Читать книгу Ein kleines, leichtes Glück - Adi Hübel - Страница 5
Оглавление1. Erinnern
Erinnert werden meist die Schrecknisse des Lebens. Sie graben sich ein in Seele und Körper und überdauern die Zeiten.
Doch nicht immer sind sie mit leichter Hand aufzufinden. Versteckt lauern sie, eingesponnen in einen düsteren Kokon des Vergessens in der Tiefe unseres Bewusstseins.
Und dennoch verflüchtigen sie sich nicht.
Nicht selten steigt das Verdrängte an die Oberfläche unseres Fühlens, wenn Ereignisse und Orte das Einstmals wie ein Sesam-öffne-Dich erschließen. Orte der Kindheit und tiefe Einschnitte im Verlauf unseres Daseins legen plötzlich deutliche Spuren und verlangen verfolgt zu werden.
Katharina musste sich erinnern. Doch wo müssen und wollen beginnen und enden, ist selten feststellbar.
So wäre es auch denkbar zu sagen, Katharina wollte sich erinnern. Doch wäre dadurch etwas anders geworden. Hätten sich die Wahrheiten von damals eher bestätigt? Wäre die frühe Zeit heller und lichter geworden? Nichts spricht dafür.
So war der Verlust der Wegbereiterin ihres Daseins für Katharina Anlass genug, dieses Müssen zu bekräftigen. Alles verlangte nach Sichtung, nach Bestätigung, auch nach Wertung und möglicherweise Wertschätzung. Weshalb war sie selbst die geworden, die sie war. Wo waren die Vorlieben, Defizite entstanden. Welche Ereignisse wogen wie schwer.
Katharina griff nach den Fäden, sie zu entwirren, um sich in das Labyrinth der Erinnerung zu begeben. Etwas lockte sie, rief sie, versprach Klarheit und sichere Zuordnung.
Es galt, ein verschlossenes, ungesichtetes Wissen und Fühlen zu erhellen. Denn nicht nur Dunkles und Düsteres schien sich zu verbergen, sondern auch eine schmerzliche Süße, die in Kindertagen immer wieder so unverhofft die Härte der Tage gemildert hatte. Sie wollte Katharina auffinden und auskosten, wie damals.
Mutig begann sie daran zu glauben, dass ihr dies gelingen könnte.