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Оглавление1. Teil Einleitung › C. Sachenrechtsgrundsätze
C. Sachenrechtsgrundsätze
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Da die dingliche Rechtslage von jedermann zu beachten ist, ist es das Ziel des Sachenrechts, ein Höchstmaß an Rechtssicherheit zu gewährleisten. Diesem Ziel dienen die nachstehenden Grundsätze des Sachenrechts.
1. Teil Einleitung › C. Sachenrechtsgrundsätze › I. Numerus clausus der Sachenrechte und Typenzwang
I. Numerus clausus der Sachenrechte und Typenzwang
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Die dinglichen Rechte sind durch das Gesetz auf bestimmte Typen beschränkt. Das Gesetz enthält daher eine enumerative Aufzählung der dinglichen Rechte.
Unter dem sachenrechtlichen numerus clausus versteht man das Prinzip, dass die im Sachenrecht möglichen Berechtigungen abschließend im Gesetz fixiert sind. Es können daher keine neuen sachenrechtlichen Berechtigungen vereinbart werden, die das Gesetz nicht kennt.
Anders als im Schuldrecht herrscht also im Sachenrecht keine Vertragsfreiheit.[1]
Der sachenrechtliche Typenzwang bedeutet, dass die Parteien an den gesetzlich niedergelegten Inhalt des dinglichen Rechts gebunden sind.[2]
Beispiel
Brauerei B vereinbart mit dem Gastwirt G, dass dieser nur das Bier der B auf seinem Grundstück verkaufen darf. Wie lässt sich diese Verpflichtung des G sachenrechtlich in zulässiger Weise absichern?
In Betracht kommt die Absicherung durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1090. Danach kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass derjenige zu dessen Gunsten die Belastung besteht, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein kann. § 1090 Abs. 1 verweist damit auf § 1018. Danach kann Gegenstand der Belastung auch sein, dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen.
Damit ist i.S. des sachenrechtlichen Typenzwanges umschrieben, was zulässiger Inhalt dieser dinglichen Belastung sein kann: Das Verbot, Getränke schlechthin oder alkoholische Getränke oder auch nur Bier auf einem Grundstück zu lagern oder zu vertreiben, kann nach ständiger Rechtsprechung zum Inhalt einer Dienstbarkeit gemacht werden.[3] Schuldrechtlich kann die B dann mit G vereinbaren, dass sie ihm, in Abweichung von der dinglichen Belastung, gestattet, ihre Produkte auf dem Grundstück zu vertreiben.
Unzulässiger Inhalt einer Dienstbarkeit, und damit ein Verstoß gegen den Typenzwang, wäre eine Bezugsbindung, also das Verbot, auf dem Grundstück andere Biere als die einer bestimmten Brauerei zu verkaufen; denn das Recht zur freien Auswahl des Warenlieferanten ist kein Ausfluss des Eigentumsrechts am Grundstück, sondern der allgemeinen Handlungs- und unternehmerischen Betätigungsfreiheit.[4]
Hinweis
Den numerus clausus der dinglichen Rechte können Sie sich problemlos durch folgenden Merkspruch im Gedächtnis verankern:
Eier, die grundlos vor Rehen hypfen
(letzteres ausnahmsweise mit „y“ geschrieben; Erklärung s.u.):
Ei | = | Eigentum (§§ 903 ff.) und Wohnungseigentum nach dem WEG (Schönfelder Nr. 37) |
er | = | Erbbaurecht nach dem ErbbaurechtsG (Schönfelder Nr. 41) |
die | = | Dienstbarkeiten (§§ 1018–1093) |
grundlos | = | Grundschuld, Rentenschuld, §§ 1191–1203) |
vor | = | Vorkaufsrecht (dingliches Vorkaufsrecht, §§ 1094–1104) |
Rehen | = | Reallasten (§§ 1105–1112) |
hypfen | = | Hypothek (§§ 1113–1190) und Pfandrecht (§§ 1204–1294) |
1. Teil Einleitung › C. Sachenrechtsgrundsätze › II. Grundsatz der Absolutheit
II. Grundsatz der Absolutheit
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Der Grundsatz der Absolutheit bedeutet, dass die dinglichen Rechte jedermann gegenüber wirken. Praktisch bedeutet der Grundsatz einen umfassenden Rechtsschutz.[5] Dagegen wirken schuldrechtliche Verträge grundsätzlich nur zwischen den Vertragsbeteiligten (Grundsatz der Relativität schuldrechtlicher Beziehungen).
1. Teil Einleitung › C. Sachenrechtsgrundsätze › III. Der Publizitätsgrundsatz
III. Der Publizitätsgrundsatz
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Dem absoluten Charakter der dinglichen Rechte entspricht das Streben des Sachenrechts nach deutlicher Erkennbarkeit der dinglichen Rechtslage und ihrer Veränderung auch für unbeteiligte Dritte. Die Schuldverhältnisse, die nur zwischen den betreffenden Partnern bestehen und auch nur diese angehen, brauchen dagegen nicht nach außen in Erscheinung zu treten.
Die dinglichen Rechte aber, die jedermann zu respektieren hat, müssen auch für jedermann erkennbar sein. Es gilt daher im Sachenrecht das Publizitätsprinzip. Erkennbar nach außen wirkt bei beweglichen Sachen der Besitz, bei Grundstücken und bei Rechten an Grundstücken ein öffentliches Register, das Grundbuch.
Die Veränderungen der dinglichen Rechtslage erfordern daher bei beweglichen Sachen regelmäßig die Übertragung des Besitzes (zu den Ausnahmen später), bei Grundstücken die Eintragung. Hierdurch soll der Erfolg der vorgenommenen dinglichen Verfügung offenkundig gemacht werden.
1. Teil Einleitung › C. Sachenrechtsgrundsätze › IV. Der Bestimmtheitsgrundsatz
IV. Der Bestimmtheitsgrundsatz
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Der für alle Verfügungsgeschäfte geltende Bestimmtheitsgrundsatz besagt, dass eine Einigung über eine Verfügung nur dann wirksam ist, wenn der Gegenstand, an dem die Rechtsänderung eintreten soll, spätestens im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtsänderung allein aus dem Inhalt der Einigung bestimmt werden kann.
Die dinglichen Rechtsgeschäfte müssen sich daher immer auf bestimmte individualisierte Sachen beziehen. Niemand kann Eigentümer noch nicht individuell bestimmter Sachen sein. Ein Herrschaftsrecht über nur vorgestellte, nicht konkret vorhandene Sachen ist undenkbar.
JURIQ-Klausurtipp
Zu erörtern ist dieses Problem regelmäßig bei der Sicherungsübereignung von Sachgesamtheiten. Derartige Übereignungen erfolgen normalerweise nach §§ 929, 930, 868 (Bitte lesen).
Beispiel
Kaufmann S vereinbart mit seinem Gläubiger G am 11.10., dass er ihm sämtliche im Moment der Übereignung in seinem Warenlager befindlichen Waren zur Absicherung einer Darlehensforderung des G übereignet. Die nach § 929 S. 1 zur Übereignung an sich erforderliche Übergabe wird nach § 930 dadurch ersetzt, dass S den Besitz an diesen Waren bis auf weiteres für G als Entleiher behalten soll (vgl. § 868).
Hier entspricht die sachenrechtliche Einigung nach § 929 noch dem Bestimmtheitsgrundsatz, obwohl die Parteien die zu übereignenden Waren nicht einzeln bezeichnet haben. Jeder beliebige Dritte könnte nämlich zu diesem Zeitpunkt allein anhand der Vereinbarung im Warenlager des S die Waren bestimmen, auf die sich die Einigung bezieht.[6]
Gegenbeispiel
S vereinbart mit G, dass er ihm sämtliche Waren, die sich am 11.10. zum Zeitpunkt der Übereignung in seinem Warenlager befinden übereignet, „soweit sie ihm gehören“. Hier wäre die sachenrechtliche Einigung wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz unwirksam, weil ein Dritter, der mit der Vereinbarung in der Hand am 11.10. das Warenlager des S betritt, nicht sehen kann, welche der Waren dem S gehören.
Schuldrechtlich sind dagegen Verpflichtungen, die sich nur auf der Gattung nach bezeichnete Sachen beziehen, gem. § 243 möglich. Im Schuldrecht gilt der Bestimmbarkeitsgrundsatz.
1. Teil Einleitung › C. Sachenrechtsgrundsätze › V. Die Abstraktheit der dinglichen Rechtsgeschäfte
V. Die Abstraktheit der dinglichen Rechtsgeschäfte
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Dingliche Rechtsgeschäfte sind abstrakt. Abstrakte Rechtsgeschäfte lassen nach ihrem Inhalt nicht erkennen, warum sie vorgenommen worden sind. So erschöpft sich z.B. der Inhalt eines Übereignungsvertrags nach § 929 in der Erklärung der Parteien, dass das Eigentum auf den Erwerber übertragen werden soll (sog. sachenrechtlicher Minimalkonsens). Der Grund, warum das geschieht, ist den Parteien zwar bekannt, ist aber nicht Inhalt des Übereignungsvertrages. Daher werden solche Rechtsgeschäfte als abstrakt bezeichnet. Dies ist auch der dogmatische Grund dafür, dass solche Rechtsgeschäfte für ihre bereicherungsrechtliche Beständigkeit einen äußeren Rechtsgrund (z.B. einen Kaufvertrag) benötigen, aber dennoch auch ohne einen solchen zunächst einmal wirksam sind.
Abstrakte Rechtsgeschäfte gibt es übrigens nicht nur im Sachenrecht. Ein abstraktes Verpflichtungsgeschäft ist z.B. auch das (im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte – die §§ 780, 781 sind nur Formvorschriften –, doch nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit zulässige) „abstrakt konstitutive Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis“ (§ 311 Abs. 1).
Beispiel
A wird vom Ladendetektiv D bei einem Ladendiebstahl im Geschäft des B erwischt. A, der nicht möchte dass die Polizei eingeschaltet wird, erklärt auf Verlangen des D schriftlich: „Ich verpflichte mich, an B 100 € zu zahlen“. Auch bei diesem Rechtsgeschäft ist der Grund, warum A 100 € an B zahlen will aus dem Inhalt der Erklärung des A nicht erkennbar. Es handelt sich also um ein abstraktes Rechtsgeschäft.[7] Kann A später nachweisen, dass B nichts von ihm verlangen konnte, so ist sein Schuldanerkenntnis zwar trotzdem wirksam (Abstraktionsprinzip), jedoch kann A es nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 wieder heraus verlangen (vgl. § 812 Abs. 2) und nach § 821 die Leistung verweigern.