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2. Teil Erwerb des Besitzes › A. Erwerb des unmittelbaren Besitzes

A. Erwerb des unmittelbaren Besitzes

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Unmittelbarer Besitzer i.S.v. § 854 ist, wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt.

Für den Besitz ist die tatsächliche Sachherrschaft kennzeichnend. Wann eine solche vorliegt, richtet sich nach der Verkehrsauffassung (h.L.).[1] Dabei ist eine räumliche Beziehung zur Sache und eine gewisse Dauer dieser Sachbeziehung erforderlich.

Beispiel

A wird nicht dadurch zum Besitzer der Ware in einer Einkaufstasche des B, dass B ihn bittet, diese kurz zu halten, während er an der Kasse bezahlt.

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Andererseits führt eine vorübergehende Lockerung der Ausübung der tatsächlichen Gewalt nicht zum Besitzverlust.

Beispiel

A, der in Nürnberg wohnt, ist Besitzer des von ihm gepachteten Schrebergartens, auch wenn er sich zur Zeit nicht darin aufhält. B bleibt Besitzer seines Fahrrads, auch wenn er es während der Vorlesung vor der Uni abgestellt hat (vgl. § 856 Abs. 2).

Unerheblich ist, ob ein Recht zum Besitz besteht. Auch der Dieb einer Sache ist Besitzer.

Besitz ist aber nur an einer Sache möglich. So ist z.B. der Inhaber eines Patents nicht dessen „Besitzer“.

Für den Erwerb des unmittelbaren Besitzes bestehen drei Möglichkeiten:

2. Teil Erwerb des BesitzesA. Erwerb des unmittelbaren Besitzes › I. Originärer Erwerb des unmittelbaren Besitzes

I. Originärer Erwerb des unmittelbaren Besitzes

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Originärer Erwerb des unmittelbaren Besitzes

I. Erlangung der tatsächlichen Gewalt über eine Sache

II. Besitzbegründungswille

Nach § 854 Abs. 1 wird „der Besitz einer Sache durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben“. Es kommt also nicht auf den Übertragungswillen des bisherigen Besitzers an. Der Besitz kann also sowohl ohne dessen Willen („originär“) oder mit dessen Willen („abgeleitet“) erworben werden. Für beide Fälle gilt § 854 Abs. 1.

Für den originären Besitzerwerb ist die Erlangung der tatsächlichen Gewalt, und nach h.M.[2] daneben ein Besitzbegründungswille erforderlich. Zu beachten ist aber: Der Besitzerwerb ist kein Rechtsgeschäft, sondern ein Realakt. Infolgedessen sind die §§ 105 ff., 119 ff., 164 ff. nicht anwendbar.[3]

Beispiel

Das 6-jährige Kind K findet einen Geldbeutel. Hier erlangt K unmittelbaren Besitz an dem Geldbeutel. Wesentlich ist zur Besitzerlangung, dass die Erlangung des Besitzes nach außen erkennbar ist. Der natürliche Besitzerwerbswille, den auch ein Kind haben kann, reicht aus. Geschäftsfähigkeit ist nicht erforderlich.

2. Teil Erwerb des BesitzesA. Erwerb des unmittelbaren Besitzes › II. Abgeleiteter Erwerb des unmittelbaren Besitzes

II. Abgeleiteter Erwerb des unmittelbaren Besitzes

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Der abgeleitete Besitz ist der gesetzliche Normalfall. Hier erlangt der neue Besitzer den Besitz vom bisherigen Besitzer. Auch diese Form des Besitzerwerbs fällt unter § 854 Abs. 1.

Soll der Besitzerwerb fehlerfrei (sonst § 858 Abs. 1) sein, muss zur Erlangung der tatsächlichen Gewalt noch der „Abgabewille“ des bisherigen Besitzers und der „Erwerbswille“ des Erwerbers treten. Auch hier liegt kein rechtsgeschäftliches Handeln vor. Ausreichend ist ein genereller Besitzbegründungswille.

Beispiel

A wirft die Geldkasse in den Nachttresor einer Bank ein. Hier überträgt A der Bank den unmittelbaren Besitz, da ein genereller Wille der Bank, den Besitz an dem Geld auszuüben, vorliegt.

Hinweis

Fehlt der Abgabewille des bisherigen Besitzers, so hat dies folgende Konsequenzen: Der erlangte Besitz ist dann i.d.R. „fehlerhaft“ i.S.v. § 858 Abs. 2, mit der Folge, dass dem früheren Besitzer ein Herausgabeanspruch aus § 861 zusteht. Die Sache kommt dem bisherigen Besitzer abhanden, was einen gutgläubigen Erwerb Dritter grundsätzlich ausschließt, vgl. § 935 Abs. 1. Der einseitig, ohne den Willen des bisherigen Besitzers erlangte Besitz ist keine „Übergabe“ i.S.v. § 929 S. 1.

2. Teil Erwerb des BesitzesA. Erwerb des unmittelbaren Besitzes › III. Abgeleiteter Besitzerwerb durch bloße Einigung, § 854 Abs. 2

III. Abgeleiteter Besitzerwerb durch bloße Einigung, § 854 Abs. 2

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Abgeleiteter Besitzerwerb durch bloße Einigung

I. Erwerber ist in der Lage, die tatsächliche Gewalt über die Sache auszuüben

II. Einigung über den Besitzübergang

Nach § 854 Abs. 2 reicht die Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers für die Besitzübertragung aus, wenn der Erwerber in der Lage ist, die tatsächliche Gewalt über die Sache auszuüben.

Diese Einigung ist ein Rechtsgeschäft, also finden hier die Regeln über Rechtsgeschäfte Anwendung. Ein Minderjähriger kann daher, ohne die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters den Besitz nicht nach § 854 Abs. 2 übertragen.[4]

Der Übertragende muss Besitzer sein, der Erwerber muss in der Lage sein, die tatsächliche Gewalt auszuüben und die Parteien müssen sich über den Besitzerwerb einig sein.

Beispiel

V verkauft einen Stapel Holz im Wald an K. Ist der Besitz auf K übergegangen, wenn V dem K den „Holzzettel“ übergibt?

Hier liegt in der Einigung über den Eigentumsübergang auch die über den Besitzübergang vor, wenn V dem K die sofortige Abfuhr des Holzes gestattet und ihm den „Holzzettel“ übergibt.

JURIQ-Klausurtipp

Ein gutgläubiger Besitzerwerb nach § 854 Abs. 2 von einem Nichtbesitzer ist nicht möglich.[5]

2. Teil Erwerb des BesitzesA. Erwerb des unmittelbaren Besitzes › IV. Besitz bei Einschaltung eines Besitzdieners, § 855

IV. Besitz bei Einschaltung eines Besitzdieners, § 855

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Nach § 855 ist Besitzdiener, wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache aufgrund eines sozialen Abhängigkeitsverhältnisses ausübt. Der Besitzdiener ist zwar Gewahrsamsinhaber, aber nicht Besitzer.

JURIQ-Klausurtipp

Ansprüche, welche „Besitz“ des Anspruchsgegners voraussetzen, wie z.B. §§ 985, 861, 1007, sind nicht gegen den Besitzdiener zu richten, sondern gegen den Besitzherrn.

2. Teil Erwerb des BesitzesA. Erwerb des unmittelbaren Besitzes › V. Fingierter Erbenbesitz, § 857

V. Fingierter Erbenbesitz, § 857

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Nach § 857 geht der Besitz eines Verstorbenen mit dem Tode des Erblassers, auch ohne tatsächliche Besitzergreifung, auf den Erben über. In diesem Falle ist der Erbe als fingierter Besitzer z.B. Gegner eines Herausgabeanspruchs aus § 985. Der Erbe erwirbt den Besitz in der Form, wie ihn der Erblasser inne hatte. Ein Besitzerwerbswille des Erben ist nicht erforderlich.

Beispiel

War der Erblasser also unmittelbarer Besitzer, so wird es der Erbe auch. War der Erblasser mittelbarer Besitzer, so ist es nunmehr der Erbe. War der Erblasser fehlerhafter Besitzer i.S.v. § 858 Abs. 2 S. 1, so ist jetzt der Erbe fehlerhafter Besitzer (vgl. § 858 Abs. 2 S. 2 Alt. 1) und kann daher Anspruchsgegner eines Herausgabeanspruchs aus § 861 sein.

Sachenrecht II

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