doch, dass der Teufel los ist. Wir backen hier nämlich die Babys wie die Brötchen.“

Damit schwirrte sie hinaus.

Die junge Schwester im Hintergrund kicherte.

Er trank den Kaffee, so rasch es ging, und machte sich auf die Suche nach dem Raucherzimmer. Zwei Patientinnen saßen drin und musterten ihn mit unverhohlener Neugierde.

Ihre Blicke waren ihm unangenehm. Er trat ans Fenster und blickte hinaus, ohne etwas zu sehen. Wenn nur die Operation gut verlief! Eva musste durchkommen!

Ihre Ahnungen! Die Angst, das Sträuben! Ein Glück, dass er darauf gedrängt hatte, dass sie Hermann Mittler anrief.

In ein paar Tagen wäre alles zu spät gewesen. Was dieser Doktor Winter gesagt hatte, klang beängstigend. Bei der Operation holten sie den Tumor heraus.

Aber wenn der sich schon so weit ausgebreitet hatte, dass das Schneiden zwecklos war? Wenn es wirklich Krebs sein sollte ...

Er stöhnte leise und drückte die heiße Stirn gegen das kühle Fensterglas.

Einfach hatte es Eva-Maria nicht mit ihm gehabt. Nicht so einfach, wie sie ihm immer wieder das Gefühl gab. Er war schon eine ziemliche Nervensäge für sie.

Eigentlich die ganzen Ehejahre hindurch. Manchmal hatte sie feuchte Augen bekommen, und zweimal ja, da hatte sie geweint.

Das erste Mal, da hatte sie ihn zum Einkäufen geschickt. An einem Samstag. Für ein paar Kleinigkeiten und ein Bund Petersilie.

Er war in den neuen Supermarkt gegangen und mit dem Einkaufswagen durch die Regalreihen gefahren. Bedenkenlos hatte er eingeladen.

Die Waren standen auch zu verlockend herum. Liköre, Schnäpse, Süßigkeiten, Knabberzeug.

Die Kasse zeigte den Betrag von hundertzwanzig Mark an.

Als er nach Hause kam, brach Eva in Tränen aus. Er hatte gedankenlos das letzte Haushaltsgeld verpulvert und die Petersilie vergessen. Dabei waren es noch sechs Tage bis zum Monatsletzten.

Sein Angebot, noch mal loszugehen und die Petersilie für die letzten Groschen zu holen, hatte sie abgelehnt. Und wie!

Sie hatte gar nichts gesagt. Nur angeblickt hatte sie ihn.

Durch und durch war ihm das gegangen, und er hatte es nie vergessen.

Die Schnäpse ließen sich dann doch noch verwenden, als Freunde kamen, um die Wohnung einzuweihen.

Aber diese eine Woche ohne Geld im Haus lag ihm jahrelang schwer im Magen. Er hatte es verbockt, und er war sich nie ganz sicher, ob ihm Eva jemals restlos verziehen hatte.

Und das zweite Mal weinte sie nur einige Wochen später. Wieder ging es um Geld.

Als er abends heimkam, stand sie tränenüberströmt in der Tür, hielt ihm einen Pfändungsbeschluss entgegen und sagte tief verletzt: „Der Gerichtsvollzieher war da. Die Ehe fängt ja gut an!“

Er war zunächst ratlos und wusste nicht, wie er zu der zweifelhaften Ehre eines Besuches vom Gerichtsvollzieher kam. Auf dem Pfändungsbeschluss stand die Erklärung.

Noch in der Junggesellenzeit hatte er für einen Freund eine Bankbürgschaft übernommen. Der Freund schaffte sich einen Sportwagen auf Ratenzahlung an. Zwei Jahre war das her. Aber mit den beiden letzten Raten war er in Verzug geraten und hatte auf Mahnungen nicht reagiert.

Da hielt sich die Bank an den Bürgen und schickte ihm den Gerichtsvollzieher ins Haus. Besondere Ironie, dass dieses Geldinstitut auch seine Hausbank war. Sie hätten es einfacher haben können, wenn sie die zwei gebürgten ausstehenden Raten von seinem Konto abgebucht hätten. Aber ihm deswegen gleich den Gerichtsvollzieher auf den Hals zu hetzen?

Er versuchte zu erklären. Eva-Maria glaubte ihm kein Wort.

Da setzte er sie ins Auto und fuhr zu dem Freund. Und noch einmal Ironie des Schicksals – der lag gerade unter dem besagten Sportwagen und reparierte ihn. Im Bilde war er auch sofort. Lachend erklärte er, das Geld hätte er zur Fälligkeit der Raten für andere Zwecke dringend benötigt, aber jetzt hätte er es.

Eva-Maria bekam die vierhundert Mark, die sie dem Gerichtsvollzieher ausgehändigt hatte, und zeigte sich versöhnt.

Von diesem Tag ab änderte sich einiges.

Sie übernahm die Ordnung seiner Finanzen, und sie war wirklich die beste Buchhalterin, die er sich denken konnte.

Außerdem hatte der Eifer der Bank Folgen. Sie suchten sich eine neue Hausbank. Bei der waren sie immer noch.

„Ist Ihnen nicht gut?“ Eine Hand berührte zaghaft seinen Oberarm.

Er merkte, dass er immer noch mit der Stirn am Fensterglas lehnte.

„Danke, es geht schon.“ Er flüchtete förmlich aus dem Raucherzimmer, damit niemand seine feuchten Augen sah.

Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren

Подняться наверх