Читать книгу 7 Kriminalromane für lange Dezember-Nächte - A. F. Morland - Страница 70
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Als Suzy mittags vom Einkaufen zurückkam, war ihr Vater schon nicht mehr zu Hause. Ohne eine Nachricht zu hinterlassen, war er verschwunden. Am Spätnachmittag hatte sie seinen Nervenarzt angerufen und verlangt, dass der Arzt ihren Vater in die Psychiatrie einwies.
Mehr als ein paar floskelhafte Ratschläge kamen bei dem Gespräch mit dem Arzt nicht heraus: Sie solle darauf achten, dass ihr Vater seine Medikamente nehme, solle Stress von ihm fernhalten und in der Praxis vorbeischauen, wenn es nicht besser würde.
Suzy war verzweifelt. Sie hatte vor zwei Jahren erlebt, was geschehen konnte, wenn ihr Vater die Tabletten eigenmächtig absetzte. Damals hatte der alte O’Brian in einer Bar randaliert. Er hatte an der Theke gesessen und den Wirt und einige Gäste mit Namen und Diensträngen von gefallenen Soldaten bedacht. Er brüllte Befehle warf sich auf den Boden, robbte unter Tischen und tat, als befände er sich mitten im Dschungelkampf gegen den Vietcong.
Als der Wirt ihn auf die Straße setzen wollte, schlug er um sich. Mit einem zerbrochenen Glas griff er zwei Jugendliche an und verletzte einen. Erst mit Hilfe der herbeigerufenen Cops konnte er gebändigt werden und wurde in eine Nervenklinik eingeliefert.
Suzy machte sich nichts vor: Ihr Vater war eine lebende Zeitbombe. Und er war es eigentlich schon gewesen, bevor die Katastrophe über die Familie O’Brian hereingebrochen war. Die Vergewaltigung, der Prozess, der Tod von Suzys Mutter - all das hatte seine schon seit dem Krieg ruinierte Psyche endgültig zusammenbrechen lassen. Hatte die Bombe scharf gemacht. Die Bombe des Hasses, die seit diesem furchtbaren Krieg in ihm tickte. Wenn sie explodierte, würde es die nächste Katastrophe geben. Und Suzy wusste: Ein paar Tage ohne die starken Medikamente, und die Bombe würde explodieren.
Es wurde schon dunkel vor den Fenstern, als das Telefon klingelte. Suzy stand vor der Kommode, starrte den Apparat an und zögerte. „Vielleicht war es die Polizei. Vielleicht wollte man sie über einen blutigen Amoklauf ihres Vaters informieren. Das Geläute des Telefons ließ ihre Nerven vibrieren. Endlich gab sie sich einen Ruck und nahm ab.
»Guten Abend, Suzy.« Sie erkannte die Stimme sofort - Chester Bronson. »Nicht böse sein, ich muss Ihnen noch etwas sagen.«
»Ich ... ich bin nicht böse ...« Suzy atmete tief durch. Der Kloß in ihrem Hals schwoll ab. »Was ... was wollen Sie ...?«
»Unser ... unser Treffen«, stammelte Bronson, »hat mich ... hat mich ziemlich mitgenommen ... Sie wahrscheinlich auch ...«
Suzy antwortete nicht. Sie lauschte seinen Atemzügen. Schnelle Atemzüge. Und dann die brüchige, stammelnde Stimme - der Mann schien aufgeregt zu sein.
»Ich hab nachgedacht ...« Bronson räusperte sich. »Über das, was Sie gesagt haben. Sie haben recht, Suzy - ich muss bezahlen. Ich war heute bei meinem Chef und hab ihm alles erzählt ...«
»Was haben Sie getan?« Suzy glaubte nicht richtig zu hören.
»Der Captain wollte nichts davon wissen. Ich solle den Mund halten und über die Sache schweigen. Aber ich will für das büßen, was ich getan habe. Ich will meinen Teil der Verantwortung übernehmen. Seit ich gestern mit Ihnen gesprochen habe, Suzy ... seit ich in Ihre traurigen Augen geschaut habe, weiß ich, dass Gott genau das von mir will. Notfalls gehe ich zum Deputy Inspector. Oder zu dem Richter, der uns damals freigesprochen hat.«
Suzy schluckte. Sie wusste nicht, was Sie sagen sollte. Einige Sekunden lang schwiegen sie.
»Sind Sie noch dran, Suzy?«
»Ja, ja ...«
»Darf ich Sie noch etwas fragen?«
»Ja ...«
»Ich würde gern ... Ich meine ... Könnte ich Sie noch einmal sehen?«
Erst hätte sie spontan ja gesagt. Etwas hielt sie ab. Der Gedanke an ihren Vater.
»Mein Dad ...«, sagte sie. »Mein Dad würde Sie umbringen, wenn er davon erfährt ...«