Читать книгу Mord aus heiterem Himmel - Achim Kaul - Страница 6
4. Kapitel
Оглавление»Nicht dahin!«, sagte Ferdinand Alba zu Melzick, die sich gerade etwas außer Atem auf einen kleinen Hocker setzen wollte, der aussah wie eine Kreuzung aus Buschtrommel und Klavierstuhl. »Der hält Sie nicht aus. Ist auch eher als Tisch gedacht. Nehmen Sie das dort.« Gleichgültig ließ sie sich auf einem schmalen Brett, das längs an der Wand angebracht war, nieder und schaute sich um. Das Baumhaus bestand aus zwei übereinander angebrachten Räumen. Der Untere, Größere, in dem sie sich befanden, war eine Art Wohnraum. Außer dem Brett, auf dem Melzick saß, gab es eine große Anzahl von Regalbrettern, die mit unzähligen vergilbten und zerfledderten Taschenbüchern gefüllt waren. In der Mitte stand der Hocker, auf den sie sich beinahe gesetzt hatte. In einer Ecke war ein Sitzsack platziert, wie sie in den siebziger Jahren beliebt gewesen waren, in dem für damals typischen Orange. Auf diesen ließ Alba sich nun fallen. Auch ihn hatte der Aufstieg angestrengt. In zwei Wänden war je ein quadratisches Fenster ausgespart. Auf dem Fußboden lag ein Sisalteppich. Rund um die niedrige Eingangstür waren mit Reißzwecken alte Schwarzweißfotos, zum Teil noch mit weiß gezacktem Rand, befestigt. Über die Strickleiter gelangte man auf einen schmalen Sims, der sich rund um die vier Wände hinzog. An einer Außenwand waren Vierkanthölzer als Stufen montiert, über die man den oberen Raum erreichte. Was Melzick nicht sehen konnte: Dort war ein Atelier eingerichtet. Fenster in allen Wänden sowie eine gläserne Lichtluke im Dach. Ein alter Rattantisch, übersät mit rostigen Konservendosen, in denen sich hunderte von Pinseln mit farbverschmierten Griffen von ihrer Arbeit ausruhten. An den Wänden wenig Leinwand. Der Boden »Jackson-Pollock«-mäßig gesprenkelt. Terpentin- und Ölfarbenduft in der staubigen, grünschimmernden Luft. Mitten im Raum eine alte Staffelei, die schon viel ertragen hatte, und die aktuell einer unbefleckten Leinwand Halt und Sicherheit gab.
»Was sind das für Fotos?«, fragte Melzick.
»Die hab’ ich von meinem Großvater«. Sie stand auf und ging näher heran.
»Wer ist die Frau?« Sie hatte festgestellt, dass praktisch auf jedem Bild dieselbe Person zu sehen war.
»Ich weiß es nicht. Niemand weiß es. Zumindest habe ich keinen gefunden, der es mir sagen könnte.« Sie betrachtete die Bilder genauer. Sie mussten über einen längeren Zeitraum hinweg aufgenommen worden sein.
»Ihr Großvater muss sich sehr für sie interessiert haben. Warum haben Sie die hier aufgehängt?«
»Keine Ahnung«, sagte er. »Ungewöhnlich helle Augen«, dachte er bei sich. »Blasses Coelinblau«.
»Die müssen ziemlich alt sein«, sagte sie.
»Keine Ahnung«, sagte er. »Vielleicht noch ein Spritzer Indigo, aber ganz wenig«, dachte er, »für die Schatten in der Iris«. Er bemerkte, wie sie ihn anstarrte und versuchte, sich auf eine vernünftige Antwort zu konzentrieren.
»Fünfziger Jahre schätze ich. Ist aber nicht wichtig. Ich meine – mir ist es egal. Das Licht – ich finde das Licht auf alten Schwarzweißfotos sehr schön. Nicht auf allen natürlich. Eigentlich sind es nur wenige. Man findet es selten. Auf denen da ist es gut zu erkennen. Die alten Momente leuchten auf, finde ich. Man kommt ganz leicht hinein in die Bilder. Ich bin da gerne. Deswegen …, sicher habe ich sie aus diesem Grund da aufgehängt. Ich …, ach was rede ich denn da wieder für einen sentimentalen Schwachsinn.« Er warf beide Hände in die Luft. Melzick hatte sich wieder gesetzt.
»Wie haben Sie den Professor kennen gelernt?« Er schaute nervös an die Decke.
»Wollen Sie eigentlich etwas trinken? Ich habe Ihnen ja noch gar nichts angeboten.«
»Was haben Sie denn hier draußen?«, fragte sie skeptisch. Statt einer Antwort schwang er sich aus seinem bequemen Sitzmöbel in die Höhe, verschwand durch die schmale Öffnung des Eingangs und kletterte an der Außenwand auf den Holzstufen nach oben in sein Atelier. Sie war drauf und dran, ihm zu folgen, überlegte es sich aber anders und blieb sitzen. Von draußen klang heftiges Blätterrauschen herein, ein Wind war aufgekommen. Sie fragte sich, ob er hier oben auch übernachtete. Und wie es sich wohl anfühlen mochte, nachts bei Sturm und Regen, fünfzehn Meter über dem Waldboden in einer schwankenden Hütte zu schlafen. Der Gedanke begann ihr zu gefallen. Alba kam nach einigen Minuten zurück mit einer dampfenden Thermoskanne Kaffee und zwei blauen Keramikbechern.
»Solarzellen?«, fragte sie. Er nickte.
»Für die Kaffeemaschine reicht es aus«, sagte er und schenkte ein.
»Ich sehe keine Lampen.«
»Natürlich nicht. Elektrisches Licht im Wald – das geht ja gar nicht. Dafür hab’ ich Kerzen«, sagte er und streckte ihr einen vollen Becher entgegen. Dann setzte er sich mit seinem Kaffee wieder in seine Ecke.
»Verstehe«. Sie versuchte einen Schluck und verbrannte sich die Zunge. »Also – wie haben Sie Professor Mindelburg kennen gelernt?« Er nippte vorsichtig an seiner Tasse und ließ sich Zeit mit der Antwort. Sie zog ebenso genervt wie auffordernd die Augenbrauen in die Höhe. Ihre Zungenspitze fühlte sich ganz rau an und brannte.
»Er hat mir geholfen.«
»Wobei?«
»Er hat ein paar meiner Bilder gekauft. Außerdem kennt er die richtigen Leute in dem Metier. Kannte.« Er schüttelte den Kopf bei dem Gedanken an seinen toten Gönner.
»Wie war das heute Morgen, als Sie ihn fanden?« Er stellte seinen Becher ab und verschränkte die Arme.
»Das war absolut strange. Wenn ich mir vorstelle, dass ich da meine Übungen machte und ihn dabei im Blickfeld hatte. Die ganze Zeit. Die ganze Zeit liegt der tote Professor praktisch vor mir. Aber ich konnte es nicht erkennen. Er lag ja da wie ein dicker Ast.«
»Was für Übungen?«
»Qi Gong, die acht edlen Übungen. Schon mal davon gehört?« Sie nickte.
»Aber irgendetwas hat Sie veranlasst, zu ihm hin zu gehen?« Er musterte ihre hennarote Haarkonstruktion.
»Muss wohl so gewesen sein. Irgendwas kam mir komisch vor.«
»Haben Sie vorher irgendjemanden bemerkt, einen Spaziergänger oder Radfahrer? Haben Sie vielleicht etwas gehört?« Er griff sich an die Nase und überlegte, dann schüttelte er den Kopf.
»Gesehen habe ich keinen. Gehört? Ich kann mich nicht mehr – oh, warten Sie.« Er schaute sie an und runzelte die Stirn. »Etwas hat gefaucht.«
»Wie – gefaucht?«
»Na gefaucht eben. Ich kann’s nicht anders beschreiben.«
»Wann haben Sie das gehört?«
»Als ich mit den Übungen anfing, glaube ich. Ja – da bin ich ziemlich sicher.«
»Und wann war das etwa?«
»Ich fange meist um sechs Uhr an. Heute war es wohl ein paar Minuten später. Nach etwa vierzig Minuten bin ich fertig.«
»Und dieses Geräusch kam von wo?«
»Von irgendwo aus den Bäumen.«
»Aus den Bäumen? Also von oben?«
»Ja, von oben, tatsächlich.« Melzick dachte nach, während sie noch einen vorsichtigen Schluck aus ihrem Becher nahm.
»Sie haben vorhin gesagt, der Professor habe die richtigen Leute aus dem Metier gekannt. Was meinen Sie damit? Was für Leute?«
»Hauptsächlich Sammler, Galeristen, Kunsthändler.«
»Reiche Leute?«
»Da können Sie Gift drauf nehmen.«
»Schwierige Leute?«
»Das weiß ich nicht. Aber in diesen Kreisen kreisen schon ein paar exotische Vögel herum.«
»Jemand dabei, der dem Professor vielleicht grollte?«
»Grollte?«
»Ja, an den Kragen wollte.«
»Da hab’ ich nun wirklich gar keine Ahnung.«
»Ach nein?« Sie stellte den halb vollen Kaffeebecher auf den hölzernen Boden. »Haben Sie den Professor oft getroffen?«
»Nein, eigentlich nicht. Er hat mir damals die Bilder abgekauft und den Kontakt zu einem Galeristen hergestellt. Dort hab’ ich ihn dann noch ein paar Male getroffen.«
»Kann ich mal den oberen Raum sehen?«
»Mein Atelier? Sorry – das ist keine gute Idee. Da gibt es gerade nichts zu sehen – außer ein paar weißen Leinwänden.« Er zögerte. »Oder muss ich Sie da etwa rein lassen?« Sie zuckte mit den Schultern.
»Irgendwann vielleicht schon.« Sie stand auf und wollte sich an den Abstieg machen. »Tja, Herr Alba …« Als sie schon auf der Strickleiter stand, fiel ihr noch etwas ein. »Übernachten Sie hier draußen auch?« Er grinste und schaute auf sie herunter.
»Manchmal schon.« Sie nahm ein paar weitere Sprossen abwärts
»Und wo wohnen Sie in der übrigen Zeit?«
»Bei meiner Tante in Kirchdorf.«
»Sie steht im Telefonbuch, nehme ich an.«
»Nein, wir haben eine Geheimnummer.«
»Die Sie mir jetzt sicher nicht verraten.«
»Ich geb’ Ihnen meine Handynummer, reicht das?« Sie hielt sich mit einer Hand an der Strickleiter fest, fischte ihr Smartphone aus der Hosentasche und tippte ein, was er ihr zurief.
»Danke.« Sie steckte es wieder ein. »Könnte sein, dass mir noch ein paar Fragen einfallen.« Sie war unten angelangt und schaute nach oben, aber da war er schon verschwunden.
Als sie in Zweifels Büro kam, war er noch nicht da. Sie warf einen Blick auf seinen Schreibtisch, der wie immer penibel aufgeräumt war. Ein schwarzes, quasi vorsintflutliches Bakelit-Telefon mit Wählscheibe hielt dort die Stellung. Es war ihr ein Rätsel, wann er die Zeit fand, all den Schreibkram zu erledigen, der tagtäglich neu hereinschwappte, wobei sie nicht ganz ausschließen mochte, dass er ab und zu einfach eine Nachtschicht einlegte. Das würde zu ihm passen. Sie schaute sich um. Irgendjemand, wahrscheinlich Lucy, hatte behauptet, dass er nur unter der Bedingung, eigene Möbel mitbringen zu können, zum hiesigen Kommissariat gekommen war. Bis dato war ihr verborgen geblieben, dass man als Beamter Bedingungen stellen konnte. Womöglich hing dieses Privileg mit seinem Ruf zusammen und mit seinem engen Draht zum Chef der Dienststelle, Alois Klopfer. Jedenfalls glich sein Büro eher einem Wohnzimmer, wenn auch einem sehr kleinen. Drei dunkelgraue Sessel, niedriger Glastisch mit Gläsern und Karaffe, Bücherschrank. Vor dem Fenster der schmale Schreibtisch, darauf in einem schlichten Glasrahmen das Foto seiner Frau. Es war in Berlin aufgenommen worden, im Hintergrund war das Reichstagsgebäude zu erkennen, in seiner verpackten Version. Das war das Jahr, in dem Christo das riesige Gebäude mit unzähligen Planen eingehüllt hatte. An einem dieser Tage im Sommer 1995 war Zweifels Frau auf eine schreckliche Art ums Leben gekommen. Auf dem Foto trug sie ein gelbes Sommerkleid, weiße Sandalen, eine riesige Sonnenbrille, in die blonde Haarmähne hochgeschoben, ein stolzes Lächeln im Gesicht. Melzick dachte wieder einmal daran, dass sie sie gerne kennengelernt hätte. Sie hatte die Arme verschränkt und stand, ganz in den Anblick versunken, vor dem Schreibtisch. Die Tür ging auf und Zweifel kam herein. Er blieb stehen, die Hand auf dem Türgriff. Melzick fuhr herum, wie ertappt.
»Hallo Chef, wo bleiben Sie denn?«, brachte sie heraus. Angriff war noch immer die beste Verteidigung. Er ließ die Tür zufallen.
»Na ja, der Münchener Hauptbahnhof liegt ja doch etwas weiter weg.«
»Sie waren in München? Wieso das denn?« Er schilderte ihr seine Begegnung mit Marie-Theres Mindelburg und ihrem Butler/Chauffeur.
»Und wie sind Sie mit Herrn Alba zurechtgekommen?« Sie zählte an den Fingern ab.
»Er hat ein Baumhaus. Er malt. Er macht Qi Gong. Er ist ein Romantiker. Er hat oder hatte einen Großvater. Er wohnt bei seiner Tante. Er hat den Professor ein paar Mal getroffen. Dieser hat ihm beim Verkauf seiner Bilder geholfen und auch selbst einige gekauft. Er hat ein Fauchen von oben gehört, kurz bevor er mit seinen Qi Gong-Übungen anfing. Frau Eichhorn hat das Geräusch ganz ähnlich beschrieben.«
»Sie wissen natürlich schon, woher es kam?«, unterbrach Zweifel sie.
»Für mich kommt da nur ein Heißluftballon in Frage.«
»Und was heißt das für uns?«
»Jemand hat den Professor aus diesem Ballonkorb gestoßen. Oder der Professor ist selbst gesprungen.«
Zweifel setzte sich in einen der Sessel.
»Dagegen spricht seine angebliche Höhenangst«, sagte Zweifel. »Wie hoch war der Ballon wohl zu diesem Zeitpunkt? Immerhin haben zwei Leute den Gasbrenner hören können.« Melzick schüttelte langsam und nachdenklich den Kopf.
»Wer geht denn so ein hohes Risiko ein? Als Fluchtfahrzeug ist so ein Riesending doch so was von ungeeignet. Jeder kann einen schon von weitem sehen, man bewegt sich wie in Zeitlupe und man ist von den Windverhältnissen abhängig. Wer wäre denn so verrückt, einen Mord auf diese Weise zu begehen?«
»Sie meinen demnach es war kein Mord. Selbstmord jedoch ist nach allem was wir jetzt wissen sehr unwahrscheinlich. Bleibt als dritte Möglichkeit Unfall. Dann stellt sich aber die Frage, wieso der Professor eingestiegen ist. Und wo der Ballon jetzt ist. Den müssen wir unbedingt finden.« Das Telefon klingelte. Zweifel stand auf und nahm ab, dabei deutete er auf die Karaffe, die auf dem Glastisch stand. Melzick beschränkte sich darauf, nur ein Glas einzuschenken. Klares Wasser lag eindeutig nicht in ihrer Geschmacksrichtung.
»Zweifel hier. Ja, Dr. Kälberer! Was …?« Der Kommissar zog überrascht die Augenbrauen nach oben. Melzick schaute ihn an und versuchte, aus seiner Miene zu lesen, was der Arzt zu ihm sagte. »Ich verstehe nicht. Wie …?« Zweifel kam nicht zu Wort. Er tauschte einen Blick mit Melzick und verdrehte die Augen nach oben. Dann griff er nach seinem Glas. »Nein, Dr. Kälberer, das habe ich nicht! Sie verstehen das ganz falsch. Dr. Wollmaus hat …, – wieso?« Während der folgenden Minuten konnte Melzick beobachten, wie anfängliche Überraschung, Ungeduld, leichte Verärgerung, schwere Verblüffung und schließlich Ratlosigkeit sich auf dem Gesicht ihres Chefs ablösten. »Ich habe keine Erklärung dafür, Dr. Kälberer, aber das ist jetzt auch unwichtig. Haben Sie denn schon etwas Konkretes?« Zweifel schwieg und lauschte gespannt. »Gut, das hilft uns erstmal. Melden Sie sich gleich, wenn Sie etwas Neues haben.« Er legte den schwarzen Hörer behutsam auf und schnalzte mit der Zunge, dann leerte er sein Glas in einem Zug.
»Sieht so aus, als ob wir es hier mit etwas Bösem zu tun haben, Melzick«, sagte er und füllte sein Glas wieder. »Der Doktor hat an den Schultern und Oberarmen des Professors schwere Blutergüsse festgestellt. Hier war eindeutig Gewalt im Spiel.«
»Welcher Doktor hat das festgestellt?«, fragte Melzick.
»Ach so – ja, hier gab es wohl eine kurzfristige Programmänderung. Wenn wir Dr. Kälberer glauben dürfen, dann hat Dr. Wollmaus beim Anblick des Professors auf dem Seziertisch einen leichten Schwächeanfall erlitten. Dr. Kälberer kam wohl gerade noch rechtzeitig, um ihn aus ›seiner‹ Pathologie zu entfernen.« Zweifel trank einen Schluck und schüttelte den Kopf. »Er hat wirklich eine sehr drastische Art, seinem Ärger Luft zu machen.« Melzick nickte. Sie wusste um die gegenseitige Antipathie.
»Dr. Wollmaus hat ihm von unserer Abmachung erzählt und das hat er wohl in den falschen Hals bekommen.«
»Na prima – was haben wir also?«, sagte Melzick und legte die Hände zusammen. »Der Professor wurde heute Morgen höchstwahrscheinlich kurz vor sechs Uhr aus einem Heißluftballon geworfen. Wer das getan hat, riskierte, dabei beobachtet zu werden. Eine sichere Flucht wäre nicht möglich gewesen.«
Zweifel legte seinen Kopf schief und stellte sein Glas ab.
»Tatsache ist aber, dass wir bis jetzt niemanden haben, der etwas beobachtet hat. Wir könnten eine Anzeige schalten und um Mithilfe bitten. Und wir müssen uns um die Ballonfahrer hier in der Gegend kümmern. Da fällt mir ein – ich wollte den Doktor noch etwas fragen. Seine Behauptung, dass der Professor bereits während seines Sturzes an Herzversagen gestorben wäre, kommt mir etwas voreilig vor. Außerdem stellt sich die berühmt-berüchtigte Frage: Hatte Mindelburg Feinde, denen ein Mord zuzutrauen ist? Seine Schwester konnte oder wollte keinen konkreten Verdacht äußern. Hat Alba etwas dazu gesagt?«
»Nein. Er meinte nur, dass er mit einigen schrägen Vögeln aus der Kunstszene zu tun hatte.«
»Um die wir uns ebenfalls kümmern werden«, warf Zweifel ein. Er strich sich mit der linken Hand über seine Glatze und legte einen Finger an seine Nase.
»Wie lief Mindelburgs letzter Tag ab, was hat er getan, wohin ist er gegangen, wen hat er getroffen, mit wem hat er telefoniert? Wir müssen seine Wohnung untersuchen. Und vor allem möchte ich wissen, warum man ihn ausgerechnet auf diese Art und Weise umgebracht hat. Wollte der Mörder ein Zeichen setzen, jemanden warnen, oder schnupperte er einfach nur gerne Höhenluft?«
»Dabei fällt mir ein«, sagte Melzick, »Frau Eichhorn hat behauptet, sie hätte das Fauchen gehört, als sie im Park angekommen war. Kurz darauf fand sie die beiden. Alba sagte, er hätte das Fauchen zu Beginn seiner Übungen gehört. Dazwischen lagen aber mindestens 40 bis 50 Minuten. Daraus ergeben sich drei Möglichkeiten: die Eichhorn täuscht sich, oder sie lügt, oder es war noch ein zweiter Ballon da, den sie hörte.«
»Sie werden nochmal mit ihr reden dürfen, Melzick. Wahrscheinlich finden Sie sie bei dieser Serafina Moor. Und die wohnt in der Villa Fontenay, wie mir Herr Kater geflüstert hat. Vielleicht nehmen Sie was zu essen für die Dame mit.«
»Gute Idee«, sagte sie ungerührt und schaute auf ihre Uhr. »Ich könnte eigentlich selbst etwas vertragen. Wann wollen wir uns wieder treffen?«
»Rufen Sie mich an, wenn Sie mit der Eichhorn gesprochen haben, und wenn Sie die Ballonfahrer hier in der Gegend ausfindig gemacht haben.«
»Da wird es nicht viele geben.«
»Gut, ich rede mit Dr. Wollmaus. Womöglich kann er mir ja auch ein paar Namen nennen. Die Wohnung des Professors schauen wir uns dann gemeinsam an.« Er trank aus. »Sind Sie eigentlich schon mal in einem Ballon gefahren?«, fragte er sie. Sie schüttelte den Kopf. Dies war ihre erste Lüge an diesem Tag.