Читать книгу Extra Krimi Paket Sommer 2021 - A. F. Morland, Pete Hackett - Страница 23

XVI.

Оглавление

Sie trafen sich auf einem Parkplatz im Westerwald und begrüßten sich erst, als die anderen Spaziergänger hinter der Wegbiegung verschwunden waren. Hier oben fächelte um diese Morgenstunde noch ein lausig kalter Wind, aber die Sonne schien aus einem klaren Himmel und im Tal löste sich der Dunst rasch auf. Reineke fröstelte und schlug ein schnelles Tempo an.

»Tut mir Leid, Jockel, aber es geht nicht mehr ohne Informationen, wenn wir nicht riskieren wollen, dass uns die Kiste völlig aus dem Ruder läuft.«

»Ich habe alle Aktivitäten einstellen lassen.«

»Gut, aber die Presse ist wach geworden. So ein winziges Provinz-Käseblättchen aus Herlingen hat gestern Morgen über den Zusammenhang mit einer Organisation namens Liga spekuliert. Unter Berufung auf einen Kriminalbeamten. Wir müssen uns auf eine Sprachregelung zur Schadensbegrenzung einigen.«

»Das ist eine lange komplizierte Geschichte«, begann Pertz widerwillig. »Ich weiß nicht, ob du die Hintergründe kennst.«

»Nein, nicht im Zusammenhang.«

»Dann fange ich am besten bei Adam und Eva an.«

»Geht’s etwas zügiger?«

»Doch, lässt sich machen. Am Anfang war der BND.«

»Du meinst, das Chaos.«

»Nein, ich rede von dem neuen Spielzeug, Irgendein kluger Kopf hatte beim Abhören der Bänder, die sich wegen eines programmierten Stichworts angeblich automatisch in den Telefonverkehr einschalten, mehrfach das Wort Liga gehört und sich gewundert, was das bedeuten soll.«

»Wie hieß denn das programmierte Wort?«, fragte Reineke neugierig und Pertz zog den Kopf ein: »Landmaschinen.«

»Also geriet das Wort Liga auf die Computerliste und die brennende Frage, wer oder was diese Liga war, gab der BND, wie ich mal vermute, an den Verfassungsschutz weiter.«

»Oder an den Staatsschutz, das weiß ich auch nicht. Da sind die Verbindungen ohnehin enger, als mir gefällt.«

»Und wenn Liga und Landmaschinen zusammen ertönten, wurde das Zollkriminalamt eingeschaltet.«

»Du weißt ganz genau, mein Bester, dass einige Waffenexporte als Ausfuhr von Landmaschinen getarnt worden sind.«

»Das leugne ich nicht.«

»Dummerweise gebrauchten auch Angehörige der Bundeswehr das Wort Liga.«

Reineke blieb stehen und hielt Pertz am Ärmel fest: »Sag mal, wie viel hundert Anschlüsse habt ihr denn überwacht?«

»So schlimm war's nicht, nur eine zweistellige Zahl.«

Kopfschüttelnd schlenderte Reineke weiter. »Also waren jetzt schon BND, MAD, Verfassungsschutz und Zollkriminalamt daran beteiligt.«

»Was glaubst du denn, warum man mich mit der Koordinierung beauftragt hat?«

»Das Durcheinander kann ich mir gut vorstellen.«

»Nein, kannst du nicht«, berichtigte Pertz bedrückt. »Denn jetzt wird’s richtig bunt. Eines Tages bekomme ich einen Verfassungsschutzbericht in die Finger ...«

»Seit wann tauscht ihr eure Berichte aus?«

Das hatte Pertz nicht gehört. »... in dem eine Organisation namens Liga erwähnt wird. Nichts Genaues wusste der Schreiber nicht. Ein loser Zusammenschluss von Konservativen, wahrscheinlich international arbeitend. Der Laden soll sich die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie und den Aufbau einer ständischen Flierarchie zum Ziel gesetzt haben.«

»Albern!«, platzte Reineke heraus, doch Pertz wehrte nachdenklich ab: »Nein, nicht unbedingt. Es gibt viele Spinner, nicht nur in Deutschland. Immerhin reichte die Andeutung, um den Staatsschutz einzuschalten.«

»Jetzt geht mir ein Licht auf. Ein Knochen, an dem viele Hunde zerrten.«

»Eben. Zerren und nagen wollten. Bis mir der Papierkragen geplatzt ist und ich durchgesetzt habe, dass wir, also der BND, einen V-Mann einsetzen konnten. Um überhaupt erst mal zu klären, mit wem oder was wir es bei dieser ominösen Liga zu tun hatten.«

Reineke stoppte: »Redest du jetzt von diesem Wolfgang Tepper?«

»Ja.«

»Den habt ihr euch vor sieben - nein, fast acht Jahren von mir - na - erbeten. Und da lief die Aktion schon wie lange?«

»Zwanzig Monate.«

»Was im Klartext heißt: alles ohne gesetzliche Grundlage.«

»Aber zum Schutz der Bundesrepublik.«

»Und ihrer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Alles klar, ich hab kapiert, warum ihr die Aktion unbedingt unter der Decke halten müsst. Wie seid ihr überhaupt auf diesen Tepper gekommen?«

»Durch einen ganz dummen Zufall. Er telefonierte häufiger mit einem Mann, den wir als Ligisten führten, ganz harmlos, rein geschäftlich, es ging um private Investitionen.«

»Das hat dem Bundeskriminalamt gereicht, ihn anzuheuern?«, zweifelte Reineke.

»Nein. Wir hatten einen Tipp bekommen - frag mich bitte jetzt nicht nach dem genauen Weg! Mit diesem Tepper war ein gewisser Gerd Arkenthin befreundet, eine halbseidene Existenz, für den sich schon Kripo, Staatsanwaltschaften und Verfassungsschutz interessiert hatten. Gelegentlich hat er Informationen verkauft, um sich lieb Kind zu machen ...«

»Oder genauer: weil er unter Druck gesetzt wurde!«

»Ach Gott, betreiben wir hier Motivforschung? Arkenthin packte aus, dass Tepper Kundengelder veruntreut habe, händeringend nach Krediten suche und jederzeit mit Anzeigen und einem Ermittlungsverfahren rechnen müsse.«

»Eure Chance!«

Pertz blieb stehen und schaute Reineke zornig an: »Was soll der Ton?«

»Weil ich mir gut vorstellen kann, wie’s weitergegangen ist.«

»So, wirklich?«

»Na klar. Ihr wolltet Tepper, aber mein Freund Hommel hätte bei eindeutigen Beweisen nie gewagt, seinem Staatsanwalt die Einstellung des Verfahrens zu befehlen. Also musstet ihr dafür sorgen, dass Tepper einen Hinweis bekam und belastendes Material rechtzeitig vernichten konnte.«

»Und wenn es so gewesen wäre?«

»Erstens ist es so abgelaufen, Jockel, und zweitens habt ihr freihändig die Justiz behindert. Einen Schuldigen vor der Strafe bewahrt. Von den Geschädigten nicht zu reden.«

»Wer Dreck zur Seite schaufelt, darf sich nicht vor schmutzigen Händen ekeln.«

»Na schön, über diese Philosophie lohnt sich nicht zu streiten. Der BND hat also den Tepper angeheuert.«

Jockel Pertz ging weiter, in mürrisches Schweigen versunken, bis Reineke lachte: »Kapitel Rechtsstaat beendet.«

»Ja, ja, beendet - okay, wir haben ihn übernommen und mit einer Legende ausgestattet. Hans Zinneck, die hatten wir in Reserve.«

»Dass Teppers Frau abgehauen war, kam euch zupass.«

»Klar doch. Wir haben ihn nach Frankreich geschickt.«

»O je. Ohne direkte Führung?«

Pertz sagte langsam: »Fuchs, die Geschichte war - oder ist - brisant. Nicht nur simpler Waffenexport. Sondern getarnte Investitionen in Waffenfabriken und eine Giftgasproduktionsanlage. Die Franzosen und wir haben den ganzen Ring auffliegen lassen, Tepper hat in Frankreich gute, sogar hervorragende Arbeit geleistet, daran gibt’s keinen Zweifel, aber das konnte er nur, weil wir ihn an der langen Leine laufen ließen.«

»Dann war er dieser Liga auf den Pelz gerückt?«

»Sicher. Ziemlich sogar. Wir haben uns zurückgezogen, als er meldete, welche Kontakte er angebahnt hatte, wir durften ihn auf keinen Fall gefährden.«

»Schön, akzeptiert. Aber was ist nun mit ihm: Verschwunden, untergetaucht, übergelaufen oder beseitigt?«

»Frag mich was Leichteres!«, murrte Pertz nach einer Weile und kickte wütend einen Pilz vom Weg.

»Wann hat es denn den letzten Kontakt gegeben?«

»Im August vorigen Jahres. Da wollte er von Kassel nach Dresden umziehen.«

»Das ist nicht dein Ernst!«

»Doch, leider.« Er ging langsamer. »Weißt du, bei Amateuren gibt es immer eine Gefahr.«

»Dass sie Profis werden wollen?«

»So ähnlich. Eines Tages verraten sie sich, fallen auf, wecken Misstrauen. Was tut dann die Gegenseite?«

»Beseitigt den Verräter.«

»Möglich, ja, wenn sie brutal genug ist. Was auf die Liga nach allem, was wir wissen, zutrifft. Aber wenn sie klug vorgeht, wird sie vorher etwas anderes versuchen.«

»Sie will herausfinden, wer den faulen Apfel in ihre Steige praktiziert hat.«

»Und wie schützt sich der faule Apfel gegen - sagen wir - schmerzhafte Befragungen?«

»Indem er alles niederschreibt, was er weiß, das Dossier an einem sicheren Ort deponiert und verlauten lässt, es würde veröffentlicht, wenn ihm etwas zustoßen sollte.«

»Du hast gerade die Aufnahmeprüfung als V-Mann mit Auszeichnung bestanden.«

Pertz' heiterer Ton täuschte Reineke nicht. Beide Seiten waren also immer noch hinter diesem Dossier her. Die eine befürchtete Enttarnung, die andere einen politischen Skandal. Die eine Seite belauerte die andere, ob sie das Depot entdeckt hatte.

Sie waren lange genug im Geschäft und brauchten Selbstverständliches nicht auszusprechen.

Pertz räusperte sich: »Tepper war aus vielen Gründen der ideale Kandidat für uns, aber bestimmt nicht wegen seines Charakters. Mir ist bei ihm von Anfang an unwohl gewesen und deshalb haben wir ihn sorgfältig abgeschirmt.«

»Ich ahne etwas.«

»Ein Führungstrio. Jeweils einer aus dem BND, Verfassungsschutz und Zollkriminalamt.«

»Wie habt ihr die drei getarnt?«

»Als leitende Mitarbeiter einer Finanzberaterfirma.« Pertz schniefte. »Tepper wurde offiziell in dieser Firma angestellt. Natürlich unter dem Namen Zinneck.«

»Eine eigens für ihn gegründete Firma?«

»Nein, sie bestand schon länger. Für ähnliche Aufgaben.«

»In Pullach?«

»Nicht weit davon entfernt.« Zum ersten Mal grinste Pertz schadenfroh; wie viele BND-Leute liebte er seine Zentrale nicht.

»Schön, verstanden. Wie kommt nun mein Freund Rogge auf die Bühne?«

»Zinneck hatte in Frankreich eine Deutsche kennen gelernt und sich mit ihr zusammengetan. Es gibt da so ein Gerücht, dass er sie sogar geheiratet hat, aber das wäre Bigamie gewesen.«

»Soll in den besten Familien Vorkommen.«

»Und ein zweites Gerücht lautet, Zinneck habe bei dem geplatzten Investitionsdeal der Liga kräftig in die eigene Tasche abgesahnt. Wie auch immer, plötzlich verließ er Hals über Kopf Frankreich.«

»Mit dieser Frau - wie heißt sie?«

»Charlotte Bongartz. Ja, mit der zusammen.«

»Und ihr? Was habt ihr unternommen?«

»Eine Zeit lang hat Tepper - äh, Zinneck noch Informationen über die Liga geliefert. Dann riss der Faden plötzlich ab und wir stellten fest, dass wir ihn und seine Frau verloren hatten.«

Reineke hatte schon den Mund zu einer gepfefferten Bemerkung geöffnet, verschluckte sie aber, als er Pertz’ gequälte Miene registrierte. Stattdessen fragte er sachlich: »Und wann habt ihr die Spur wieder aufgenommen?«

»Im März. Da wurde im ZDF, in dieser XY ... ungelöst-Sendung, eine Frau vorgestellt. Totale Amnesie. Es war diese Charlotte Bongartz.«

»Ich kapiere. Also habt ihr sie überwacht, in der Hoffnung, Tepper oder Zinneck habe die Sendung auch gesehen und werde sich bei ihr melden.«

»Ja, natürlich. Aber die Sache hatte einen Haken. Den Fall bearbeitete ein Verrückter, ein Hauptkommissar Grembowski. Der Kerl ließ die Frau so ungeniert überwachen, dass sich kein vorsichtiger Mensch an sie herantraute.«

»Bis man auf dem kleinen Dienstweg ...«

»Langsam, langsam. Ich hab mich geweigert, was zu unternehmen. Bis ich von dir hörte, dass Karin Tepper nach Deutschland zurückgekehrt war und ihren Mann suchte.«

»Da drängte plötzlich die Zeit.«

»Ja, ich habe den Präsidenten angerufen. Der war mir noch einen Gefallen schuldig. Er hat den zuständigen Abteilungsleiter angewiesen und der hat diesem Grembowski den Fall weggenommen.«

»Weißt du, wie dieser Abteilungsleiter heißt?«

»Simon.«

»Ach du meine Güte! Und auf deinen Wunsch hin ist Simon nichts erklärt worden?«

»Nein, es gab schon genug Mitwisser.«

»Da hast du einen Fehler begangen. Karl Simon hat einen Dickschädel, der lässt sich nicht gerne herumkommandieren. Also hat er Grembowski abgelöst und dafür Rogge auf den Amnesiefall angesetzt,«

Pertz drehte den Kopf, nur scheinbar überrascht, wahrscheinlich hatte er die Zusammenhänge längst selbst durchschaut. Und Rogge hatte die Identität dieser Inge Weber oder Charlotte Bongartz herausgefunden, der Teufel mochte wissen, wie. Dass er während seiner Recherchen in einer Hotelbar mit Karin Tepper zusammengetroffen war, gehörte zu den Zufällen, die kein Mensch glauben konnte.

Nach einer Weile holte Pertz tief Atem. Nach Reinekes Anruf hatte er lange überlegt, ob er dem Kollegen aus dem Landeskriminalamt gestehen sollte, welchen Bock sie geschossen hatten. Kein Mensch gibt gern Fehler zu, aber wenn er Reineke auch nicht sonderlich leiden mochte, so schätzte er doch dessen Fähigkeiten. Außerdem empfahl es sich gelegentlich, alles freiwillig vor einem vertrauenswürdigen Zeugen auszupacken, bevor es in entstellter Form durch schwatzhafte Kollegen oder die Presse publik wurde. Mit Ruhm hatten sich alle Beteiligten nicht bekleckert, die Liga nicht auf gerollt, den V-Mann nicht wieder auf gespürt, und bei dem diffizilen Verhältnis zwischen den Diensten und der Polizei konnten sie einen Skandal überhaupt nicht gebrauchen. Seit ihm Weinert gestanden hatte, dass Rogge und der Freund dieser Weber zwei seiner Männer überrascht, wahrscheinlich auch enttarnt hatten, hatte Pertz sich darauf eingerichtet, dass sie die Aktion abbrechen mussten. Leise, still, unauffällig beerdigen mussten. Unter Umständen benötigte er sogar Reinekes Beziehungen, um Simon und Rogge ruhig zu stellen; nach den letzten Meldungen hatte sich der Hauptkommissar gefährlich nahe an die Wahrheit herangerobbt. Und die Journalisten würden so schnell nicht lockerlassen, wenn die erschreckend präzise Meldung aus dem Provinzblatt erst einmal die Runde gemacht hatte ...

»Ihr habt diese Bongartz oder Weber also als Köder benutzt?«

»Ja.«

»Wenn ihr sie durch diese Fernsehsendung wieder gefunden habt, kann die Liga sie auch entdeckt haben.«

»Hat sie, wir haben zwei ligistische Gruppen beobachtet.«

»Aber nicht festgenommen?«

»Nein.«

»Das heißt im Klartext, ihr seid bereit gewesen, die Bongartz zu opfern? Oder glaubst du, diese Liga hätte sie verschont, obwohl sie annehmen musste, dass Zinneck - oder Tepper - sie eingeweiht hatte?«

»Ja - wir hätten sie geopfert. Nein - die Liga hätte sie nicht verschont. Ich habe an diese Amnesie-Kiste nie geglaubt. Warum ist sie dann sofort untergetaucht, als dieser Rogge sie mit ihrem wahren Namen konfrontierte?«

Darauf antwortete Reineke nicht. Einen Menschen ungeschützt herumirren zu lassen, an dessen Fersen sich gefährliche Verschwörer geheftet hatten, behagte ihm nicht, aber er würde sich hüten, Pertz deswegen Vorwürfe zu machen. Die Entscheidung war ihm mit Sicherheit nicht leicht gefallen, so weit kannte er Pertz, und zu ihrem Geschäft gehörte auch, dass einer die Verantwortung übernehmen musste und die anderen ihm nicht hereinredeten.

»Hast du eine Ahnung, wo Tepper und diese Bongartz jetzt stecken?«

»Nein. Ich will's auch gar nicht erfahren. Weißt du, der BND-Ellwein — hat die Finanzierung eines Spionagerings wenn nicht zerschlagen, so doch unterbrochen, Gönter, also das Zollkriminalamt, hat einen Waffenhändler hochgehen lassen, nur der arme Verfassungsschutz hat keinen Erfolg verbuchen können. Jetzt wollen wir die ganze Affäre nur noch ohne Schaden abschließen. Charlotte Bongartz drücken wir die Daumen; mehr können und wollen wir nicht mehr tun.«

Ende

Extra Krimi Paket Sommer 2021

Подняться наверх