Читать книгу Sonnenwarm und Regensanft - Band 3 - Agnes M. Holdborg - Страница 9
Elfentempo
ОглавлениеAnna war gerade auf dem Weg zur Tür, als Lena zur Küche hereinkam. »Ich war noch draußen«, meinte Lena verlegen.
»Ich weiß«, antwortete Anna staubtrocken.
»Wir haben nur …«
»Ich weiß.«
»Sentran kümmert sich noch …«
»… um Pan. Ich weiß.«
»Um Himmels Willen, Anna, würdest du bitte nicht so selbstgefällig grinsen und mal kurz mit mir rauskommen?«
Anna sah Viktor an.
»Du hältst dich gefälligst aus unseren Köpfen raus. Ist das klar?«
Viktor nickte wohlwollend, wobei seine Lippen allerdings verdächtig zuckten, so, als ob er tapfer versuchte, ernst zu bleiben. Nach einem kurzen missbilligenden Kopfschütteln in seine Richtung führte Anna ihre Schwester zur Bibliothek.
Sie beobachtete Lena, wie die sich mit staunendem Gesicht in dem großen Raum mit den hohen Regalwänden voller Bücher umschaute und dabei fast vergaß, warum sie eigentlich hergekommen waren. Anna erinnerte sich, wie sie selbst zum ersten Mal die Bibliothek bewundert hatte. Die riesigen Fenster und Oberlichter, aus denen das Licht geradezu hereinzustürzen schien. Sie konnte nachvollziehen, wie beeindruckt Lena davon war, besann sich allerdings darauf, dass sie miteinander reden wollten, und sah ihre Schwester auffordernd an. Trotz der vielen bequemen Sessel blieben sie stehen.
»Wir haben uns geküsst.«
»Ich weiß, Lena.«
»Anna, ich weiß aber nicht! Ich weiß nicht, was mit mir los ist!«, platzte es mit einem Mal aus ihr heraus. »Ich bin komplett verwirrt. Ich wollte das doch gar nicht. Und dann … Es kam so überraschend, war so berauschend, unglaublich! Es kann doch nicht sein, dass ich mich in ihn verliebt habe, oder? Ich hab ihn gerade erst kennengelernt. Das ist doch total verrückt!«
»Ist es das?«
»Anna!« Lena verschränkte die Arme vor der Brust, löste sie aber sofort wieder und tippte mit dem Zeigefinger gegen Annas Schulter. »Würdest du mich jetzt bitte ernst nehmen? Ich bin total konfus und du machst dich auch noch lustig über mich.« Sie fasste sich an die Stirn. »Was tue ich hier eigentlich? Ich knutsche draußen in einem elfischen Schlosspark bei eisiger Kälte mit einem riesigen Elfenmann herum, bis ich nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht, und dann frag ich auch noch meine kleine Schwester um Rat.« Sie sah Anna an. »Das ist wirklich total verrückt. Ich muss total verrückt geworden sein. Anders kann man das ja wohl nicht erklären.«
»Na danke«, gab Anna patzig zurück. »Danke dafür, dass dir mein Rat vielleicht einzig deshalb nicht gefallen wird, weil ich nur deine kleine Schwester bin.« Mit in den Hüften gestemmten Fäusten und beleidigter Miene blickte sie Lena erbost an.
»Ach, so war das doch gar nicht gemeint. Ich will deinen Rat ja«, beschwichtigte die sie. »Also, bitte antworte mir. Kann es sein, dass ich mich in ihn verliebt habe? Denn ich fühle mich eindeutig so.« Sie lief tomatenrot an und schluckte schwer. »Am liebsten würde ich jetzt gleich mit ihm … Na ja, du weißt schon.«
»Ja, ich weiß. Und ich verstehe dich.« Anna legte die Arme um Lenas Schultern. Dabei schaute sie ihr tief in die Augen. »Das liegt an ihnen, Lena, an den Elfen. Versteh mich bitte nicht falsch. Du hast dich natürlich nicht in Sentran verliebt, weil er ein Elfe ist. Aber die Geschwindigkeit, mit der das alles passiert, das liegt eindeutig daran, dass er ein Elfe ist. Bei Elfen geht nämlich Alles viel schneller und ist noch dazu intensiver. Sentran hat dich sozusagen mit seinem Tempo angesteckt. Jetzt musst du dich entscheiden, ob du dieses Tempo mitgehen willst.«
***
Er hatte den Stallburschen weggeschickt. Der hatte sich bereits um Ariella gekümmert. Doch Sentran wollte Pan nun selbst versorgen. Er mochte dieses Pferd und freute sich schon darauf, bald selbst ein solch edles königliches Tier zu erhalten. Das war allerdings nicht der Grund, weshalb er statt mit Lena in die Schlossküche lieber erst einmal in den Stall gegangen war. Nein, er musste sich unbedingt beruhigen und ablenken.
Er füllte Pans Futtertrog und begann danach, das Pferd abzureiben und zu striegeln, während es fraß.
»Sie ist viel zu zerbrechlich für mich«, sprach er leise und strich über das schwarze Fell. »Ein Mensch.«
Dann schwieg er. Ihm gingen die vergangenen wundervollen Momente, Lenas Küsse, durch den Kopf. Er spürte, wie sehr er sich zu Lena hingezogen fühlte, wie sehr er sich nach ihr verzehrte.
Seine Stimmung verdüsterte sich.
… Er hatte schon einmal so begehrt. Doch Kirsa hatte sich für die Ehe aufsparen wollen. Fünf lange Jahre! Fünf Jahre lang hatte diese Frau ihn seit der Verlobung hingehalten. Sie hatte den Hochzeitstermin immer und immer wieder verschoben, bis zu seinem endgültigen Ultimatum. Und dann war sie nicht gekommen. Sie war zu ihrer eigenen Hochzeit einfach nicht erschienen. …
Sentran lehnte die Stirn an Pans Hals. Das Pferd schnaubte zärtlich.
»Sie hat mir nicht gesagt, warum sie das getan hat, Pan. Sie hat nur mit den Achseln gezuckt und gemeint, ich sei wohl doch nicht der Richtige für sie.« Sentran striegelte weiter Pans Fell.
»Ich kann Lena unmöglich noch näherkommen. Ich glaube, ich würde über sie herfallen, so sehr will ich sie. Nach diesen fünf Jahren weiß ich einfach nicht, ob es meine Abstinenz oder mein Verlangen oder meine Liebe ist, die mich treibt.«
»Ich würde sagen, dass du trotz fünf Jahren Enthaltsamkeit kein Wüstling bist, der über eine wehrlose Menschenfrau herfällt, Sentran.«
Erschrocken wirbelte er herum und blickte geradewegs in Ketus ruhige hellbraune Augen. Sentran hatte ihn nicht kommen gehört, ihn nicht gespürt, sich selbst nicht verschlossen, noch dazu laut mit sich und einem Pferd gesprochen.
»Wie hat Vitus das so treffend gesagt?: Es sind die Frauen. Sie machen uns schwach. Und wir können nichts dagegen tun. Du bist auch nur ein Mann, der seinen Geist aufgrund der Liebe zu einer Frau nicht mehr im Griff hat.« Ketu trat ein Stück näher. »Und du bist kein lüsternes Monster, Sentran. Du hast dich einfach nur verliebt.«
Ketu schien Sentrans Reaktion sehr genau zu beobachten. »Ich hatte eigentlich gar nicht vor hierherzukommen, aber als ich vor ein paar Minuten meine Schicht antrat, habe ich unbeabsichtigt deine Gefühle und Gedanken wahrgenommen.« Er sah Sentran in seiner typisch besonnenen Art an. »Ich wollte es nicht, doch es hat mich angerührt, wie sehr du verletzt worden bist und wie du über Lena denkst.«
»Danke, für dein Mitgefühl, aber das ist nicht nötig«, gab Sentran schroff zurück.
Es ärgerte ihn, dass ausgerechnet Ketu ihn erspürt hatte. Ausgerechnet der Mann, der ihm von Anfang an so argwöhnisch gegenübergetreten war, weil er in der Trauer um seinen Bruder immer noch glaubte, Sentran würde als Sistras Nachfolger dessen Andenken schaden.
»Nein, das glaube ich nicht, nicht mehr. Du schadest Sistras Andenken nicht. Niemand kann das. Du schadest nicht, ganz im Gegenteil, denn wir brauchen dich als sechsten Mann, Sentran. Dessen bin ich mir bewusst. Mein Schmerz um den Tod meines Bruders hat nichts mit dir zu tun.«
»Wie kommt es zu dem Sinneswandel?«
»Wir sind Elfen. Zwischenelfische Eindrücke und Empfindungen entstehen bei uns nun mal häufig extrem schnell und kompromisslos, im Elfentempo halt. Soll heißen, ich kann meine freundschaftlichen Gefühle für dich nicht länger verhehlen.«
Sentran lächelte, als er bemerkte, dass Ketu eher zerknirscht denn froh über diese »freundschaftlichen Gefühle« dreinschaute.
»Also gut, das freut mich natürlich, denn mir geht es nicht anders. Ein Wort noch und dann sollten wir nie mehr darüber reden, Ketu: Ich habe deinen Bruder nicht gekannt, jedoch viel Gutes über ihn gehört. Wo und wann immer sich mir dir Gelegenheit bietet, werde ich ihm Ehre erweisen. Das verspreche ich dir.«
Ketus Blick blieb verschlossen. Sentran sah trotzdem seine Freude. »Danke, Sentran. Lass mich jetzt Pan weiter versorgen und geh du zu Lena.« Ketu nahm ihm den Striegel aus der Hand. »Ach, übrigens, ich habe Lenas Emotionen deutlich wahrgenommen. Sie und auch Anna werden vielleicht böse sein, weil ich es dir erzähle. Aber, ich denke, das ist wichtig. Ich habe es gesehen, Sentran. Lena begehrt dich genauso wie du sie. Geh zu ihr und trage sie in dein Bett. Deine Schicht ist schließlich seit ein paar Minuten vorbei.«
Für einen Moment schwieg Sentran, bevor er antwortete: »Ich weiß nicht, ob ich sie in mein Bett tragen werde, doch werde ich jetzt mit ihr sprechen. Auch ich danke.«
Sobald er den Stall verlassen hatte, raste Sentran mit Elfenschnelligkeit ins Schloss und erspürte Lenas Aufenthaltsort. Ohne anzuklopfen, betrat er die Bibliothek und sah Lena geradewegs in die Augen.
»Könnte ich dich sprechen, Lena? Bitte. Unter vier Augen.«
»Tja, ich geh dann mal.« Anna huschte schmunzelnd an ihm vorbei durch die Tür und schloss sie leise hinter sich.
Er schluckte schwer, versuchte, sich zu sammeln, um die richtigen Worte zu finden. Es half ihm nicht, dass Lenas Augen sich kurzzeitig weiteten. Dieser grüne Schimmer darin verriet ihm ihre ganze Aufregung und spiegelte damit seine eigene wieder. Doch er musste einfach mit ihr reden.
»Ich bin nun mal ein Elfe«, begann er. »Ich weiß nicht, was daraus werden wird. Aber ich weiß, dass du mir sehr viel bedeutest, Lena, sehr viel. Wirklich sehr viel.«
Sie ging ein paar Schritte auf ihn zu und er wich genau diese Schritte zurück.
»Lena, du musst wissen, wer, was und wie ich bin.«
Als Reaktion trat sie noch näher zu ihm. Nun konnte er nicht weiter zurückweichen, da er schon mit dem Rücken an der Tür stand.
»Du bist ein ziemlich großer Elfenmann, Sentran. Das sehe und das weiß ich. Mehr interessiert mich derzeit nicht.« Sie kam noch etwas näher. »Würdest du mich bitte noch einmal küssen, anstatt von wer, was und wie zu reden?« Jetzt stand sie so dicht vor ihm, dass sie sich berührten.
Erneut schluckte Sentran, dieses Mal so schwer und so laut, dass Lena es sehen und hören konnte. »Aber, Lena, ich … Ähm … Ich wollte eigentlich nur mit dir … Ich wollte dir nur erklären, dass …« Völlig aufgewühlt fuhr er sich mit den Händen durchs helle Haar. »Ach …« Endlich gab er sich einen Ruck. »Ach, was soll’s?«
Wie schon draußen im Park riss er sie an sich und verschmolz seine Lippen mit ihren. Seine Leidenschaft raubte Lena kurzzeitig die Sinne, sodass Sentran sie erschrocken wieder losließ.
»Nicht«, stieß sie keuchend aus. »Nicht aufhören. Bist du verrückt?«
Lächelnd nahm Sentran sie bei der Hand. »Doch, Lena, ganz kurz nur. Komm mit.«
***
Sentran brachte sie in sein Zimmer, einem spartanisch eingerichteten Raum mit einem Stuhl, einem Tisch und einem großen, breiten Bett. »Ich bin erst kurze Zeit hier. Es ist noch etwas ungemütlich«, entschuldigte er sich leise und schaute sie dabei an, als hätte er flüssiges Silber in den Augen.
Er hob ihre Hände an seine Lippen und küsste zärtlich ihre Fingerknöchel, wobei er ihr weiterhin derart tief in die Augen blickte, dass sie eine wunderbare Gänsehaut überlief. »Bist du dir sicher, Lena?«
»Nein, aber ich will es«, antwortete sie aufrichtig. »Ich halte es nicht mehr aus, Sentran. So etwas habe ich noch nie erlebt.« Seine Augen funkelten regelrecht. Lena stellte sich vor, wie sein Silber ihrem grünen Glanz begegnete
Sanft strich er ihr mit seinen Fingern durchs Haar. »So etwas habe ich auch noch nie erlebt.« Nun sah er verlegen aus. »Lena, ich kenne dich so gut wie gar nicht. Ähm, hast du schon mal …? Nimmst du irgendwas? Es tut mir leid, dass ich dich das frage, aber …«
Seine Verlegenheit milderte ihre eigene und ließ sie schmunzeln. »Ja, Sentran, ich habe schon mal und ich nehme die Pille. Außerdem es ist mit Sicherheit besser, vorher als nachher zu fragen. Nur wäre es mir lieb, wenn du jetzt mit den Fragen aufhören könntest. Schau mich auch bitte nicht so an, als wäre ich ein winziges, empfindliches Wesen, das du kaputtmachen könntest.«
Sentran lächelte. Sie konnte vielleicht doch sehen, was er dachte. Dennoch würde er behutsam sein, sehr behutsam.
Er trat an sie heran, ganz nah, ganz dicht und schaute zu ihr hinab, während sie erwartungsvoll zu ihm aufsah. Bewusst langsam öffnete er ihre Bluse, Knopf für Knopf, und schob sie sanft über ihre Schultern, bis sie zu Boden fiel. Er atmete tief durch, denn beim Anblick ihrer sanften Rundungen in dem Spitzen-BH musste er um Beherrschung ringen. Am liebsten hätte er das zartrosa Ding vor lauter Ungeduld von ihrem Wahnsinnkörper gerissen. Stattdessen strich er einmal über die weichen Spitzenbögen, griff danach hinter Lenas Rücken, öffnete behutsam den Verschluss und streifte die Träger ab, sodass auch dieses Kleidungstück zu Boden ging. Dann legte er seine Hand auf ihre Brust und spürte darunter ihr kräftig klopfendes Herz.
»Du bist aber nun mal klein, zart und zerbrechlich, Lena, und wunderschön.«
Er hob sie hoch, legte sie auf sein Bett. Ihr helles Haar ergoss sich wie ein Wasserfall auf dem dunkelblauen Kissen und weckte in ihm das verzweifelte Bedürfnis, sie einfach zu verschlingen. Wieder rief er sich ins Gedächtnis, achtsam mit ihr umzugehen. Also küsste er sie zunächst zärtlich.
Doch Lena stellte ihn auf eine harte Probe, indem sie die Hände an seinem Körper entlanggleiten ließ und sie dann fordernd in seinem Haar vergrub. Sie war nicht zurückhaltend. Sie war wie von Sinnen.
Als er endlich seinen Mund auf ihre Brust senkte und mit den Zähnen an deren Spitzen zog, versetzte es Lena einen derart süßen Stich in den Unterleib, dass sie vor Verlangen laut aufschrie.
Sie zerrte an seinem Shirt, damit er ihr seine Haut schenkte, wollte ihn auf sich spüren, war außer sich vor Wonne, als sie mit den Fingern erst langsam, dann aber wild über seine unglaubliche Rückenpartie strich. Die angespannten Muskeln unter seiner glatten Haut verleiteten sie dazu, seinen Kopf zu sich herunterzuziehen, um ihn wieder stürmisch zu küssen und zu schmecken.
Unterdessen nestelte Sentran am Knopf und Reißverschluss ihrer Jeans. Sie hob die Hüften, damit er ihr die Hose vom Leibe zerren konnte. Während seiner leidenschaftlichen Küsse glitten seine Finger unter das winzige rosa Spitzendreieck, sodass ihr Herz einen Moment aussetzte und sie hilflos ihrem Höhepunkt entgegentrieb, der sie sich aufbäumen und einem Schüttelfrost gleich unkontrolliert zucken ließ, bis sie mit zitternden Lippen seinen Namen wisperte und sich ergab.
Schnell richtete er sich auf, streifte ihr den Tanga und sich selbst die Hose herunter und legte sich sofort wieder zu ihr.
Lena war halb wahnsinnig vor weiterem Verlangen nach ihm. Ungeduldig reckte sie sich ihm entgegen und schloss verzückt die Augen, als er sich endlich mit ihr verband.
»Schau mich an, Lena«, flüsterte er und beugte sich zu ihr. »Schau mir in die Augen. Ich will, dass du mich ansiehst.«
Gehorsam folgte sie, versank in seinem Silber. Es fiel ihr schwer, den Blick nicht abzuwenden, nicht mit dem Kopf hin- und herzuschlagen, als sie ein zweites Mal die Kontrolle verlor.
Das ist noch nicht genug, dachte er. »Sieh mich weiter an, Lena«, forderte er sie auf, wobei er sein Tempo erhöhte. »Komm schon, sieh mich an.«
Ihre und seine Glückseligkeit berauschten ihn. Sie zu erfüllen und sie so zu sehen – nur er allein – trieb ihn an, zur Zärtlichkeit und zur Raserei gleichermaßen.
Sie begann zu stöhnen, konnte seinem Blick nicht mehr standhalten. »Sentran!«
Er hörte ihre Stimme durch das Rauschen seines Blutes hindurch, bäumte sich auf und folgte ihr in einen gewaltigen, eruptiven Orgasmus. Auch er rief ihren Namen, mehrmals, bevor er reglos unterging.
Das war nicht das einzige Mal, dass sie an diesem frühen Abend miteinander schliefen. Sie konnten nicht genug voneinander bekommen und liebten sich immer wieder. Und immer wieder versanken sie danach fest umschlungen in tiefen Schlaf, wurden dann aber erneut von ihrem unbändigen Verlangen geweckt.
So war es bereits früher Morgen und noch dunkel, als sie schweißgebadet von sich abließen. Fast!
»Ich kann mich nie wieder bewegen«, ächzte Lena, lächelte aber dabei. »Mir tut alles weh. Jeder Muskel, jeder Knochen in meinem Körper schreit nach Ruhe.« Sie streckte sich auf ihm aus und begann, genüsslich an seinem Kinn zu knabbern. »Falls ich nicht bald eine Dusche und dann was zu essen bekomme, muss ich dich verspeisen. Es wäre äußerst schade, wenn du nicht mehr da wärst.«
Er begann seinerseits ausgiebig an ihr herumzuknabbern, bis ihre Augen erneut glasig wurden. Währenddessen brachte er sie mit einer blitzschnellen Bewegung unter sich. Dann aber zog er sie lachend hoch und trug sie ins angrenzende Bad.
»Dusche?«, fragte er fröhlich. »Kommt sofort.«
***
Als sie später zur Küche gingen, hoffte Lena inständig, dort allein mit Sentran frühstücken zu können, wurde jedoch überraschend eines Besseren belehrt: Alle saßen an dem riesigen Tisch und feixten sie breit an. Vitus und Loana, die fünf Wachkollegen, Viktoria und sogar die vermeintlichen Langschäfer Anna und Viktor.
Lena spürte, wie sie rot anlief. Deshalb machte sie Anstalten, die Küche fluchtartig zu verlassen. Doch Sentran hielt sie fest, strich ihr beruhigend übers Haar und beugte sich zu ihr hinunter.
»Bleib bei mir«, hauchte er ihr ins Ohr. »Ich möchte nicht ohne dich hier sein. Ich brauche dich.«
Seine Bitte brachte Lena zum Strahlen. Er küsste sie auf den Scheitel und führte sie dann zum Tisch.
»Guten Morgen.« Sentran sprach betont munter und erwiderte kurz das breite Grinsen der anderen, insbesondere das des Königs. Er drückte Lena zärtlich auf einen Stuhl und schlenderte daraufhin zur Anrichte, um für sie beide in aller Ruhe ein reichliches Frühstück samt Kaffee und Orangensaft zusammenzustellen.
Vitus schien jede seiner Bewegungen mitzuverfolgen, hatte bislang allerdings noch nichts gesagt, weshalb wohl auch die anderen schwiegen, überlegte Lena.
»Du hast dich schnell eingelebt, Sentran. Das ist sehr erfreulich.«
Jetzt schaute Vitus zu Lena, die sofort die Lider senkte.
Anscheinend wollte Anna etwas dazu sagen, doch Viktor hielt sie zurück.
Vitus richtete sich erneut an seinen Wachmann. »Jaa, ich komme zu dem Schluss, dass die vergangene Nacht eine angenehme und erfreuliche Nacht für euch beide gewesen sein muss. Und ich glaube, du warst deswegen in den letzten Stunden ein klein wenig abgelenkt«, sprach Vitus milde lächelnd weiter. »Aus diesem Grunde hast du wohl nichts von den fantastischen Neuigkeiten im Schloss mitbekommen.«
Nun war es an Sentran, in gleicher Manier wie sein König zu lächeln. »Wenn du meinst, ich hätte nicht mitbekommen, wie dich die Nachricht, dass du wieder Vater wirst, erreicht und umgehauen hat, muss ich dich leider enttäuschen, mein König. Vielleicht bin ich derzeit wirklich etwas abgelenkt und kann meinen Geist nicht so sorgfältig verschließen wie sonst. Doch bin ich weder blind noch taub.« Sentran sah Loana und den scheinbar ehrlich erstaunten Vitus an. »Das ist eine Nachricht, die mich mit Freude erfüllt. Ich gratuliere.«
Vitus seufzte anerkennend. Er sprach nun zu seinen anderen fünf Wachleuten: »Tja, Männer, ich glaube, wir haben unseren sechsten Mann tatsächlich gefunden.«
»Siehst du, Anna«, kommentierte Viktor grinsend. »Mein Vater bringt andere zwar nur zu gerne in Verlegenheit, aber heute Morgen brannte ihm eindeutig etwas viel Wichtigeres auf der Seele als Lenas und Sentrans Bettgeflüster.« Dafür handelte er sich einen Rippenstoß von Anna ein.
Lena fühlte schon wieder die Röte in sich aufsteigen. Ihr wäre es lieb gewesen, man würde nicht derart lebhaften Anteil an ihrem Liebesleben nehmen.
Offenbar war für Vitus das Thema abgeschlossen. Er wandte sich an Viktoria. »Schön, dass du mitgekommen bist und das, obschon Ketu Dienst hat.«
»Och, ich kann mich zwischendurch ganz gut alleine beschäftigen, Vater. Ich bin gerne hier im Schloss. Außerdem würde ich mich freuen, wenn wir uns die Sachen von unserer Mutter anschauen könnten.«
»Das ist eine hervorragende Idee.« Vitus lächelte, wurde aber wieder ernst, als er bemerkte, wie Loana unruhig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte.
»Schon wieder?«, fragte er besorgt. Sie nickte stumm, sprang auf und rannte hinaus – und Vitus hinterher.
»Du meine Güte!«, rief Anna aus. »Hoffentlich hört das bald auf. Loana tut mir schrecklich leid.«
Viktoria blickte nachdenklich zur offenstehenden Küchentür. »Ja, das ist wirklich schlimm. Aber ich glaube, das ist ihr egal. Sie ist so überglücklich. Schließlich hat sie jahrelang geglaubt, keine Kinder bekommen zu können. Ich nehme an, da nimmt sie das bisschen Kotzerei gerne in Kauf.« Sie sah zu Lena, die gerade herzhaft in ihr Käsebrötchen biss, und machte große Augen. »Ach du Schreck, entschuldige bitte, Lena. Das war taktlos von mir. Das ist nun wirklich kein Thema fürs Frühstück.«
Lena war schlichtweg am Verhungern, weshalb sie nur mit halben Ohr zugehört hatte, und schluckte nun den so genüsslich einverleibten Bissen ihres Brötchens hastig runter. »Hm?« Erst jetzt wurde ihr richtig bewusst, dass Viktoria sie gemeint hatte. »Oh, ähm, nein, schon gut. Ich bin nicht so empfindlich. Außerdem ist Loana ja rausgegangen, um zu …«
Was redete sie denn da? Erneut wurde sie rot. Doch als sie die belustigten Gesichter erblickte, auch das von Sentran, fiel sie erleichtert ins Gelächter ein und setzte dann fröhlich ihr Frühstück fort. Kurze Zeit später aber hielt sie sich stöhnend den Bauch. »Ich kann nicht mehr«, jammerte sie.
»Du kannst mit deinen gerade mal zwei Brötchen unmöglich schon satt sein«, protestierte Sentran. »Außerdem bist du eindeutig zu dünn, genau wie deine Schwester.«
»Hey, lass mich da gefälligst raus, Sentran. Mir reicht es schon, wenn Viktor und Vitus mich ständig mit dem Essen gängeln.« Anna guckte beleidigt drein. »Und überhaupt, was heißt hier: zu dünn? An uns Nell-Schwestern ist alles dran, was dran zu sein hat.«
Lena lachte, als sie Sentrans betretenes Gesicht sah. An ihr war in der vergangenen Nacht ganz bestimmt genügend dran gewesen. Das hatte er ihr ausgiebig gezeigt. Deswegen nahm sie seine Hand und drückte sie zart.
»Schon gut, Anna, wir sind mit allem bestückt, was wir zum Leben brauchen.« Sie ließ Sentran los und hielt sich aufs Neue den Bauch. »Aber jetzt bin ich dermaßen satt, dass ich das Gefühl habe, es wäre viel zu viel an mir dran.«
Sie erwiderte Sentrans empörten Blick. »Zwei Brötchen, eine Riesenportion Rührei und Müsli. Ich bitte dich, Sentran, das kannst du doch nie und nimmer zu wenig nennen? Ich bin nicht mal die Hälfte von dir. Du hast aber nicht doppelt so viel gegessen wie ich.«
»Vergiss es, Schwesterherz!«, rief Anna eilig dazwischen. »Wenn es ums Essen geht, sind Elfen und auch Halbelfen äußerst starrsinnig. Das scheint deren Lebensphilosophie zu sein.«
»Es sind die Menschen, die sagen: Essen hält Leib und Seele zusammen«, schaltete Ketu sich ein.
Lena hatte von ihrer Schwester allerhand Anekdoten und Geschichten über den Elfenkönig, seine Verlobte und auch über seine sechs Wachen gehört. Jedenfalls genug, um zu wissen, dass Ketu zwar zu der zurückhaltenden Sorte Mann gehörte, aber nicht zur gänzlich stillen. Offenkundig hatte er sich an ein Sprichwort aus dem reichhaltigen Repertoire seines verstorbenen Bruders Sistra erinnert und es nun zum Besten gegeben.
»Eben, Ketu, Essen – aber nicht Fressen«, konterte Anna lachend, während vier der Wachen als Kommentar einmal kurz nickten, dann aufstanden und hinausgingen.
Ketu gab Viktoria einen sanften Kuss. »Kommst du noch mit raus?«, bat er sie.
»Aber sicher doch, Ketu. Schließlich muss ich bis heute Abend ohne dich auskommen.« Viktoria folgte ihm nach draußen.
»Tja, wir sollten in die Bibliothek gehen, Viktor, damit sich Sentran und Lena auch ungestört voneinander verabschieden können.« Anna zog ihn hinter sich her. Dann drehte sie sich um und sprach Lena noch einmal an, ehe beide hinausgingen. »Komm doch gleich nach.«
»Was?«, fragte Lena völlig überrumpelt. »Du musst weg?«
»Ja, ein Einsatz im Norden«, entgegnete Sentran und wirkte niedergeschlagen. »Aber heute Abend bin ich zurück, Lena, bestimmt. Wirst du auf mich warten?« Seine silbergrauen Augen blickten sie so eindringlich an, dass sich ihr Herz augenblicklich zusammenzog.
»Gerne«, flüsterte sie und ließ sich noch einmal ausgiebig von ihm küssen, bevor auch er zur Küche hinausging.
Nachdem sie allein war, befand sich Lena wie in Trance. Sie räumte den Tisch ab und stapelte alles auf die Anrichte. Dabei war sie derart tief in ihren Erinnerungen an die vergangene Nacht, aber auch den überraschenden Abschied von Sentran versunken, dass ihr gar nicht aufgefallen war, wie eine große junge Elfe den Raum betreten hatte und Lena nun ungeduldig anstarrte.
»Du brauchst das nicht zu tun. Das ist nämlich meine Aufgabe.«
Erschrocken fuhr Lena herum und ließ eine Gabel fallen.
»Mein Name ist Etita. Du wolltest doch zu deiner Schwester in die Bibliothek.« Etita machte mit den Händen eine scheuchende Bewegung. »Sie erwartet dich schon.«
Lena war es nicht gewohnt, dass andere hinter ihr herräumten und noch dazu in ihren Kopf herumstöbern konnten. Doch diese Etita machte auf sie den Eindruck, ihr besser nicht zu widersprechen. Also ergriff sie die Flucht und machte sich hastig auf den Weg zur Bibliothek.