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Kapitel 4 Lilly

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Ich drehe mich auf die Seite. Gleißendes Licht blendet mich. Mein Nacken fühlt sich steif an und schmerzt. Langsam richte ich mich auf, um mich umzusehen. Doch auch bei Tageslicht ist die kleine Wohnung deprimierend. Man merkt ihr an, dass ein alleinstehender Mann sie bewohnt hat. Mein Blick wandert in das Schlafzimmer mit dem großen Holzbett. Gestern Nacht konnte ich mich nicht dazu überwinden, in seinem Bett zu schlafen. Selbst nach dem miesen Tag, der hinter mir lag, fühlte es sich falsch an. So bin ich auf der Couch gelandet, nachdem ich in meinen Lieblingspyjama mit den Kuchenstücken geschlüpft war, und habe wie ein Stein geschlafen. Ich hätte mir zumindest ein Kissen holen sollen, dann wäre mein Nacken jetzt nicht ganz so steif.

Während ich in die kleine, offene Küchenzeile schlendere, versuche ich die Geschehnisse von gestern auf die Reihe zu bekommen. Dabei mache ich zwei Feststellungen: 1. Cole, der Barmann, hasst mich. 2. Gina, die rothaarige Kellnerin, ist meine Heldin. Sie hat mir gestern Abend wirklich den Hintern gerettet. Wie ein flinkes Heinzelmännchen mit flotter Zunge und umwerfendem Äußeren hat sie den Laden auf Kurs gehalten. Sie hat Bar und Service in einem erledigt und um Mitternacht verkündet, dass die Sperrstunde aufgrund besonderer Umstände früher gilt. Ich konnte bloß dasitzen und mit offenem Mund zusehen, wie sie eine Fischerglocke mit Schwung läutete und „Last Call for Drink“ ausrief. Das daraufhinfolgende Murren hat sie ohne mit der Wimper zu zucken weggesteckt. Diese Frau ist eine Naturgewalt. Als alle aus der Bar weg waren, hat sie sich zu mir gesetzt, den Kopf geschüttelt und mir und sich selbst einen weiteren Tequila eingeschenkt, den sie in einem geschluckt hat, während ich ewig daran herumgenippt habe.

„Los! Leg dich ins Bett! Ich komme morgen früher. So gegen drei. Das ist eine Stunde bevor die Bar aufmacht. Dann reden wir. Jetzt bin ich echt zu erledigt dazu. Okay?“ Sie öffnete ihren hohen Pferdeschwanz und schüttelte ihr lockiges, rotes Haar aus. Selbst nach dieser Monsterschicht sah sie aus wie ein Kellnerinnen-Model auf einem Hooters-Kalender.

„Okay“, antwortete ich. Irgendwie war ich immer noch wie weggetreten seit dieser Sache mit dem Barmann, diesem Cole.

Nach ewigem Herumkramen in den Schränken finde ich eine Packung Schwarztee. Bill hat nur Kaffee da, den ich leider nicht trinke. Mom und ich waren immer Teetrinker. Als ich den Beutel in das heiße Wasser tauche, vermisse ich sie und unser morgendliches Teeritual wie verrückt. Ich wünschte, sie könnte bei mir sein und mir einen Rat geben, mir sagen, was ich tun soll.

Beim Blick auf die Uhr verschlucke ich mich. Es ist zwei Uhr nachmittags. Ich habe tatsächlich über zwölf Stunden geschlafen. Es ist eine Ewigkeit her, seit ich so etwas das letzte Mal gemacht habe. Seit ich nicht mehr aufs College ging und mich um Mom und alles andere kümmern musste, begann mein Tag um halb sieben. Jeder Tag hatte eine strikte Routine. Daran konnte ich mich festhalten, es gab mir Sicherheit und mit meiner Organisationsfähigkeit etwas, was mir lag. Aber nun habe ich keine Konstante mehr. Das macht mir Angst, und zugleich fühle ich eine nervöse Aufregung, so wie damals, als ich zum ersten Mal aufs College ging. Wenn ich doch nur ein wenig Ahnung von den Dingen hätte, die von mir erwartet werden. Ich weiß über Bars und Gastronomiebetriebe so gut wie nichts. Ich kann mit Unterstützung eine Steuererklärung machen und auch eine Buchführung dank meiner Kurse, aber von der täglichen Arbeit einer Bar oder gar vom Kellnern habe ich keinen blassen Dunst. Als mein Magen knurrt, suche ich erfolglos etwas zu essen. Bills Kühlschrank ist leer, abgesehen von einem Stück Käse, das beinahe von selbst auf mich zugekommen wäre, wenn ich nicht schnell wieder die Tür geschlossen hätte. Igitt!

Die Bar bietet Snacks und eine kleine Auswahl an Gerichten an, daher müssten in der dazugehörigen Küche Lebensmittel zu finden sein. Ein Käsetoast würde mir reichen. Ich schleiche die Treppe zur Bar hinab und staune. Gina und die anderen haben alles sauber hinterlassen. Die Holzstühle stehen umgedreht auf den runden Tischen und die Oberflächen sind geputzt. Selbst der Boden ist nicht mehr klebrig. Kein Krümel mehr zu sehen. In diesem Licht und dank ihres guten Zustands sieht die Bar mit den klassisch dunklen Holzvertäfelungen gar nicht mal schlecht aus. Wie eines der Irish-Pubs in Manhattan. Nur mit einem maritimen Touch. Schließlich befinden wir uns auf einer Strandpromenade und Sea Creek ist eine Fischerei-Kleinstadt.

Auf einem reichlich verdreckten Gasofen brate ich mir ein Käsesandwich und beiße genüsslich rein. Kauend schlendere ich durch den Barbereich und sehe mir Fotos an den Wänden an. Das Bild von Bill mit dem riesigen Fisch auf dem Arm bringt mich zum Lachen. Er sieht aus, als hätte er im Lotto gewonnen, dabei ist der Fisch gar nicht mal so riesig. Als jemand gegen die Eingangstür klopft, bekomme ich fast einen Herzinfarkt. Ich lege das Sandwich zur Seite und laufe zum Eingang, um nachzusehen, wer das ist.

Ein schniefender, dünner Mann mit Basecap steht vor mir und sieht mich stirnrunzelnd an.

„Ein bisschen spät für das Outfit.“

Meine Wangen brennen heiß, als mir dämmert, dass ich noch immer meinen peinlichen Pyjama anhabe. Ich zwinge mich, nicht an mir hinabzusehen, und blicke stattdessen in das amüsierte Gesicht des Fremden.

„Hallo. Ich bin Lilly.“ Ich strecke ihm meine Hand hin. Er schnaubt und deutet auf das Klemmbrett, das er in der einen Hand hält, während die andere eine Sackkarre festhält.

„Oh. Verstehe. Wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“

„Wer sind Sie? Und wo zum Teufel ist Cole?“

Mies gelaunt starrt er mich an. Sein Kiefermuskel zuckt.

„Cole ist nicht da. Kann ich Ihnen helfen? Ich bin die neue Besitzerin der Bar: Lilly Blaze.“ Ich strecke mich, um größer zu wirken und um den Anblick des mädchenhaften Pyjamas auszugleichen, der nicht gerade nach einer seriösen Barbesitzerin aussieht.

Der Kerl lacht gurgelnd. „Ja, klar! Und mir gehört ganz Montauk. Bist wohl eine seiner kleinen Eroberungen. Ist er wirklich nicht da?“

Ich soll was sein? Eingeschnappt reiße ich die Augen auf.

„Jetzt hören Sie mal. Ich bin nicht der One-Night-Stand dieses Typen. Ich bin die Besitzerin der Bar und kann das auch beweisen, also sagen Sie mir, was Sie hier wollen … Bitte!“, füge ich gepresst hinzu. Mein Kopf dröhnt. Warum müssen sich alle hier mir gegenüber blöd verhalten?

„Ich bin Getränkelieferant. Mein Name ist Joe und ich habe eine Lieferung für Cole Cortez, den Geschäftsführer des Blaze, und an den werde ich meine Ware übergeben. Und selbst wenn du der Kaiser von China wärst, würde ich dir nicht die Lieferung übergeben, denn ich kenne dich nicht und du bist nicht berechtigt, diese Lieferung entgegenzunehmen.“ Genervt reißt er ein Blatt von seinem Klemmbrett und sagt: „Cole soll mich anrufen, wenn er seinen Fusel haben will.“

„Hey, Sie können doch nicht einfach so gehen. Wenn er die Getränke bestellt hat, brauchen wir sie doch.“ Nervös laufe ich dem Kerl nach, doch er schüttelt nur den Kopf und bringt die Kartons, die er liefern wollte, in seinen Wagen zurück.

„Keine Chance, Missy. Klär das mit Cole!“

„Das darf doch alles nicht wahr sein!“ Ich fahre mir durch die wirren Haare und bemerke, dass ein paar Leute, die auf der Strandpromenade spazieren, mich merklich anstarren.

„Was ist? Habt ihr Kleindstadtleute noch nie eine New Yorkerin im Kuchenpyjama auf einer Strandpromenade gesehen?“ Mit Herzklopfen kehre ich in die Bar zurück und schließe die Tür hinter mir. Ich kann nicht glauben, dass ich mich gerade so aufgeführt habe. Das sieht mir überhaupt nicht ähnlich.

Eine Stunde später öffne ich frisch geduscht und angezogen die Tür, um Gina reinzulassen.

„Ich sehe, du hast den Vorrat mit den Logo-Shirts gefunden.“ Gina starrt auf das schwarze Top mit dem Namen Bill’s Blaze auf meiner rechten Brust.

„Ja. Das und ein T-Shirt haben ziemlich genau meine Größe. Denkst du, Bill hat sie für mich machen lassen?“

Der Gedanke hilft, mich ein bisschen willkommener zu fühlen.

„Gut möglich, Schätzchen. Bill hat uns seit Ewigkeiten keine neuen bestellt.“ Gina lächelt mich breit an. Ihre rot geschminkten Lippen sehen wunderschön aus. Ich beneide Frauen wie sie, die sich ihrer Weiblichkeit so sicher sind. Ich schätze sie auf Ende zwanzig, und sie wirkt, als wäre sie für diesen Job geboren, zumindest kann sie ihn im Schlaf.

„Gina“, sage ich vorsichtig. „Ich glaube, ich muss dir was gestehen.“

Sie blickt mich neugierig an. „Okay.“

„Vorhin war so ein Typ hier, Joe. Er wollte wohl Getränke liefern. Der Kerl war richtig fies zu mir und wollte sie mir partout nicht übergeben.“

Sie atmet lange aus. „Lass mich raten? Er wollte nur an Cole liefern.“

Ich nicke.

„Joe, das sexistische Arschloch, würde mir die Bestellung auch nicht geben, da kannst du dir sicher sein. Also bringt es auch nichts, wenn ich ihn anrufe. Er wird keinem anderen außer Cole den Sprit überlassen. Das Dumme daran ist, dass wir ein paar der Sachen dringend brauchen. Wir sind knapp an Gin, und Guinness ist auch keines mehr da.“

Ich halte mir die Hände vors Gesicht.

„Gott, es geht auch wirklich alles schief bei mir. Was soll ich bloß machen?“

„Schätzchen, jetzt pinkle dir nicht gleich ins Höschen. Wir kriegen das hin. Zumindest für heute Abend. Dann gibt es eben eine eingeschränkte Getränkekarte. Noch ist Vorsaison, da kommen wir ohne größeren Schaden damit durch. Nur müssen wir früher oder später eine Lösung für dieses Cole-Problem finden. Daran führt kein Weg drum herum.“

„Das hatte ich befürchtet.“ Ich lächle sie an. „Gina?“

„Ja.“

„Danke für das wir.“

„Ach Schätzchen!“ Gina umarmt meine Schulter und schiebt mich tiefer in die Bar hinein. „Wir Mädchen müssen doch zusammenhalten.“

Kurz darauf treffen der Koch und eine weitere Kellnerin ein. Der Koch, Frank, ist ein richtiger Miesepeter, der mit einem Brummen hinnimmt, dass er jetzt einen anderen Brötchengeber hat und, gleich nachdem er mich kennengelernt hat, in sein Küchenreich verschwindet, um den Grill anzuwerfen. Gina meint, ich solle es nicht persönlich nehmen. Er wäre immer so. Der Mittvierziger Frank hat drei Kinder, eine Ex und eine neue Freundin, die er mit dem Job erhalten muss, deshalb gehört er nicht zu den Frohnaturen. Ganz anders als Lisa. Die Aushilfskellnerin ist Anfang dreißig und arbeitet Teilzeit, außer in der Hauptsaison im Sommer. Sie macht Kurse im Communitycollege und spart Geld, um irgendwann ein kleines Café zu eröffnen. Sie hat blondes, langes Haar und Sommersprossen im Gesicht. Ganz anders als Frank hat Lisa ein dauerhaftes Lächeln auf den Lippen und ist mir gegenüber freundlich und neugierig. Da die Öffnungszeit bevorsteht, musste die lange Erklärung, warum mir, einer einundzwanzigjährigen Elite-Studienabbrecherin, plötzlich die Bar gehört, verschoben werden.

Gina steckt ihr Handy weg. Sie hat gerade mit jemandem geschrieben. „Andy kommt nicht.“

Lisa zuckt bedauernd mit der Schulter. „Er ist der zweite Barmann“, erklärt sie mir.

„Das ist nicht gut.“ Ich sehe die beiden Kellnerinnen an und versuche, ihre Reaktion abzuschätzen, als sie einen langen Blick austauschen.

„Nicht wirklich, aber ich kann an der Bar einspringen.“

„Hat er auch gesagt, wieso er nicht kommen kann?“, fragt Lisa nach.

Gina räuspert sich. „Er kann heute Abend nicht. Mehr hat er nicht geschrieben. Du kennst ihn doch. Man muss dem Trottel alles aus der Nase ziehen.“

Sie verdrehen die Augen und machen sich daran, die Sessel von den Tischen zu räumen. Ich helfe ihnen.

„Von der Kasse und den anderen Dingen habe ich keine Ahnung, aber ich kann Lisa beim Bedienen helfen. Du hast ja genug mit der Bar zu tun.“ Hoffnungsvoll blicke ich Gina an. Ich bin nicht hier, um mich ins gemachte Nest zu setzen. Ich will helfen. Es ist schließlich meine Bar, um die es geht, das einzige Zuhause, das ich habe.

„Hast du denn schon mal gekellnert?“ Sie lächelt mich an, aber das Lächeln erreicht ihre Augen nicht, denn sie ahnt die Antwort bereits.

„Nein, noch nie. Aber ich lerne schnell und wie meine Mom sagt: In der Not zitiert selbst der Teufel aus der Bibel.“

Lisa lacht schnaufend. „Da hat sie recht, Gina.“

„Na gut, was kann schon schiefgehen?“

Gina und Lisa geben mir einen Crashkurs im Kellnern. Lisa und ich haben je einen Servicebereich. Beim Kassieren gehe ich zu Gina, die mir den Kassenbon ausdruckt, damit ich die Rechnung kassieren kann. Die Bestellungen für die Bar schreibe ich auf einen Zettel und die Bestellungen für die Küche auf einen anderen. Immer zusammen mit der Tischnummer. Dafür bekomme ich einen kleinen Block und eine Kellner-Brieftasche, die ich an meinen Gürtel hefte. Wenn die Leute Wein oder Bier in Flaschen wollen, muss ich es selbst holen. Alles andere mixt Gina und stellt es uns auf die Bar, wo wir es für unsere Tische abholen.

Ich denke, das kriege ich hin. Als die ersten Gäste eintreffen, bin ich ganz zuversichtlich. Ich begrüße sie, schreibe mir ihre Bestellungen auf und bringe sie an Küche und Bar. Anders als Lisa brauche ich ewig, um die richtigen Bierflaschen zu finden oder um wirklich den richtigen Wein einzuschenken. Langsam, aber sicher wird es was. Gina rackert sich an der Bar ab. Als es langsam dunkel wird, wird auch die Bar richtig voll. Meine Füße beginnen zu schmerzen, und es wird zunehmend schwieriger, mir alles zu merken.

„Wer bekommt noch mal die drei Heineken und den Riesling?“ Ich stehe ratlos vor drei meiner Tische und lächle die Gäste so breit an, dass mir die Wangen schmerzen. Ich hoffe auf ihr Mitleid. „Sorry, heute ist mein erster Tag.“

Das Mädchen in der Runde verdreht genervt die Augen. Die Jungs lächeln mir aufmunternd und bedauernd zu.

„Das sind wir. Und nur fürs Protokoll. Der Kronkorken muss normalerweise ab.“

Ich starre auf die kleinen Bierflaschen und stelle genervt fest, dass ich vergessen habe, die Flaschen zu öffnen.

„Oh, sorry. Das erledige ich gleich.“

Ich laufe mit dem Tablett zur Bar und öffne die Flaschen. Auf dem Rückweg zu Tisch acht raunt mir ein fetter Kerl entgegen: „Ich würde gerne bestellen. Heute noch!“

„Bin gleich da.“ Genervt bläst er geräuschvoll Luft durch die Nase. „Das höre ich nicht zum ersten Mal.“

Ich wünschte, er hätte unrecht. Nicht gerade graziös gebe ich die drei Bier und den Weißwein an den Tisch weiter und nehme die Bestellung des fetten Kerls auf, der so nuschelt, dass ich nach allem doppelt fragen muss, ehe ich es notieren kann. Als ich ihm den Rücken zudrehe, höre ich, wie er dem Tisch gegenüber zuraunt: „Ob die irgendwie beschränkt ist?“

Eine Woge der Scham steig in mir hoch und meine Wangen brennen unangenehm heiß, aber ich habe keine Zeit dafür und höre, dass Frank nach mir ruft.

„Deine Bestellung für Tisch drei ist fertig.“

Ich lade mir die Gerichte auf den Arm und ignoriere, dass die heißen Teller mir die Haut verbrennen. Es gelingt mir kaum, die drei Teller gleichzeitig zu tragen, aber ich kann nicht zweimal gehen. Meine Füße streiken dagegen, und ich habe keine Zeit dafür, denn zwei weitere Tische in meinem Bereich sind neu belegt und jeder von ihnen winkt fordernd nach mir.

Ich stelle das Essen auf Tisch drei. Die Leute dort sehen sich schmunzelnd an. Als ich vom Tisch zurücktrete, sehe ich aus den Augenwinkeln, dass sie die Teller untereinander tauschen. Wieder einmal konnte ich mir nicht merken, wer von ihnen was bestellt hat. Frustriert knurre ich vor mich hin. Lisa wirbelt an mir vorbei und erledigt ihren Job, als wäre nichts dabei.

„Nimms nicht so schwer. Jeder fängt mal an.“

Ich klopfe ihr dankbar auf die Schulter und gehe zu Gina, um ein paar Cocktailbestellungen abzuholen. Es ist Wahnsinn, was sie alles zaubert. Die Drinks sehen wunderschön aus. Ich nehme sie von ihr entgegen und bringe sie an … Ja, an welchen Tisch? Als ich mich ratlos umsehe, winkt mir eine Frauenrunde zu. Weil ich keine Ahnung habe, wer was bekommt, stelle ich einfach alles in der Mitte des Tisches ab.

„Lasst es euch schmecken!“

Ich lächle die jungen Frauen an, die mir gut gelaunt zuprosten. Wenigstens ihnen ist egal, dass ich die schlechteste Kellnerin der Weltgeschichte bin. Als ich Tisch acht abräume, die natürlich keinen Cent Trinkgeld dagelassen haben, ruft jemand nach einer Kellnerin. Ich drehe mich um und bemerke nicht, dass jemand direkt hinter mir steht. Die Bierflaschen fallen runter und zerplatzen auf dem Boden. Natürlich waren sie nicht völlig leer. Stinkendes, warmes Bier fliest zwischen den Scherben Richtung Bar.

Ich könnte losheulen, aber ich tue es nicht. Gina und Lisa arbeiten sich den Hintern für mich ab, da kann ich doch nicht aufgeben.

„Soll ich dir helfen?“ Lisa blickt rüber und sieht besorgt aus.

„Nein. Ich wische das kurz auf. Wo ist das Putzzeug?“

„Kleine Kammer hinter der Bar.“

„Ich kümmere mich derweil um deine Tische.“

„Danke.“

Ich sprinte in die Kammer und suche gehetzt nach einem Wischmopp und Kehrblech. Der Koch bemerkt mich nicht. Er hat genug zu tun. Ich wische schnell mein Chaos auf. Weil ich mich dabei beeile, schneide ich mir ein paarmal ein. Nicht schlimm. Nur kleine Kratzer, aber ich würde auch nicht wollen, dass mein Essen mit ein paar Blutspritzern serviert wird, also warte ich, bis es aufhört zu bluten, bevor ich weiter kellnere. Natürlich ist das Essen, das ich jetzt serviere, kalt und die Gäste lassen es zurückgehen. Frank nimmt es missmutig hin. Ich bin keine Hilfe. Ich bin eine Belastung für das Team. Das ist mehr als klar, aber jetzt kann ich nicht kneifen.

Es ist Mitternacht und gleich schließt die Küche. Noch drei oder vier Stunden Getränke servieren und ich kann mich endlich hinlegen und schlafen.

Als der letzte Gast die Bar verlässt, ein hiesiger Säufer, den Gina bis an die Promenade bringen muss, wo sie ihn auf eine der Bänke ablegt, könnte ich vor Erleichterung heulen.

„Gott sei Dank!“ Ich schließe ab und drehe das Schild von Geöffnet auf Geschlossen.

„Das kannst du laut sagen. War echt viel los für Freitag.“

Lisa sieht Gina flehentlich an. „Ja, ich weiß, du hast einen langen Heimweg. Los! Verschwinde!“

„Danke, Gina.“ Lisa gibt ihr ein Küsschen auf die Wange und läuft mit wippendem Pferdeschwanz zum Hinterausgang.

„Wie kann sie noch laufen?“

Verwundert blicke ich ihr nach.

„Alles Gewohnheit … Ich wette, deine Füße bringen dich um.“ Gina verzieht den Mund und mustert mich. Ich sitze und halte meine Turnschuhe in die Höhe.

„Es schmerzt, wenn sie den Boden berühren.“

„Ich weiß. Ruh dich ein bisschen aus. Die Theke ist schon sauber. Ich wische nur noch schnell hier auf, und dann kannst du mir helfen, den Rest sauber zu machen.“

Nicht gerade begeistert nicke ich und sehe Gina zu, wie sie Stühle auf die Tische stellt, um aufwischen zu können. Mitleidig sieht sie mich an. Ich bin total fertig.

„Ich bin ein Service-Blindgänger, Gina. Und bald geht uns das Bier aus … Ich sollte wohl mit diesem Cole reden.“

Mein Magen krampft sich allein bei der Vorstellung fest zusammen.

„Tja, ich fürchte, es bleibt dir nichts anderes übrig. Früher oder später wirst du mit ihm reden müssen.“

Mit Schwung schiebt sie den Mopp über den Flur. Wo hat sie bloß die Kraft dafür her? Ich könnte nicht mal eine Fliege erschlagen, so fertig bin ich.

„Du kennst ihn doch. Wie soll ich mit ihm umgehen? Denn ganz ehrlich, der Typ jagt mir Angst ein.“

Sie lächelt hintergründig und putzt weiter, ohne mich anzusehen.

„Cole kann ein einschüchternder Bastard sein, wenn er es darauf anlegt, aber er hat auch andere Seiten. Sagen wir mal so, er ist nicht so schlimm, wie er dir vielleicht vorkommt. Nur unterschätze ihn nicht! Ich weiß ja nicht, wie viel Erfahrung du mit Männern hast. Aber Cole ist die Sorte Mann, bei der man immer auf der Hut bleiben sollte, vor allem, wenn man etwas von ihm will.“ Gina umklammert die Stange des Wischmopps und wirft mir einen ernsten Blick zu.

„Na großartig. Meine Erfahrung mit Männern ist noch nicht mal bescheiden und ich habe mich bisher in jedem einzelnen von ihnen getäuscht … Was würdest du tun, wenn du an meiner Stelle wärst?“

Sie denkt nach und kaut auf ihrer Unterlippe herum.

„Ich würde zu Kreuze kriechen, weil er genau das erwartet, ganz bestimmt sogar, und versuchen, zu verhandeln, um das zu bekommen, was ich brauche. In deinem Fall ist das ganz klar: seine Hilfe.“

„Ich weiß nicht, ob ich das bringe, aber es ist ja nicht so, als hätte ich eine Wahl … also wo wohnt der Kerl?“

Lilly Blaze - In Love

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