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Kapitel 7: Hagal

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Der Taxifahrer zögerte, denn die sonnenbebrillte, in ein Bettlaken gehüllte Gestalt auf dem Rücksitz machte ihn stutzig.

„Das ist hoffentlich nicht so ein verrückter Patient, der aus dem Krankenhaus abhauen will? Tut mir leid, aber damit will ich nichts zu tun haben.“

„Quatsch“, zischte Elizabeth, „fahren Sie. Nach St. Kilda in die Dickens Street.“

Die Punt Road war um diese Nachtzeit angenehm leer, und ohne an einer der zahlreichen Ampeln anhalten zu müssen, fuhr das Taxi mit rasantem Tempo hinunter nach St. Kilda. Am Ende der Acland Street bog es ab, am Westeingang des Botanischen Gartens vorbei, und wollte gerade in die Tennyson Street einbiegen, als der Fahrer abrupt bremsen musste, weil eine alte Frau plötzlich über die Straße eilte. Der Wagen schlitterte knapp am Randstein vorbei, und die nahezu profillosen Reifen schleuderten Pfiffe in die ruhige Nacht. Nach einem heftigen Ruck blieb das Taxi auf einer Bodenwelle stehen.

„Hysterisches Huhn“, murmelte der Taxifahrer und kurbelte das Fenster runter. „Kein Wunder, dass ständig alte Leute überfahren werden“, schrie er der Frau hinterher, die in eine dunkle Nebenstraße verschwunden war.

„Das war meine Nachbarin, die Oldenburg“, rief Eric.

„Was hat sie so spät in der Nacht auf der Straße zu suchen?“, fragte Elizabeth gelangweilt.

Das wollte Eric auch wissen. Während der Fahrt vom Krankenhaus hatte er nicht den Mut aufgebracht, Elizabeths Einladung zu ihr nach Hause auszuschlagen. Dieser Moment aber bot ihm eine willkommene Gelegenheit.

„Ich muss nachsehen, ob es ihr gut geht“, sagte er hastig, drückte Elizabeth einen flüchtigen Kuss auf die Wange, versprach sie anzurufen und stieg, bevor sie etwas dazu sagen konnte, aus dem Taxi.

Humpelnd nahm er die Verfolgung auf. Mit dem verletzten Fuß konnte er zwar nicht schnell gehen, doch gerade schnell genug, um Frau Oldenburg, die er in der dunklen Gasse entdeckt hatte, nicht aus den Augen zu verlieren. Er rief ihren Namen. Überrascht drehte sie sich nach ihm um.

Er musste ihr einen Schrecken eingejagt haben, eine schneeweiße, halbnackte Gestalt in einem flatternden Tuch, mit wedelndem Stock bewaffnet und auf sie zuhumpelnd, denn Frau Oldenburg flüchtete in eine finstere Hauseinfahrt. Eric folgte ihr. Die Einfahrt war auf beiden Seiten von dichten Büschen gesäumt und endete an einem mannshohen, mit einer dicken Kette verriegelten Gartentor. Von Frau Oldenburg fehlte jede Spur. Aus dem Nachbarhaus drang Hundegebell. Eric drehte sich um und wollte zurück zur Seitenstraße gehen, als ihm Frau Oldenburg plötzlich den Weg versperrte.

„Hagal, hagal“, knurrte sie und riss die Arme hoch. Der Klang ihrer Worte war eigenartig: Er schien nicht in seine Ohren zu dringen, sondern gegen seine Brust zu prallen wie der Schlag einer flachen Hand. Eric fiel zu Boden. Er konnte sich nicht bewegen.

Frau Oldenburg beugte sich über ihn. „Oh“, sagte sie erstaunt, „ich habe Sie gar nicht erkannt.“ Dann lachte sie, laut und herzlich. Die Schwere war mit einem Male aus Erics Körper gewichen und er rappelte sich hoch.

„Was haben Sie mit mir gemacht?“, fragte er.

„Da staunen Sie, was? Ein altbewährtes Mittel der Druiden. Man zapft den Lichtgürtel an, der sich um die Erde spannt, und leitet ihn auf den Gegner, um ihn kampfunfähig zu machen. Eigentlich wendet man die Methode bei aggressiven Geistern an. Aber bei Menschen funktioniert sie auch. Sogar besser als Karate oder Pfefferspray.“

„Sie haben doch nicht geglaubt, ich wäre ein Geist?“

„Ich bitte Sie. So, wie Sie aussehen.“ Sie musterte ihn kurz. Der Hund begann wieder zu bellen und weitere Hunde fielen ein.

Erst jetzt bemerkte Eric, dass er nur in Unterhose vor ihr stand. Er hob eilig das Bettlaken vom Boden auf und wickelte es um die Hüfte. „Was haben Sie im Botanischen Garten gemacht?“, fragte er.

Frau Oldenburg hakte sich bei Eric unter und zog ihn mit sich auf die Straße. „Sie erzählen mir auf dem Nachauseweg, wie sie zu dem Faschingskostüm gekommen sind, und in meiner Küche bei einem Teller Suppe werde ich Ihnen meine Geschichte erzählen.“

Stur wie ein Ziegenbock, sagte sich Eric und willigte ein. Er erzählte von seiner überraschenden Begegnung mit Elizabeth am Strand, vom Hundebiss, den eifrigen Sanitätern und der erschrockenen Ärztin. Hin und wieder unterbrach ihn Frau Oldenburgs herzliches Lachen und das Gebell der Hunde aus den unzähligen Häusergärten, an denen ihr Weg vorbeiführte.

Der harte Engel

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