Читать книгу 7 Kriminalromane für lange Dezember-Nächte - A. F. Morland - Страница 16

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Gegen Abend entschloss sich Patrick Kreutzfeld, der Steuermann der PRIDE OF EMDEN, dazu, mit dem Staatsanwalt zu reden. Er belastete Martensteen stark, woraufhin auch Kapitän Rudolf Jordan seine starre Haltung aufgab, den von Martensteen bezahlten Anwalt in die Wüste schickte und unseren Kollegen gegenüber umfassend aussagte.

Dabei belastete auch er Martensteen stark.

Alles sah danach aus, dass der Fall juristisch erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Entsprechend zufrieden fuhren Jan und ich am Abend nach Hause. Bevor ich Jan an der bekannten Ecke absetzte, aßen wir noch einen Fischbrötchen in einem Fisch-Imbiss am Delft.

„Dieser Martensteen ist schon ziemlich weit oben in der Müll-Mafia anzusiedeln“, meinte Jan. „So schnell wird sich die von diesem Schlag nicht erholen!“

„Jedenfalls gehört dieser Martensteen einer Gewichtsklasse von Gangstern an, an die wir normalerweise selten herankommen“, meinte ich.

„Die Weiße-Kragen-Abteilung der Bosse.“

„So ist es.“

„Umso besser, dass seine Chancen ausgesprochen schlecht stehen, ungeschoren davonzukommen. Und wer weiß, vielleicht zieht er bei seinem Fall ein paar Leute mit in den Abgrund, die noch über ihm stehen.“

Ich nickte. „Es ist immer nur ein Etappensieg, den man im Kampf gegen das organisierte Verbrechen erringen kann“, sagte ich und Jan stimmte mir zu.

Am nächsten Morgen regnete es in Strömen, als ich Jan an der bekannten Ecke abholte und wir zu unserer Dienststelle kamen. Auf dem Flur lief uns Tadaeus Ulfert über den Weg. „Der PRIDE OF EMDEN-Fall hat sich vollkommen gedreht“, meinte er im Vorübergehen. „Der Chef hat in fünf Minuten zur Besprechung geladen. Ihr sollt auch dabei sein!“

„Vollkommen gedreht?“, echote ich, aber Tadaeus hatte es furchtbar eilig und offenbar vor der Besprechung noch dringend etwas zu erledigen.

Als wir im Besprechungszimmer unseres Vorgesetzten Jonathan D. Menninga eintrafen, waren unsere Kollegen Kilian Carstensen und Johnny Volkert schon anwesend.

Herr Menninga stand hinter seinem Schreibtisch. Der Chef der Emder Kriminalpolizei telefonierte gerade und sagte zweimal kurz hintereinander etwas angestrengt: „Ja, in Ordnung.“

Wir nahmen Platz. Unsere Erkennungsdienstler Wilko Folder und Fokke Horster trafen ein. Die Sekretärin unseres Chefs servierte ihren berühmten Ostfriesentee.

Herr Menninga legte auf. „Das war Kommissar Jensen von der Bremer Polizei“, erklärte er. „Ich werde Ihnen gleich erklären, was es mit diesem Anruf auf sich hat... Aber zunächst möchte ich noch abwarten, bis...“ Herr Menninga sprach nicht weiter, denn in diesem Augenblick betrat Tadaeus Ulfert den Raum.

„Wo bleibt Herr Haase?“

„Gerade eingetroffen. Sie wissen ja, was im Moment auf den Straßen los ist.“

Ich nippte an meinem Tee.

Einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann begann Herr Menninga, die Zeit damit zu nutzen, dass er uns über den aktuellen Stand der Ermittlungen gegen die an Bord der PRIDE OF EMDEN Festgenommenen informierte.

Inzwischen traf Tom Haase vom Erkennungsdienst ein.

Herr Menninga nickte ihm kurz zu. Noch ehe sich Haase gesetzt hatte, sagte unser Chef: „Unsere Leute haben bei der genaueren Untersuchung der Giftfässer an Bord der PRIDE OF EMDEN einige interessante Entdeckungen gemacht, die ein völlig neues Licht auf den Fall werfen. Herr Haase, Sie haben das Wort.“

„Danke, Herr Menninga“, sagte Haase. Er ließ kurz den Blick durch den Raum schweifen. „Ich will Sie nicht damit langweilen, welche extrem giftigen Chemikalien wir im Einzelnen in den Fässern gefunden haben. Es handelt sich dabei aber durchweg um stark ätzende Säuren, die bei verschiedenen Industrieprozessen entstehen. Aber so stark eine Säure auch sein mag, es gibt Dinge, die selbst der zersetzenden Kraft der stärksten Säure widerstehen können. Insbesondere sind das polymere Kunststoffe, deren lange Molekülketten eine Zersetzung nahezu unmöglich machen. Der bekannteste dieser Stoffe dürfte das Polyvinylchlorid sein – kurz PVC. Eine ähnliche Struktur haben Silikone, wie sie für Brustimplantate, aber auch für den Korrosionsschutz von Leitungssystemen oder auch zum Schutz von Implantaten aller Art vor Zersetzung verwendet werden, denn auch der menschliche Körper produziert hochaggressive Säuren, die auf die Dauer selbst Knie- und Hüftimplantate aus Titan zersetzen würden. Von empfindlichen Herzschrittmachern mal ganz abgesehen!“ Haase atmete tief durch und fuhr dann fort: „Wir haben in einem der Fässer ein Brustimplantat gefunden, an dem sich nur noch geringfügige DNA-Reste befanden. Der Körper der Trägerin ist vollständig zersetzt worden, aber anhand der Seriennummer konnten wir die Klinik und die Trägerin des Implantats herausfinden. Es handelt sich um Norma Jeremies aus Bremen, die seit fünf Jahren vermisst wird. Sie war Ende zwanzig, rothaarig, zierlich. Sie passt in das Opferprofil eines bisher unbekannten Serientäters, dem wir mindestens fünf Frauenmorde zur Last legen.“

„Ein Serientäter, der seine Leichen in Giftfässern entsorgt hat?“, fragte Kilian zweifelnd.

Tom Haase nickte.

„Daran, dass die vermisste Norma Jeremies in dem Säurefass an Bord der PRIDE OF EMDEN war, gibt es keinen Zweifel. Der Körper war in Anbetracht der Säurekonzentration wahrscheinlich nach wenigen Wochen vollkommen zersetzt. Das Skelett ist dann nach spätestens drei Monaten völlig aufgelöst gewesen. Eine chemische Feinanalyse wird da kaum noch genauere Erkenntnisse bringen. Der menschliche Körper besteht zu 70 Prozent aus Wasser, das später von dem Wasser, in dem die Säue gelöst war, nicht mehr zu unterscheiden war. Knochen und Zähne brauchen etwas länger bis sie aufgelöst werden, aber letztlich blieb nur das Brustimplantat.“

„Besteht irgendein Anlass, darüber nachzudenken, ob der Mord an Norma Jeremies vielleicht im Zusammenhang mit einer Verwicklung in Machenschaften der Müll-Mafia geschah?“, fragte Herr Menninga.

„Ich habe bereits eine Schnellabfrage ans BKA gestartet“, mischte sich unser Kollege Kommissar Tadaeus Ulfert ein. „Es gibt kein Indiz, das darauf hindeutet. Norma Jeremies arbeitete für eine Lokalzeitung, den Bremer Anzeiger. Ihr Alltag dürften Berichte über den örtlichen Kaninchenzüchterverein, und die Unfälle der Umgebung gewesen sein.“

„Das ist noch nicht alles“, fuhr Haase fort. „Wir haben natürlich auch die anderen Fässer untersucht. Dabei sind wir auf weitere menschliche Überreste gestoßen, die möglicherweise von Opfern des Serientäters stammen. Es handelt sich um einen Goldzahn und ein halb zersetztes Knochenfragment. Da beides in unterschiedlichen Fässern sichergestellt wurde, nehmen wir an, dass es sich um zwei verschiedene Opfer handelte, die wir bislang allerdings noch nicht die identifizieren konnten.“

„Wir werden alle vermissten Personen, die ins Raster passen mit den Spuren abgleichen“, erklärte Tadaeus Ulfert „In Frage kommt bisher Nancy Kratzenberg, seit vier Jahren vermisst, rothaarig, zum Zeitpunkt ihres Verschwindens 24 Jahre alt und von Beruf Bedienung in einem Schnellimbiss in Bremen.“

Herr Menninga wandte sich an Jan und mich. „Ich möchte, dass Sie und Jan sich nach Bremen begeben und der Sache auf den Grund gehen“, erklärte er. „Ich habe vorhin mit den zuständigen Kollegen dort gesprochen. Die Bremer Polizei wird Sie in jeder Hinsicht unterstützen. Kann sein, dass dies nur ein Zufallsfund ist, der mit den Ermittlungen gegen Hinnerk Martensteen und die Müll-Mafia nicht das Geringste zu tun hat. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass hier möglicherweise ein gefährlicher Serientäter am Werk war, der noch immer aktiv sein könnte!“

„Es wäre gut, wenn wir wüssten, von wo genau die Giftfässer stammten“, sagte ich.

„Daran arbeiten wir“, erklärte Tom Haase.

„Insofern haben beide Fälle schon etwas miteinander zu tun, denn Martensteen hat uns bisher nicht verraten, wessen Müll er mit Hilfe der PRIDE OF EMDEN entsorgen wollte“, ergänzte Tadaeus Ulfert. „Aber das Auffinden des Brustimplantats gibt uns natürlich einen Hinweis in Richtung Bremen.“

„Fand nicht auch Henning Martinis letzter Auftragsmord in der Nähe von Bremen statt?“, fragte ich an Tadaeus gerichtet.

Unser Kollege nickte. „Das stimmt.“


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