Читать книгу Dicke morden erstaunlich schnell Berlin 1968 Kriminalroman Band 51 - A. F. Morland - Страница 6
Оглавление2
Carlo Winter lag auf der Lauer. Er hatte sich einen feinen Job ausgesucht. Es gefiel ihm, mit einem Minimum an Arbeit ein Maximum an Geld aus seiner Tätigkeit herauszuholen.
Einbruch war seine Spezialität. Seit Jahren schon. Er lebte nicht schlecht davon, doch den großen Fischzug hatte er noch nicht getan.
Diesmal erwartete er sich mehr. Immerhin war der Mann, auf dessen Eigentum er es abgesehen hatte, reich. Manfred Seeliger war Geschäftsmann – was immer das heißen mochte. Es interessierte Winter nicht, womit Seeliger sein Geld machte. Wichtig war ihm nur eines: dass genügend davon im Safe lag.
Soeben löschte Seeliger im Schlafzimmer das Licht. Winter – blond, sportlich und gutaussehend – grinste. „Schlaf gut“, sagte er leise. „Träum süß. Und morgen wirst du eine tolle Überraschung erleben.“
Der Einbrecher ließ eine halbe Stunde verstreichen. Er hatte Zeit. Dies war seine Nacht. Er hatte nichts außer diesem Einbruch vor.
Als er in dieser Branche begann, arbeitete er mit Jan Fladung, einem alten Ganoven, zusammen. Von Jan konnte man viel lernen. Jan plante seine Dinger immer bis ins kleinste Detail, und er trug immer alles bei sich, was er für den Notfall brauchte. Dass Winter seit fünf Jahren ohne Jan arbeitete, lag an dem Umstand, dass die Polizei Jan Fladung wegen einer Lappalie auf der Straße angehalten hatte. Der Kofferraum war voller Diebesgut gewesen, und es war Jan nicht gelungen, sich aus dieser unerwarteten Klemme herauszureden.
Fazit: Gefängnis für Jan Fladung. Vor einem Jahr war er von einem brutalen Zellengenossen erschlagen worden. Was für ein Ende für Jan Fladung. Obwohl er nie besonders große Dinger gedreht hatte, zählte er selbst heute noch für Carlo Winter zu den Größten.
Winter traf seine Vorbereitungen. Es war nicht einfach, in Manfred Seeligers Haus zu gelangen. Das Gebäude war nicht besonders raffiniert abgesichert, aber Seeliger besaß drei sehr scharfe Doggen, und nachts war die Tür des Zwingers immer offen.
Die beste Alarmanlage wedelt mit dem Schwanz! Davon war nicht nur Manfred Seeliger überzeugt, und die lieben Tierchen machten Winter auch einiges Kopfzerbrechen. Sie waren eine hohe Hürde. Erst wenn die genommen war, gab es kaum noch Schwierigkeiten.
Neben Winter lagen Pfeil und Bogen auf dem Boden. Der Einbrecher öffnete eine Nylontüte und entnahm ihr ein Stück rohes Fleisch. Das Beste vom Besten. Für Manfred Seeligers Hunde war ihm nichts zu teuer. Sie würden sich auf den leckeren Happen stürzen und ihn verschlingen. Pech für die Hunde, dass das Fleisch mit Blausäure behandelt war.
Winter war an und für sich ein Tierliebhaber. Aber wenn es um die Ausführung eines Plans ging, konnte er auf die Doggen keine Rücksicht nehmen.
Er spießte das Fleisch auf die Pfeilspitze. Tagelang hatte er geübt, was nun kam, und er hatte eine Zielsicherheit erreicht, mit der er fast im Zirkus hätte auftreten können.
Der Wind strich auf ihn zu. Das war günstig. Dadurch konnten die Hunde ihn nicht wittern.
Winter legte den Pfeil auf die Sehne. Er richtete sich auf und zog den Bogen aus. Er nahm sich viel Zeit. Als er sicher sein konnte, dass der Pfeil direkt im Zwinger landen würde, ließ er die Sehne los. Es summte leise, und Winter vermeinte auch ein kaum wahrnehmbares Zischen zu hören. Der Pfeil war unterwegs.
Und dann schlug er vor den Hunden auf.
Die Doggen zuckten erschrocken hoch. Knurrend näherte sich ein Tier vorsichtig dem Fleisch. Es leckte daran. Der zweite und der dritte Hund wollten nicht leer ausgehen. Sie schlugen alle ihre Reißzähne in das rohe Fleisch und zerfetzten es.
Winter schluckte trocken. Er stellte sich vor, dass die Hunde es mit ihm genauso gemacht hätten, wenn er sich zu früh auf das Grundstück gewagt hätte. Das Gift wirkte rasch. Ein letztes dünnes Winseln drang durch die Nacht, dann herrschte Stille.
Winter gab noch fünf Minuten zu. Sicher ist sicher, sagte er sich.
Dann überkletterte er mit Sack und Pack den Zaun, und kein scharfer Hund war mehr in der Lage, ihn in Stücke zu reißen. Jedes Problem ließ sich lösen. Man musste nur wissen, wie.
Er eilte am Zwinger vorbei. Die toten Doggen sahen aus wie schwarze Flecken auf dem hellen Grau des Betons. Vier Stufen führten zur Terrasse hinauf. Winter trug Schuhe mit Kreppsohlen. Keiner seiner Schritte konnte im Haus gehört werden.
Manfred Seeliger schlief bestimmt schon fest, im Vertrauen darauf, dass die Hunde aufmerksam über seinen Schlaf wachen würden.
Winter erreichte die Terrassentür. Er kramte in seiner schwarzen Umhängetasche herum, setzte einen Gummisauger an das Glas, nahm den Diamantschneider zur Hand, ritzte die Scheibe und hob vorsichtig ein kreisrundes Stück davon heraus. Durch das Loch schob er die Hand. Augenblicke später schwang die Tür auf. Sie ächzte leise, hätte mal ein paar Tropfen Öl vertragen.
Der Einbrecher glitt in die Dunkelheit des Raumes. Er wusste, wie es hier drin aussah. Er hatte sich in den vergangenen Tagen mehrmals in der Nähe herumgetrieben und Seeliger in seinem Haus mit dem Fernglas beobachtet. Rechts stand der Hi-Fi-Turm. Daneben der Fernsehapparat.
Hausbar. Speisetisch – oval, mit sechs Stühlen darum herum.
Und durch die Tür, auf die Winter in diesem Moment zu schlich, gelangte man in Seeligers Schlafzimmer. Winter erreichte die Tür. Er legte sein Ohr auf das Holz und lauschte mit angehaltenem Atem. Dahinter herrschte vollkommene Ruhe. Der Einbrecher drückte behutsam die Klinke herunter. Die Tür ließ sich öffnen. Winter öffnete sie nur einen Spaltbreit. Lautlos wie ein körperloser Schatten glitt er hinein. Er vernahm die regelmäßigen Atemzüge des Hausbesitzers.
Manfred Seeliger schlief in einem breiten französischen Bett. Er lag nicht in der Mitte, sondern auf der linken Seite, als hielte er einen Platz für eine zweite Person frei. Das Mondlicht fiel auf die weiche Damastdecke und zeichnete bizarre Schatten darauf.
Schritt für Schritt näherte sich Carlo Winter dem Bett.
Der Parkettboden knarrte. Winter blieb sofort stehen. Manfred Seeliger bewegte sich. Er drehte sich auf die andere Seite, seufzte und schmatzte.
Winter wusste, dass sich in Seeligers Nachttischschublade ein geladener Revolver befand. Der Geschäftsmann durfte unter keinen Umständen an die Waffe gelangen.
Winter erreichte das Bett.
Wieder kramte er in seiner Tragtasche herum. Er entnahm ihr einen Wattebausch und ein kleines Fläschchen, in dem sich eine glasklare Flüssigkeit befand. Vorsichtig entkorkte er das Fläschchen. Sofort strömte süßlicher Geruch aus. Die Flüssigkeit sickerte in die Watte. Als der Bausch vollgesogen war, beugte sich Carlo Winter langsam über den Schlafenden und presste ihm die chloroformierte Watte blitzschnell auf Mund und Nase.
Manfred Seeliger riss erschrocken die Augen auf. Er wollte sich verdattert aufsetzen, doch Winter ließ es nicht zu. Er drückte dem Mann die linke Hand auf die Brust. Manfred Seeliger schlug um sich. Er begriff, was mit ihm geschehen sollte, und hielt den Atem an. Aber ewig konnte er das nicht tun. Einmal würde er wieder atmen müssen.
Winter kniete sich auf Seeligers rechten Arm. Der Mann wollte sich die Watte vom Gesicht reißen. Winter verhinderte es.
Und dann atmete Seeliger wieder.
Mit jedem Zug pumpte er Chloroform in seine Lunge. Er erschlaffte. Winter drückte die Watte noch eine Minute länger auf das Gesicht des Geschäftsmannes. Dann ließ er von Manfred Seeliger ab. Jetzt konnte der Coup nur noch ein voller Erfolg werden. Niemand würde Carlo Winter daran hindern, den Safe, der sich in diesem Haus befand, zu knacken.
Der Einbrecher verließ das Schlafzimmer. Er suchte Seeligers Arbeitszimmer auf, zog die schweren weinroten Übergardinen zu und machte Licht. Der Safe war ein altes klotziges Ding. Ein Panzerschrank alter Güteklasse. Seit Generationen stand er hier, und kein Ganove hatte in all der Zeit versucht, ihn aufzukriegen. Deshalb hatte Manfred Seeliger auch keinen Grund gesehen, ihn durch einen neuen, modernen Safe zu ersetzen.
Winter versuchte sich kurz an der Zahlenkombination, hatte damit aber kein Glück. Das wäre ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein.
Aber es gab auch noch andere Möglichkeiten, einen Safe aufzukriegen.
Mit Nitroglyzerin zum Beispiel.
Winter trug alles bei sich, wie er es von Jan Fladung gelernt hatte.
Er bohrte mit seiner eigenen Bohrmaschine sieben Löcher in die dicke Stahltür. Leise brauchte er nun nicht mehr zu sein. Die Doggen lebten nicht mehr, und Manfred Seeliger würde noch lange im Aus bleiben.
Vorsichtig träufelte Winter das Nitroglyzerin in die Löcher, brachte Drähte an und verkittete die Öffnungen, und kurz darauf gab es einen dumpfen Knall, der die Stahltür aufriss. Ein zufriedenes Grinsen huschte über Winter‘ Züge. Geschafft.
Er schwenkte die Stahltür zur Seite und plünderte den Safe gründlich. Nichts blieb in den Fächern. Banknoten, Schmuck und Papiere – alles verschwand in Carlo Winters aufnahmefähiger Tasche.
Danach verließ der Einbrecher das Haus, ohne noch einmal nach Manfred Seeliger zu sehen.