Читать книгу Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren - A. F. Morland - Страница 29
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ОглавлениеDr. Winter hatte die Röntgenbilder vor den Leuchtschirm geklemmt und besprach sich mit Dr. Mittler und dem übrigen Team.
„Die Stieldrehung bedeutet eine Komplikation“, erklärte er.
„Wenn der Tumor sehr fest und dauerhaft mit dem Darm verklebt ist“, stimmte Hermann Mittler zu.
Dr. Winter starrte noch immer auf die Röntgenbilder. „Ein zweifacher Eingriff erscheint mir zu schwerwiegend – vaginal und dann noch abdominal. – Herr Kollege, wir nehmen die Hysterektomie abdominal vor. Bereiten sie bitte die Patientin vor.“
Minuten später wurde der Fall hereingerollt.
Das Team war verkleinert. Dr. Simon-Stoll und Dr. Pusch befanden sich im Kreißsaal.
Dr. Schimanski schloss die Sonden seiner Kontrollgeräte an die Patientin an. Schwester Manka instrumentierte und hatte die Wagen bereitstehen.
Mit frischen Handschuhen begann Dr. Winter den Eingriff.
Wieder pinselte er den Leib der Patientin ein. Er blickte Mittler an, dessen Augen seine stumme Frage ausdrückten, was sie wohl dort in der Tiefe des Leibes vorfanden.
Manka legte dem Oberarzt das Skalpell in die Hand.
Dr. Winter setzte das chirurgische Messer an.
Im OP war es jetzt totenstill. Nur das Schneiden des Skalpells war zu hören, das die Haut durchtrennte und eine rote Spur hinterließ.
Die Wärme, die von den Reflektoren der Deckenlampe ausging, empfand Dr. Mittler nie lästiger als jetzt. Er schwitzte bereits.
Sie ist eine Patientin wie jede andere, redete er sich ein. Wir operieren sie wie jeden anderen Fall!
Und doch war es anders!
Diesen Menschen hier kannte er von klein auf. Hier bestand eine enge menschliche Beziehung.
„Klemmen Sie ab!“, wies ihn Dr. Winter an.
Manka war dem Operateur immer einen Schritt voraus und hielt schon die Instrumente bereit.
Aus einer durchtrennten Ader schoss eine Blutfontäne hoch und traf Dr. Winter zwischen den Augen. Die OP-Schwester wischte ihm das Blut ab, während Dr. Mittler abklemmte.
Langsam, behutsam und vorsichtig, aber sicher und zielstrebig bahnte sich das Skalpell seinen Weg in die Tiefe des Körpers.
Gelbes Fett drängte aus der gespreizten Wunde.
Eine abgenommene Klemme fiel klirrend auf den Instrumententisch.
Dr. Schimanski meldete den Zustand der Patientin als normal. Die Laufschwester schob das Stativ herbei, an das im Notfall die Transfusionsflaschen gehängt wurden.
Dr. Winter und Dr. Mittler arbeiteten angestrengt und reibungslos. Ein Team, das sich wundervoll ergänzte.
Das grau schimmernde Bauchfell trat ins Licht der Lampe.
Dr. Winter fasste mit einer Pinzette das Bauchfell an, zog es hoch, schuf einen kegeligen Zipfel und schnitt ihn behutsam mit einer Schere ein.
Durch die Öffnung schob er die rechte Hand und tastete. Dr. Mittler dirigierte mit den Augen Schwester Manka herbei, als er sah, wie sich der Schweiß wieder auf der Stirn des Kollegen zu sammeln begann.
Dann erweiterte Dr. Winter die Öffnung und spreizte sie.
Vor den Augen des Teams lag der gestielte Tumor.
Vorsichtig, um keine Risse zu verursachen, zog Dr. Winter daran.
Die Verklebung mit dem Darm war außerordentlich dauerhaft. Genau das, was er insgeheim befürchtet hatte.
Mit unendlicher Sorgfalt löste er die Stieldrehung und mobilisierte den dem Darm anhaftenden Teil der Geschwulst.
Dann begann die schwierigste Aufgabe, die Entfernung des linken Eierstockes.
Er arbeitete konzentriert und steigerte sich in eine Verbissenheit hinein, die die Verwunderung seines Teams hervorrief.
Endlich schnitt er die Geschwulst heraus und warf sie in einen hingehaltenen Glasbehälter.
„Sofort ab zur Pathologie der Uniklinik! In dreißig Minuten muss ich den Befund haben!“, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen unter dem grünen Atemschutz. „Und das Abstrichergebnis hätte ich auch gerne.“
Die Laufschwester eilte mit dem Behälter hinaus.
Schwester Manka deckte ein bereitgehaltenes feuchtes Tuch über das Operationsgebiet. Dr. Winter und Dr. Mittler traten von der Tabula zurück, ohne jedoch den Sterilitätsbereich zu verlassen.
„Zustand normal“, erklärte Dr. Schimanski und tauchte hinter der Abdeckung hoch. „Eine kleine Verschnaufpause tut uns allen gut.“
Dr. Winter wandte sich um und starrte aus fünf Metern Distanz auf die Röntgenbilder.
Die lebensbedrohende Geschwulst war draußen. Jetzt kam es auf den Befund der Pathologie an.
War die Geschwulst gutartig oder bösartig?
Am Eierstock und am Darm hatte er keine Metastasenbildung beobachtet. Das besagte allerdings noch lange nichts.
Die Metastasen konnten in entfernten Körpergebieten gesetzt sein.
Manka wischte ihm wieder die Stirn ab.
Dr. Mittlers Gedanken begleiteten den Weg des Präparates. Wie immer in solchen Fällen wurde das Gewebe mit Blaulicht hinauf zur Uniklinik gefahren und sofort histologisch untersucht. Fünfzehn Minuten waren das Minimum für einen fundierten Befund.
Zur Sicherheit wurden auch noch Tests angesetzt, die zwei bis drei Tage währten, in aller Regel aber das Ergebnis der Erstuntersuchung bestätigten.
Lediglich aus der Literatur waren ihm zwei anders gelagerte Fälle bekannt.
Lieber Himmel, lass es nicht bösartig sein!, dachte er. Sie ist so ein lieber Kerl!
Zäh tropfte die Zeit dahin.
Als das Telefon schrillte, zuckten sie alle zusammen.
Die Laufschwester hob ab. „OP Dr. Winter. Ja – er operiert!“ Sie wandte den Kopf. „Der Kreißsaal. Die dritte Geburt, Herr Doktor!“
„Sagen Sie ihnen, sie müssen ohne mich fertig werden. Sobald ich hier weg kann, komme ich rüber! – Halt, fragen Sie, ob Komplikationen zu erwarten sind?“
Die Schwester sprach.
Dann sagte sie zu Dr. Winter: „Bis jetzt verläuft alles wie vorgesehen. Doktor Simon-Stoll nimmt die Absaugung vor.“
Dr. Winter nickte. Es war gut zu wissen, dass nebenan alles seinen geordneten Weg ging. Es gab Situationen, da hätte man sich glatt vierteilen müssen, um überall gleichzeitig zu sein.
Der große Zeiger der Uhr wanderte unaufhaltsam weiter. Die dreißig Minuten waren um.
„Wir machen weiter!“, entschied Dr. Winter. „Die Hysterektomie.“
Manka entfernte das Tuch.
Dr. Mittler überlegte, ob der Wagen trotz Blaulicht vielleicht nicht durchgekommen war. Oder dass das Histolabor der Pathologie überlastet war. Aber Notfälle hatten absoluten Vorrang.
Hatten Sie am Ende doch etwas gefunden, was die Bösartigkeit der Geschwulst manifestierte?
Er griff mit der Klemme daneben. Zwar korrigierte er sofort seinen Fehler, aber er handelte sich ein Knurren seines Oberarztes ein.
Dr. Winter übte Nachsicht nur, solange nicht operative Vorgänge gefährdet waren.
Vorsichtig legte der Gynäkologe die Gebärmutter frei. Die Hauptmasse bestand aus glatter Muskulatur, dem Myometrium.
Millimeterweise löste er den Bauchfellüberzug der Gebärmutter, das Perimetrium, und schob es in den Bauchraum.
Das Mobilisieren der Gebärmutter und des linken Eileiters war ein zeitraubender Eingriff.
„Diathermie!“
Er trennte den rechten Eileiter ab, der ohne Befund war. Es war immer gut, wenn wenigstens ein Eileiter und ein Eierstock an Ort und Stelle belassen werden konnten.
Dann war die Hormonversorgung der Patientin gesichert. Depressionen blieben in aller Regel aus.
Wurde alles entfernt, dann kam es oft auch zu dem Effekt, der etwas vulgär als Spinnen bezeichnet wurde.
Dr. Winter hob endlich die Gebärmutter heraus.
Verzweifelt blickte Dr. Mittler zur Uhr.
Eine Stunde war seit der Entfernung der Geschwulst vergangen.
Was ging in der Pathologie vor? Was hatten sie gefunden?