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„Dieser Doktor Kripow ist ein sehr netter Mann“, sagte Jana Lehnhoff. Ihr blondes Haar flatterte im Fahrtwind. „Ich kann ihn sehr gut leiden.“

Thomas Hochfeldt drohte ihr mit dem Finger, grinste aber dabei. „Vorsicht! Fang jetzt bloß nicht an zu schwärmen, sonst werde ich eifersüchtig!“

„Habe ich dir schon mal Grund zur Eifersucht gegeben?, fragte Jana, während sie Hannover hinter sich ließen.

„Bisher zum Glück noch nicht.“

„Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.“

„Niemand kann wissen, was die Zukunft bringt.“

„Du zweifelst doch nicht etwa an mir?“

Thomas sah sie erstaunt an und erwiderte: „Nein, das tue ich nicht. Und nun lass uns schnell das Thema wechseln! Ich habe nämlich ganz fest vor, diesen wunderschönen Tag mit dir in vollen Zügen zu genießen.“

„In vollen Zügen?“ Jana kicherte übermütig. „Ist es da nicht sehr eng und stickig?“

Er grinste. „Du weißt genau, wie ich das meine.“

Thomas wechselte mehrmals die Fahrtrichtung. Schließlich ließ er sein Cabriolet auf einem staubigen Parkplatz zu Füßen einer alten Burgruine ausrollen.

„So“, sagte er und stellte den Motor ab. „Da wären wir.“

„Du hast zu Doktor Kripow gesagt, wir wüssten nicht, wohin wir fahren.“

„Ich weiß. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich es tatsächlich noch nicht. Erst auf halbem Weg kam es mir in den Sinn. Gefällt es dir hier nicht? Ich kann gerne noch ein Stück weiterfahren.“

„Oh, nein, nein, das ist wirklich nicht nötig. Mir ist es ehrlich gesagt egal, wo wir wandern.“

Thomas küsste Janas Ohrläppchen. „Hauptsache wir sind zusammen.“

„So ist es“, bestätigte die junge Frau und streichelte sanft seine glattrasierte Wange.

Sie stiegen aus. Der Parkplatz war voll. Ein grauhaariger Mann kam auf sie zu und kassierte die Parkgebühr. Die Quittung klemmte er zwischen Scheibenwischer und Windschutzscheibe. Hand in Hand marschierten Thomas und Jana in einen warmen, sonnigen Tag hinein. Die Burgruine besichtigten sie nicht. Dort gab es nicht allzu viel zu sehen. Sie ließen das Bauwerk links liegen, gingen an einem idyllischen Teich vorbei, in dem sich ihre Gestalten spiegelten, überholten langsam dahin schlendernde Leute, entschieden sich im Wald für einen der vielen verästelten Wege und waren schon bald ganz allein.

Jana fühlte sich unbeschreiblich wohl in Thomas‘ Nähe. Wieso hat er mich eigentlich noch nie gefragt, ob ich ihn heiraten will?, überlegte sie in diesem Augenblick. Wir sind immerhin schon ein Jahr zusammen. Da hätte er dieses Thema doch irgendwann einmal ganz vorsichtig anschneiden können. Gelegenheiten hätte es genug gegeben. Aber an Ehe, Kinder und Familie scheint er bisher noch keinen Gedanken verschwendet zu haben. Warum eigentlich nicht, wenn er doch immer wieder behauptet, dass er mich liebt, dass er noch einen Menschen so gern gehabt hat, wie mich?

In einer kleinen Gastwirtschaft, die auf einer Lichtung stand, aßen sie zu Mittag. Das Lokal war gemütlich eingerichtet, und das Essen schmackhaft. Anschließend setzten sie ihre Wanderung fort. Am Nachmittag zogen in der Ferne dunkle Gewitterwolken auf. Deshalb schlug Thomas vor, dass sie zum Wagen zurückkehrten. Als er sich umwandte, blieb er mit dem Fuß an einer Wurzel hängen, die aus dem Boden herausragte. Er stürzte und blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen.

„Mein Knöchel!“, stöhnte er. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.

Jana sah ihn entsetzt und ratlos an. „Hast du dir was gebrochen?“

„Gebrochen nicht“, erwiderte Thomas, „aber mit Sicherheit verstaucht.“

„Kannst du aufstehen?“

„Ich versuche es.“

„Warte, ich helfe dir.“ Jana griff unter seinen Arm und zerrte ihn hoch. „Geht es?“, fragte sie besorgt. „Schaffst du es bis zum Auto?“

„Vielleicht.“ Er sog scharf die Luft ein, konnte den rechten Fuß kaum belasten. „Aber was dann?“, fragte er. „Mit dem verletzten Knöchel kann ich nicht Auto fahren. Jetzt wäre es von Vorteil, wenn du ebenfalls einen Führerschein hättest. Dann könntest du mich nach Hause bringen.“

Jana legte sich seinen Arm um die Schultern und stützte ihn beim Gehen. Sie kamen nur langsam voran. Hinter ihnen rumorte das Gewitter. Blitze zuckten über den Himmel. Der Donner kam in immer kürzeren Abständen. Einige Male drohte Jana mit Thomas umzufallen.

„Meine Güte, bist du schwer“, stöhnte sie.

„Ich bringe nicht mehr Gewicht auf die Waage, als ich darf“, erwiderte er.

„Das sollte keinen Vorwurf sein.“

Sie schleppte sich fast einen Kilometer mit ihm ab, dann waren ihre Kräfte erschöpft. Sturmböen rauschten durch die Baumkronen. Der Donner wurde immer lauter. Jana ließ Thomas auf einem umgestürzten Baumstamm nieder.

„Vielleicht wäre es besser, wenn ich alleine weitergehe und Hilfe hole.“

„Woher denn?“, fragte er. „Hier ist weit und breit ...“

Jana wandte den Kopf. Sie hatte ein Geräusch gehört. Es klang wie ein Motor. „Irgendwo dort vorne muss eine Straße sein“, stieß sie erregt hervor. „Ich werde einen Wagen anhalten und den Fahrer bitten, uns zu helfen. Bleib hier sitzen. Ich komme sobald wie möglich zurück.“ Sie strich eine Haarsträhne aus seinem Gesicht. „Tut es sehr weh?“

„Ziemlich.“

„Du Ärmster.“

Sie lief davon, blieb nicht auf dem Weg, sondern stürmte durch das dichte Unterholz und war bestrebt, die Straße, die durch den Wald führte, so schnell wie möglich zu erreichen. Ein näher kommendes Fahrzeug veranlasste sie, jegliche Vorsicht außer Acht zu lassen.

„Hilfe!“, rief sie, obwohl sie die Straße noch nicht einmal sehen konnte. „Hilfe!“

Sie stürzte, kämpfte sich wieder hoch, lief weiter, rollte eine steile Böschung hinunter und blieb im Straßengraben liegen. Der Wagen war bereits vorbei. Das Motorgeräusch wurde immer leiser und war bald nicht mehr zu hören. Schluchzend stand Jana auf und blickte sich verzweifelt um.

„Hilfe!“, kam es dünn über ihre bebenden Lippen. „Hilfe! Helft uns doch!“

Doch ihre Rufe blieben ungehört. Kein Auto näherte sich. Als wäre der Verkehr von einem Moment zum anderen umgeleitet worden.

„Das gibt es doch nicht“, jammerte Jana. „Wieso kommt hier kein Wagen mehr vorbei?“

Der blaue Himmel hatte sich mit anthrazitgrauen Wolken überzogen. Jana überlegte, ob sie die Straße entlanglaufen sollte, aber wenn sie sich von hier entfernte, würde sie dann noch einmal zu Thomas zurückfinden?

Da! Ein Wagen! Endlich! Er kam mit eingeschalteten Scheinwerfern aus einer engen Kurve. Jana stellte sich auf die Fahrbahn und hob die Arme.

„Halt!“, rief sie. „Anhalten! Bitte anhalten!“

Mit quietschenden Reifen blieb das Auto stehen. Jana lief zur Fahrerseite. Ein junger Mann mit dichtem schwarzem Haar streckte den Kopf zum Seitenfenster heraus.

„Ist was passiert?“, wollte er wissen.

„Ja. Bitte, helfen Sie uns. Thomas ... Mein Freund hat sich den Knöchel verstaucht – vielleicht sogar gebrochen.“

Der Mann stieg aus. „Wo?“

„Im Wald.“

„Führen Sie mich zu ihm.“

Der Mann folgte ihr, als Jana die Böschung emporkletterte. Als sie sich durch das Unterholz kämpfte, befürchtete sie, die Orientierung zu verlieren, deshalb rief sie laut Thomas‘ Namen. Er antwortete. Nach wenigen Minuten fanden sie ihn. Der hilfsbereite Autofahrer sah sich den Knöchel an.

„Sieht böse aus“, stellte er fest. „Ist ziemlich stark geschwollen.“

„Sind Sie Arzt?“, fragte Jana.

„Leider nein. Übrigens – mein Name ist Gernot Riepe.“

„Thomas Hochfeldt“, stellte er sich vor.

„Jana Lehnhoff“, sagte die junge, blonde Frau.

Gernot war Thomas beim Aufstehen behilflich. Auch Jana half. Mit vereinten Kräften schafften sie ihn zum Wagen.

„Legen Sie sich auf die Rücksitze“, sagte Gernot. Er wandte sich an Jana. „Und Sie setzen sich auf den Beifahrersitz.“

„Können wir bei meinem Cabrio vorbeifahren?“, fragte Thomas. „Es wird bald regnen. Das Verdeck muss geschlossen werden.“

„Kein Problem“, gab Gernot zurück.

Thomas erklärte ihm, wo sein Wagen stand. Gernot schloss das Verdeck und kehrte zu seinem Auto zurück.

„Möchten Sie umsteigen?“, erkundigte er sich.

„Das ist leider nicht möglich“, antwortete Thomas. „Ich kann mit meinem verletzten Bein nicht fahren und Jana darf nicht, weil sie keinen Führerschein hat. Ich lasse den Wagen morgen von einem Freund abholen.“

„Wenn Sie so nett wären und uns nach Hannover bringen würden?“, sagte Jana vorsichtig.

„Nach Hannover?“ Gernot lachte. „Genau da will ich hin.“

„Wohnen Sie dort?“

Er schüttelte den Kopf. Nicht direkt, aber gleich daneben – in Bothfeld.“

Sie sprachen noch kurz mit dem Parkwächter, damit er wusste, weshalb das Cabriolet über Nacht hier stehenblieb, und dann kehrten sie nach Hannover zurück.

Auf halbem Weg wurden sie vom Gewitter eingeholt. Es begann zu regnen. Jana bat Gernot, sie und Thomas bei der Falkenberg-Klinik abzusetzen. Mit vereinten Kräften schleppten sie den Verletzten zum Eingang der Notaufnahme.

„Ist Doktor Kripow im Haus?“, fragte Jana den diensthabenden Arzt.

„Ja.“

„Würden Sie ihm bitte Bescheid sagen?“

„Ich kann den Patienten genauso gut versorgen.“

„Bitte ...“

„Na schön, ich versuch‘s.“

Fünf Minuten später erschien Doktor Alexander Kripow in der Notaufnahme.

„Wenn Sie möchten, kann ich Sie beide später nach Hause bringen“, bot Gernot an.

„Nicht nötig“, erwiderte Jana. „Vielen Dank. Sie haben uns schon genug geholfen. Wir wollen Sie nicht ausnutzen.“

„Wie wollen Sie dann nach Hause kommen?“

„Wir nehmen uns ein Taxi.“

„Na gut.“

Gernot verabschiedete sich und verließ die Klinik. Doktor Kripow untersuchte den Patienten behutsam.

„Scheint sich wirklich nur um eine Verstauchung zu handeln. Zur Sicherheit sollten wir den Knöchel röntgen. Aber das wird erst morgen Vormittag möglich sein. Unser Röntgenapparat wird gerade repariert.“

Er legte Thomas einen Zinkleimverband an. „Ihre Fahrt ins Blaue hat kein erfreuliches Ende genommen“, meinte er.

„Leider nein“, erwiderte Thomas. „Doch das wird uns nicht davon abhalten, wieder auf Wanderschaft zu gehen, sobald mein Knöchel in Ordnung ist. Ich werde in Zukunft nur etwas besser auf den Weg achten.“

„Das ist ein guter Vorsatz“, sagte Doktor Kripow lächelnd.

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