Читать книгу Kampf der Welten - Adrian Plass - Страница 13
Der Jünger, der den Sonntag fürchtete
ОглавлениеIch verstehe das nicht.
Herr Jesus, wenn meine Worte an diesem dunklen, schmerzerfüllten Samstagabend zu dir aufsteigen, dann höre bitte, wie ich aus tiefstem Herzen zu dir schreie, dass ich nicht verstehe. Ich glaube, nicht ein Einziger von uns versteht es. Wir, deine Jünger, warten hinter diesen verschlossenen Türen wie die Toten, wie stumme Holzbalken, die man achtlos an die Wand gelehnt oder auf den Boden gelegt hat, da sie keinen Zweck mehr erfüllen. In unseren Köpfen brennen tausend Fragen, und eigentlich sind sie alle ein und dieselbe Frage. Warum ist die Blume nicht aufgeblüht? Warum hat sich der Wein in Wasser verwandelt? Warum sind unsere Wunden wieder aufgerissen worden? Warum hat sich Hoffnung in Verzweiflung gekehrt? Wo ist das Licht, das uns die Richtung weist? Wo bist du? Meister, wo bist du? Du bist nicht hier bei uns.
In Gethsemane hast du uns verboten, Schwerter zu gebrauchen, Herr Jesus. Steckt die Schwerter weg, hast du befohlen. Verteidigt euch nicht. Wenn du wolltest, könntest du deinen Vater anrufen, und er würde dir über zwölf Legionen von Engeln zur Verfügung stellen. Das hast du gesagt. Zwölf Legionen? Nun, warum hast du es dann nicht getan? Warum nicht? Wie sollen wir einfachen Leute begreifen, dass es in deiner merkwürdigen, auf den Kopf gestellten Sicht des Himmels und der Erde fruchtbarer ist, zu scheitern und zu sterben und deine Freunde im Stich zu lassen, als Erfolg zu haben und zu leben und über die allgegenwärtigen Mächte des Bösen zu triumphieren? Ich erinnere mich an etwas, was du einmal gesagt hast:
»Ein Weizenkorn, das nicht in den Boden kommt und stirbt, bleibt ein einzelnes Korn. In der Erde aber keimt es und bringt viel Frucht, obwohl es selbst dabei stirbt.«
Ein gutes Bild. Eine Wahrheit, die man sich einprägen und über die man immer wieder nachdenken sollte. Weizenkörner bringen tatsächlich viel Frucht hervor. Aber, Herr, du warst kein Weizenkorn. Du warst ein Mensch. Jetzt bist du tot. Und ein toter Mensch bringt keine Ernte lebendiger Menschen hervor. Oder doch?
Du bist im Grab, und wir, deine lebendigen Knechte, sind in Trauer begraben. Wir sehnen uns danach, dein Gesicht zu sehen. Wir sehnen uns nach deiner Stimme. Wie sollen wir weitermachen, jetzt, wo uns deine Weisheit und Kraft fehlen? Die Zukunft ist eine Wüste. Wenn die Nacht hereinbricht, werden wir versuchen zu schlafen, aber der Hohn des Morgens wird gewiss kommen. Herr Jesus, meine Augen füllen sich mit Tränen. Wie soll ich dem morgigen Tag ohne dich begegnen?