Читать книгу Mord gehört zum Service Berlin 1968 Kriminalroman Band 33 - A. F. Morland - Страница 6
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Es war kein alltäglicher Beruf, den Frank Buchner ausübte, aber Frank war auch kein alltäglicher Mensch.
Er hielt sich für etwas Besonderes, und es gab einige Leute, die ihm das gern bestätigten.
Frank Buchner war Berufsmörder!
Er nahm seine Arbeit so ernst wie ein vom Staat bezahlter Henker. Ob von diesem das Geld kam oder von jemand anders ...
Wo lag da der Unterschied? Der eine beförderte genauso Menschen vom Leben zum Tod wie der andere. Frank Buchner hielt seine Methode sogar noch für humaner, denn wenn jemand von einem ordentlichen Gericht zum Tode verurteilt wurde, musste er oft Wochen, Monate, ja sogar jahrelang auf seine Hinrichtung warten, und er wusste, dass er sterben musste.
Man sagte ihm vorher sogar den genauen Hinrichtungstermin.
Bei Frank Buchner lief das ganz anders ab. Sein Opfer hatte keine Ahnung, und es verstrich zumeist nur eine kurze Frist, bis die „Angelegenheit“ erledigt wurde.
Buchner war durch eine harte Schule gegangen. Man hatte ihn bei der Marine zum Kampfschimmer ausgebildet und ihn gelehrt, sich in Kruse Lebenslagen zurechtzufinden, sich aus Kruse Schwierigkeiten herauszuboxen.
,Wenn es hart auf hart geht, verlass dich niemals auf einen anderen, sondern nur auf dich selbst‘, hatte man ihm eingetrichtert. ,Wer sich auf einen Freund verlässt, ist schon verlassen, denn er hat auf diesen keinerlei Einfluss. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.‘ Ein blasphemisches Motto für einen Mörder.
Sie hatten ihm gezeigt, wo der Mensch am verwundbarsten ist, und als sie von ihm nichts mehr wissen wollten, weil er sich einige Unregelmäßigkeiten zuschulden kommen ließ, fasste er auf privater Basis Fuß.
Das war nicht schwierig, denn für Männer wie ihn gab es immer einen Job. Man wartete geradezu auf einen wie ihn, empfing ihn mit offenen Armen, drückte ihn ans Verbrecherherz und reichte ihn mit größtem Wohlwollen an die richtige Adresse weiter. Schließlich war die Cosa Nostra dabei, in Berlin Fuß zu fassen. Zwar hatte sie durchaus ihre eigenen Mörder, aber die mussten zunächst einmal nach West-Berlin gebracht werden und danach für einige Zeit wieder untertauchen. Da war es mit einem auf eigene Rechnung arbeitenden Auftragsmörder einfacher.
Aus dem gestählten Marinemann wurde ein privater Mörder.
Frank Buchner führte von nun an zwei Leben. Einmal war er der seriöse, gut situierte Bürger, der ein Haus Charlottenburg, eine große Limousine, ein dickes Bankkonto und keine Sorgen hatte. Zum andern war er, was jedoch nur ganz wenige Personen wussten, ein eiskalter, kaltschnäuziger Mörder. Ob Filmdiva, Geschäftsmann, Politiker oder Privatier ... Frank Buchner machte keinen Unterschied. Wenn das Todesurteil gefällt worden war, tat er seinen Job, und er war bisher so tödlich und unaufhaltsam gewesen wie das herabsausende Fallbeil einer Guillotine.
Ein neuer Mordauftrag führte ihn heute an die Havel. Es war 23.30 Uhr. Buchner ließ seinen Wagen am Ufer ausrollen. Die Lichter einiger Laternen spiegelten sich in den schwarzen Fluten.
Buchner drückte die Fahrzeugtür zu und legte den Rest des Weges zu Fuß zurück. Sein Opfer besaß hier in der Nähe ein stattliches Haus.
Opfer wurden die Leute, die er killte, eigentlich nicht genannt. Man bezeichnete sie als Vertragsobjekte. Das klang besser, war unverfänglicher und löste bei den Auftraggebern, die sich größtenteils aus den Reihen bisher harmloser Bürger rekrutierten, keine unnötigen Gewissensbisse aus.
Das Vertragsobjekt, dem es in dieser Nacht ans Leben gehen sollte, hieß Francisco Bellini. Der Mann war Deutscher, doch die Wurzeln seines Stammbaums steckten in Italien.
Seine Urgroßeltern waren als bettelarme Leute nach West-Deutschland gekommen und hatten gehofft, hier ihr Glück zu machen, doch ihre Hoffnung erfüllte sich nicht.
Erst dem Urenkel Francisco gelang der große Wurf ... Er machte sich als Anlageberater in West-Berlin selbständig, fischte sich ein paar schwerreiche Klienten, verschaffte sich mit Wagemut und Glück innerhalb weniger Jahre einen Namen, und heute liefen ihm die Leute in Scharen nach und schütteten ihn mit ihrem Geld beinahe zu.
Er führte ein Leben auf großem Fuß, war mit den oberen Zehntausend des Landes bekannt und verbrachte einen großen Teil seiner Zeit im eigenen Flugzeug, mit dessen Hilfe er sich einen riesigen Aktionsradius verschaffte.
Er war heute in New York, morgen vielleicht in Los Angeles, und übermorgen konnte man ihn in Paris, London oder Rom antreffen. Der Hauch der großen, weiten Welt ... Francisco Bellini hatte ihn zu seinem Atem gemacht.
Aber das sollte sich ändern.
Frank Buchner erreichte die Backsteinmauer, die das Grundstück einfriedete, auf dem Francisco Bellinis prächtiges Haus stand. Der Mörder blickte sich rasch um, überzeugte sich davon, dass niemand ihn beobachtete und überwand das Hindernis.
Er landete hinter hohen Fliederbüschen auf weichem Boden, ließ einige Sekunden verstreichen und lief dann auf das Gebäude zu, in dem kein Licht mehr brannte.
Buchner kannte die Gewohnheiten des Vertragsobjekts. Wenn Francisco Bellini keine Party gab, nicht eingeladen oder geschäftlich verhindert war, ging er gegen 22 Uhr zu Bett, las noch eine Stunde und löschte präzise um 23 Uhr das Licht.
Das hieß, dass er schlafen würde, wenn der Mörder sein Schlafzimmer betrat. So waren Frank Buchner die Jobs am liebsten. Leider ließ es sich nicht immer auf diese Weise einrichten.
Geduckt schlich der Mörder auf das Haus zu. Er erreichte eine schmale, unauffällige Hintertür, stocherte mit einem Dietrich im Schloss herum, ein leises Klacken war zu hören, dann ließ sich die Tür öffnen.
Unvorsichtig, höchst unvorsichtig, dachte Frank Buchner. So ein Haus und nicht die einfachste Alarmanlage. Schlösser wie diese kann doch heute jedes Kind knacken.
Er pirschte sich durch das dunkle Haus, durchquerte die große Halle und erreichte eine geschwungene Steintreppe, die nach oben führte.
Buchner erinnerte sich, so ein Haus mal in einem alten Film gesehen zu haben. Über die gleiche Treppe war Humphrey Bogart heruntergekommen, und in der Halle hatte Edward G. Robinson auf ihn gewartet, der in dem Film seinen Erzrivalen spielte. Vielleicht war die Szene in diesem Haus gedreht worden ... Unwichtig.
Der Mörder stieg die Stufen hinauf. Sein Schritt war elastisch, er betrieb in seiner Freizeit viel Sport, spielte zum Beispiel hervorragend Tennis.
Er war schlank und sah gut aus, hatte dunkles Haar und war im Club einer der begehrtesten Junggesellen.
Buchner erreichte das Obergeschoss und verharrte einen Augenblick reglos. Hinter einer der Türen fing jemand zu husten an. Es war nicht Francisco Bellini, sondern dessen Butler.
Der Mann hustete sich fast die Lunge aus dem Leib, und plötzlich lag ein Lichtbalken unter der Tür. Frank Buchner zog sich hinter einen wertvollen antiken Schrank zurück.
Was würde nun passieren? Sollte der Butler aus dem Zimmer kommen, dann würde der Mörder sich seiner annehmen. Auftauchende Komplikationen erstickte er stets im Keim.
Der Hustenanfall endete. Frank Buchner rechnete damit, dass der Butler das Licht wieder löschte, doch er ließ es brennen, und nicht nur das!
Hans Meister, der Butler, schickte sich sogar an, sein Zimmer zu verlassen. Er hätte das lieber bleiben lassen sollen, aber wie hätte er ahnen können, dass auf dem Flur ein Mörder lauerte?
Frank Buchner nahm an, dass der Butler sich in die Küche begeben wollte. Vielleicht hatte Hans Meister die Absicht, sich einen krampflösenden Hustentee zu kochen, oder etwas in der Art.
Schlurfende Schritte näherten sich der Tür, die sich gleich darauf öffnete. Ein hagerer Mann mit eingesunkenen Wangen und großer, dünner Nase erschien. Er trug einen Schlafrock über dem Pyjama und band soeben den Gürtel zu einer Schleife.
Buchner duckte sich zum Sprung. Mit dem starren Blick einer Schlange beobachtete er den Butler. Er ließ den Ahnungslosen an sich herankommen und vorbeigehen, und schlug ihn dann von hinten nieder.
Als die Handkante traf, zuckte der Butler zusammen, bäumte sich in einem unkontrollierten Reflex auf und sackte dann lautlos zu Boden.
Buchner ließ ihn liegen. Er kümmerte sich nicht weiter um ihn, übersprang das helle Lichtrechteck, das sich auf dem Boden abzeichnete, und erreichte Augenblicke später das Zimmer des Vertragsobjekts.
Der Mörder legte sein Ohr ans Holz und lauschte mit angehaltenem Atem. Vollkommene Stille herrschte jenseits der Tür. Frank Buchner zog seine Pistole aus dem Schulterholster und schraubte einen klobigen Schalldämpfer vor die Mündung. Eine Vorsichtsmaßnahme, die eigentlich nicht nötig gewesen wäre, denn außer dem Butler und Francisco Bellini befand sich niemand im Haus, das wusste er.
Hans Meister war nicht in der Lage, irgendetwas wahrzunehmen, das Krachen des Schusses hätte die Nachbarn nicht erreicht, und sobald es knallte, konnte Francisco Bellini nicht mehr darauf reagieren.
Dennoch würde Frank Buchner den Schalldämpfer benützen. Er arbeitete fast immer damit. Sicher ist sicher. Der Teufel schläft nicht ... Es gab viele Argumente.
Bevor der Mörder das Schlafzimmer betrat, entsicherte er seine Waffe. Langsam ließ er die Tür zur Seite schwingen. Zwischen seiner Hand und der Klinke bauschte sich sein Taschentuch, denn er wollte keine Fingerabdrücke hinterlassen.
Im Raum stand kalter Zigarrenrauch. Frank Buchner war es ein Rätsel, wie Bellini bei dieser schlechten Luft gut schlafen konnte. Nicht einmal einen Spalt breit war das Fenster geöffnet.
Dennoch schlief Francisco Bellini mit tiefen, regelmäßigen Atemzügen. Wahrscheinlich hatte er mit einer Tablette nachgeholfen. Ein Glas Wasser stand auf dem Nachttisch.
Behutsam setzte der Mörder einen Fuß vor den anderen. Es war einer seiner Vorzüge, dass er in der Dunkelheit besser sah als manch anderer.
Er wich einem stummen Diener aus, erreichte das Fußende des Bettes, ging noch zwei weitere Schritte und stand dann unmittelbar neben dem Schlafenden.
Gefühllos hob er die Waffe und richtete sie auf Bellinis Kopf. Sein Finger krümmte sich, Francisco Bellini zuckte kurz zusammen, und dann waren keine Schlafgeräusche mehr zu hören.
Bevor sich Frank Buchner zurückzog, vergewisserte er sich, ob der Mann tatsächlich tot war, denn er wollte seinen Auftraggebern nichts Falsches mitteilen.
Sie bezahlten ihn fürstlich, dafür konnten sie gewissenhafte, zuverlässige Arbeit verlangen. Sie würden auch diesmal keinen Grund haben, mit ihm unzufrieden zu sein.
Er hatte seinen Job wie immer prompt und präzise erledigt. Francisco Bellini konnte abgehakt werden.