Читать книгу Mord gehört zum Service Berlin 1968 Kriminalroman Band 33 - A. F. Morland - Страница 8
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Bernd Schuster zündete sich eine Roth Händle an und trat ans Fenster. Über Berlin wölbte sich ein kobaltblauer Himmel. Es war ein Wetter, wie es nur alle Jubeljahre vorkam, und Bernd Schuster hatte Lust, blauzumachen, ins Grüne hinauszufahren, sich auf eine Wiese zu legen und die Seele baumeln zu lassen.
In dieser Stimmung traf ihn Franziska Jahn, seine hübsche, blonde Lebensgefährtin und Assistentin, an, als sie ihm den Vormittagskaffee brachte.
„Was für ein mieser Tag“, seufzte sie.
Bernd drehte sich verwundert um. „Du trägst wohl eine rußgeschwärzte Brille vor deinen veilchenblauen Augen. So ein herrlicher Tag kommt frühestens in fünfzehn bis zwanzig Jahren wieder.“
Franziska winkte ab. „Ich rede nicht vom Wetter, sondern davon, dass mir heute alles danebengeht. Den Brief an diese komische Firma schreibe ich bereits zum dritten Mal, ich habe eine Kaffeetasse zerschlagen und mir an einem weichen Butterhörnchen die Hälfte meiner neuen Zahnplombe ausgebissen.“
Bernd grinste. „Und dabei ist der Arbeitstag erst zwei Stunden alt. Stell dir mal vor, was da noch alles passieren kann.“
„Herrlich, wie du mir Hoffnung machst.“
„Weißt du, was wir tun?“
„Es ist zwar erst Dienstag, aber für mich ist Freitag, der 13. An so einem Tag rührt man sich besser nicht aus dem Bett. Vielleicht sollte ich heimgehen und klammheimlich unter die Decke kriechen.“
„Ich habe einen besseren Vorschlag. Wir machen hier den Laden dicht und fahren raus, irgendwohin. Was hältst du davon? Wir haben auch ein Recht darauf, mal auszuspannen.“
„O Bernd, lass heute lieber die Finger von mir. Wenn ich dich begleite, verfährst du dich mit Sicherheit, oder wir haben einen Autounfall. Ich ziehe das Unglück heute geradezu magisch an. Jeder, der sich in meiner Nähe befindet, kann auch von einem Blitz aus heiterem Himmel getroffen werden. Damit muss er rechnen.“
„Ich trinke jetzt mal deinen Kaffee, und dann reden wir noch mal über meinen Vorschlag, einverstanden?“
Franziska zuckte deprimiert mit den Schultern und zog sich zurück. Bernd begab sich zu seinem Schreibtisch und nahm einen Schluck vom Kaffee. Sein Gesicht verzog sich angewidert, denn so eine scheußliche Brühe hatte ihm Franziska noch nie vorgesetzt. Das schwarze Zeug, das Kaffee sein sollte, schmeckte wie Schuhcreme und Schnürsenkel. Im ersten Augenblick wollte er nach Franziska brüllen, aber dann nahm er Rücksicht auf ihren Gemütszustand. Er nahm die Tasse, begab sich in die angrenzende Kaffeeküche und goss den Kaffee ins Spülbecken, hoffend, dass das Zeug die Abflussrohre nicht anfraß.
Als er an seinen Schreibtisch zurückkehrte, meldete Franziska Jahn über die Gegensprechanlage einen Besucher. Den Namen sprach sie so undeutlich aus, dass Bernd ihn nicht verstand.
Die gepolsterte Tür öffnete sich, und Hans-Joachim Wendler trat ein. Bernd kannte den Mann seit Jahren, hatte hin und wieder beruflich mit ihm zu tun gehabt, und sich auch ab und zu privat mit ihm getroffen.
„Hallo, Hans-Joachim“, sagte er erfreut. „Wie geht es Ihnen? Was führt Sie zu mir? Kann ich Ihnen helfen?“
Er ging dem Richter entgegen und drückte ihm ehrlich erfreut die Hand. Dann wies er auf den Besucherstuhl und bat den Mann, Platz zu nehmen.
Ihm fiel auf, dass Wendler Sorgen hatte, und er hoffte, helfen zu können. Die Anwandlungen, aufs Land zu fahren und sich auf die faule Haut zu legen, waren vorbei. „Möchten Sie etwas trinken?“
„An und für sich ist es für mich um diese Zeit noch zu früh dafür, aber heute mache ich eine Ausnahme. Ich habe Kruse Grund dazu.“
„Diesen Ton höre ich aber gar nicht gern“, sagte Bernd und begab sich zur Bar. Er goss Cognac in zwei Gläser und reichte eines davon dem Richter.
Wendler leerte das Glas auf einen Zug, stellte es auf den Schreibtisch, sah dann Bernd Schuster ernst an und sagte: „Bernd, ich habe zum ersten Mal im Leben Schwierigkeiten, mit denen ich nicht allein fertig werde.“
„Es ehrt mich, dass Sie mit Ihren Problemen zu mir kommen, Hans-Joachim. Was haben Sie auf dem Herzen? Schießen Sie los.“
„Sie kennen meine Tochter ...“
„Simone, natürlich kenne ich sie. Sie ist im schwierigen Alter, wie?“
„Sie war immer schon ein recht eigensinniges Kind. Meine Frau starb früh, und ich hatte meine liebe Not mit Simone.“ Wendler schüttelte den Kopf. „Meine Güte, konnte dieses Mädchen manchmal bockig sein. Dann wiederum war sie so anschmiegsam wie eine kleine Katze. Ich konnte ihr einfach nie böse sein. Vielleicht hätte sie eine härtere Hand gebraucht, aber soll man ein Kind, das ohne die Liebe der Mutter aufwachsen muss, auch noch hart anfassen? Ich brachte es nicht übers Herz. Und nun ... ist sie erwachsen, ist 23, will frei und selbständig sein, sich nicht mehr bevormunden lassen, nichts von dem Geld wissen, das für uns beide ausreichen würde.“
„Sie braucht Zeit, um sich abzuschleifen“, sagte Bernd. „Wenn sie zu Ihnen zurückkehrt, ist sie bestimmt so, wie Sie sie haben wollen, Hans-Joachim.“
Der Richter seufzte geplagt. „Das glaube ich nicht, Bernd. Jetzt nicht mehr.“
Bernd Schuster sah den Mann beunruhigt an. „Was ist passiert? Befindet sich Simone in schlechter Gesellschaft?“
„Ich weiß nicht, was vorgefallen ist. Ich weiß nur, dass sie sich mit Verbrechern einließ.“
„Woher wissen Sie das?“
„Einer dieser Gangster nahm gestern Kontakt zu mir auf.“ Wendler berichtete, in welcher Form dies geschehen war. „Der Mann, der sich Schmidt nannte, zeigte mir Schuldscheine, die Simone unterschrieben hat.“
„Wie hoch ist der Betrag?“
„90.000 D-Mark.“
Bernd pfiff beeindruckt durch die Zähne. „Wofür brauchte Ihre Tochter so viel Geld, Hans-Joachim?“
„Das ist mir nicht bekannt. Schmidt behauptet, einer Organisation anzugehören, deren Dienste meine Tochter in Anspruch nahm.“
„Solche Leute vergewissern sich im Allgemeinen, ob ihre Kunden auch zahlen können, bevor sie etwas tun.“
„Diese Kerle wussten von Anfang an, dass sie sich an mir schadlos halten würden. Ich fragte Schmidt, um was für Dienstleistungen es sich handelte, doch darüber gab er keine Auskunft.“
„Ich glaube zwar nicht, dass es was bringt, möchte Sie aber doch bitten, Schmidt zu beschreiben, Hans-Joachim“, sagte Bernd.
Der Richter kam seiner Bitte nach und erwähnte anschließend weitere Einzelheiten des Gesprächs, das er mit Schmidt geführt hatte.
„90.000 D-Mark“, sagte Bernd Schuster nachdenklich. „Wofür nehmen Verbrecher so viel Geld? Was war Ihrer Tochter so viel Geld wert?“
„Ich weiß es nicht, Bernd, deshalb bitte ich Sie, es herauszufinden.“
„Werden Sie zahlen?“
„Nur, wenn es Ihnen nicht gelingt, diesen Verbrechern das Handwerk zu legen.“
„Hat Ihnen Schmidt eine Frist gesetzt?“
„Ja, bis zum Wochenende.“
„Da bleibt mir zum Glück ja noch ein bisschen Zeit“, sagte Bernd Schuster.
„Sie werden sie gut nützen müssen. Jede Minute ist kostbar. Es geht mir nicht ums Geld. Ich möchte meiner Tochter helfen.“
„Wenn ich herausfinde, dass sie Mist gebaut hat, wird sie dafür geradestehen müssen, Hans-Joachim.“
„Sie ist meine Tochter, sie wird sich der Verantwortung nicht entziehen. Aber auch diese Gangster sollen sich vor einem ordentlichen Gericht verantworten. Sorgen Sie dafür, dass niemand mehr die Dienste dieser Verbrecher, worum es sich auch immer dabei handeln mag, in Anspruch nehmen kann, und sagen Sie Simone, dass meine Tür für sie immer offensteht.“
„Wissen Sie, wo sie wohnt?“, fragte Bernd.
„Ja, ich habe ihre Adresse hier für Sie aufgeschrieben.“
„Warum sind Sie nicht hingefahren, um nachzusehen?“, wollte Bernd Schuster wissen.
Der Richter betrachtete angelegentlich seine Hände. „Ehrlich gesagt, ich hatte nicht den Mut dazu.“
„Wovor haben Sie Angst?“
„Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht, Bernd. Vielleicht davor, dass sich mein Kind schon zu lange auf der schiefen Bahn befindet, dass sie schon so weit abgerutscht ist, dass ihr niemand mehr helfen kann.“
„Angenommen, es wäre so. Was würden Sie dann tun?“
Der Richter schüttelte langsam den Kopf. „Nichts. Was immer passiert ist, ich bin Simones Vater. Sie darf auf mich zählen. Ich werde stets für sie da sein.“
„Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann, und natürlich auch für Simone“, versprach Bernd.
„Ich danke Ihnen.“
„Keine Ursache. Kopf hoch, Hans-Joachim, wir bringen die Sache wieder ins Lot. Ich glaube, ich habe Simone insgesamt viermal gesehen. Sie ist ein bildhübsches Mädchen. Bin gespannt, ob sie sich an mich noch erinnert.“