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5. Kapitel

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Eine Liebschaft begann zwischen beiden, die erste in Corinnas Leben. Sie hatte ihre Zurückhaltung plötzlich aufgegeben, da sie annahm, mit dem Ende der Filmaufnahmen wäre nun auch die Liebe am Ende und das durfte einfach nicht sein. Dies wäre ewig schade gewesen, denn man liebt nur einmal im Leben, war ihre Auffassung. Aber vorläufig wollte sie mit ihm noch nicht intim werden, nein, das wirklich nicht, sondern das Intime möglichst lange hinauszögern, um ihn zuvor richtig kennenzulernen.

Vor dem Einschlafen dachte sie noch scharf nach: Wenn er hört, dass ich schon ein paarmal verheiratet gewesen bin, ist das schlecht. Ich tue gut daran, es ihm zu verschweigen. Ich brauche es doch nicht an die große Glocke zu hängen. Wer schreibt mir das vor? Verschwiegenheit ist sowieso eine Tugend. Außerdem muss er nicht alles wissen. Also beruhige dich und habe kein schlechtes Gewissen! Es wäre ja ein Verrat an mir selber. Auch dass ich reich bin, geht ihn im Grunde nichts an. Corinna stifte kein Unheil, sagte sie zu sich selber, Geldgier erwacht sonst bei ihm. Wurde nicht die weiße Dame von ihrem geldgierigen Ehemann erstochen, so nimmt man wenigstens an. Nein, das darf er nie erfahren; der Gedanke ans Geld verdirbt jeden Menschen, auch die sonst guten Leute. Lieber als reich, will ich vor ihm ärmlich erscheinen. Vielleicht führt meine allzu elegante Aufmachung, mein teurer Schmuck ihn auf den Gedanken, ich müsste eine Millionärin gar sein? Kann sein. Wie recht er dabei hätte. Er sieht überaus schlau aus. Vielleicht ist er ein Kaltblut. Wer weiß? Die Verstellungskunst mancher Menschen kann riesengroß sein, habe ich mit den Jahren im Umgang mit Menschen erfahren. Oh, wie können Menschen schmeichlerisch tun! Derweil stecken sie bis zum Hals voll Abneigung und Hass. Oh, ich kenne die Menschen! Man glaubt das nicht, man kann gleichzeitig so süß daherreden und doch ganz ohne Sympathie und innere Beteiligung, sprich Empathie, sein, so wie es zwischen mir und meinen Ehemännern auch der Fall war. Ich spielte denen bloß etwas vor. Eine große Heuchelei lief zwischen uns ab. Aber Rudolph ist auch schwer einzuschätzen in dieser Hinsicht. Ob er mir auch bloß etwas vormacht? Ob er mir Glück bringen wird? Misstrauisch ihm gegenüber bin ich schon. Leider kann ich ihm nur schwer widerstehen. Ich könnte mich in seiner Gegenwart ganz vergessen, was allerdings nicht sein darf. Ich habe beim Filmen schon gemerkt, dass er hinter jeder Schauspielerin her ist und ihr den Hof macht. Ich habe doch Augen im Kopf und merke das sofort. Für einen treuen Ehemann eignet er sich absolut nicht, also lasse ich lieber die Finger von ihm oder ich suche bei ihm nur ein befristetes Glück von heute auf morgen sozusagen. Oder ein gelegentliches, wo man sich nur hin und wieder trifft, denn heiraten will ich nie wieder. Männer verraten nichts und ziehen vor dem Rendezvous den Ehering vom Finger. Manche Männer, wie ich hörte, lassen sich sogar im Ehevertrag das Recht auf das Fremdgehen von der verblödeten Ehefrau bestätigen. Nie würde ich dergleichen unterschreiben. Ja, wird dann der Bräutigam zur Braut sagen, wenn sie sich weigert, du hast doch dann das gleiche Recht wie ich. Doch die Frau - Ausnahmen sind die Regel - ist anders gepolt als der Mann, dessen Vaterrolle meist recht vage und schwach ist. Der Frau liegen die Kinder viel mehr am Herzen und auch dem Mann will sie unbedingt treu sein. Außerdem fände sie für sich gar keine Zeit zum Fremdgehen oder sie brächte es nicht übers Herz. Ganz anders ist es aber gewöhnlich oder wenigstens häufig beim Mann und Vater, der eiskalt seinem Begehren nachgeht und überhaupt nicht an Frau und Kinder denkt. Auch sein Gewissen plagt ihn nicht. Seine Seele und sein Herz lässt er außen vor. Der Frau bleibt bei Unzufriedenheit gottlob noch die Scheidung, was ihr schwer fallen muss, wenn sie Kinder hat und dann ein elendes armes Leben vor ihr liegt. Keine Mutter will eine Rabenmutter sein. Darum auch werde ich von vorne herein keine Kinder bekommen wollen von einem Don Juan und so bin ich auch in der Vergangenheit vorgegangen.

Es dauerte Wochen, bis der Regisseur Corinna anrief und fragte: Wann haben Sie Zeit? Geht es heute vielleicht?

Ja, heute geht es, sagte sie.

Ich hole Sie in einer Viertelstunde ab, sind Sie damit einverstanden?

Ja, sagte sie.

Bis bald, mein Schatz, sagte er noch am Telefon, bevor er den Anruf beendete.

Oh, dachte sie, er nennt mich bereits Schatz. Er ist in mich verliebt.

Es dauerte gar nicht lange, da klingelte es an ihrer Haustüre.

Hoppla, dachte sie, ist das schon der Regisseur? Dann wohnt er in meiner Nähe oder er hat vom nahen Telefonhäuschen aus telefoniert.

Sie ging zur Sprechanlage und fragte: Wer da? Ach Sie schon! Ich komme gleich, Herr Regisseur.

Sie zog sich um. Aber nochmals läutete der Ungeduldige und diesmal sogar Sturm. Da ging sie nochmal zur Sprechanlage und bot ihm Einhalt. Dann kehrte Ruhe ein. Sie tummelte sich, machte den Herd aus, die Musik und die Lichter, griff zur Handtasche und Sonnenbrille, denn draußen herrschte hellster Sonnenschein.

Als sie die Haustüre öffnete und nach draußen trat, lehnte Rudolph seitwärts versteckt an der Hauswand und schielte schräg zu ihr herüber, indem er verschmitzt lächelnd fragte: Warum ließen Sie mich nicht eintreten? Haben Sie Schiss vor mir?

Das nächste Mal, beruhigte sie ihn. Was machen wir bei dem herrlichen Wetter drinnen im Haus?

Er blinzelte sie schelmisch und ungläubig an.

Sie werden mein Heim noch früh genug kennenlernen, wenn Sie möchten, versprach sie ihm im Fortgehen.

Dort drüben, sagte er, beginnt doch der Park. Gehen wir in diese Richtung.

Das Sommerwetter war wirklich schön und lud zu einem Spaziergang ein. Im Park hockten junge Leute im Gras und picknickten vor sich hin; es war gemütlich, ihnen zuzusehen.

Plötzlich fasste er ihre Hand. Sie haben doch nichts dagegen?, fragte er.

Ich lasse es gerne geschehen, sagte sie.

Hieraufhin blieben sie stehen, drehten sich zueinander und küssten sich lange. Ein Wunder ist geschehen, dachte sie, und ihr Herz stand in Flammen.

Ach, ich liebe Sie sehr, sagte er. Ich möchte Sie öfters sehen und mehr Zeit mit Ihnen verbringen. Geht das?

Ich liebe Sie ja auch, antwortete sie, aber es ist anfangs schon gut, wenn wir uns nur hin und wieder sehen. Man soll sich nach und nach kennenlernen.

Ich bin fürs Schnelle, betonte er lachend.

Ich als Frau habe Geduld, meinte sie.

Ach, Sie sind doch ein heißes Blut! Geben Sie es nur zu!, sagte er und lachte sarkastisch.

Daraufhin erwiderte sie nichts mehr, sondern schwieg und dachte nach: Wie recht er doch hat! Wie genau der Kerl mich durchschaut! Er schaut tiefer in mein Herz als ich selber und erkennt in Sekundenschnelle, dass ich lüge und mein Begehren hintanstelle.

Während sie neben dem Fluss hergingen und durch grüne bewaldete Parkanlagen wanderten, Hand in Hand, sah sie ihren großen, schlanken Begleiter von der Seite manchmal neugierig und verstohlen an. Sein Profil ist auch schön, fand sie. Seine schwarzen gewellten Haare schmiegten sich zärtlich ums Haupt, seine schwarzen Augen blickten scharf und zudringlich, beinahe besitzergreifend sie an, während er beim Gehen wiederholt ihre Hand drückte. Oh, sie begehrte ihn aufrichtig. Doch, sagte sie sich im gleichen Atemzug: Er ist ein Schlaumeier, ein aufdringlicher Mann, er würde mich betrügen, er wird mich nicht kriegen. Es ist ein Spiel mit dem Feuer, gewiss. Klar, er will nichts lieber als mit mir ins Bett gehen, ich weiß, und falls ich es nicht bald zulasse, wird er die Geduld verlieren, und dies muss ich zu verhindern trachten.

Aber darin kann er Recht haben, dass ich im Grunde ein heißes Blut bin so wie er selber ja auch. Aber ich kann im Leben nichts mehr leichtnehmen, nach dem Frust, der hinter mir liegt. Alle diese Ehemänner, die ich einmal besaß, haben mich doch bloß frustriert. Ich fühlte mich degradiert, da keine Liebe mich beseelte. Jetzt ist dies allerdings anders; ich bin durch und durch von Liebe erfüllt und schön wäre es, wenn es immer so bliebe. Das wäre beinahe das Paradies.

Sie sprachen jetzt relativ wenig. Er besaß hübsche Lippen, die zum Küssen einluden. Jedoch war das Küssen allein dem Rudolph viel zu wenig. In ihm schrie es nach mehr, als brenne in ihm ein unauslöschliches Feuer. Oh, weh!, kann sein, dass ihn die Liebe zum Schluss noch verbrennt, dachte sie. Er ist wahrscheinlich so sehr verliebt, dass meine Zurückhaltung in Sachen Liebe und Sex, ihn noch ganz verrückt machen wird. Kann jedoch auch das Gegenteil sein, dass er es nicht ist und nur ein spontanes erotisches Abenteuer sucht so wie alle Betrüger auch. Nach der einen Frau folgt die andere und immer so fort, die Reihe wird riesig lang, so wie der Legende nach bei Don Juan.

Ach, ich könnte weinen vor Wehmut, dachte Corinna, wenn ich meinen Geliebten so ansehe, so von der Seite, wie er schweigend durch den Park geht, Händchen haltend an meiner Seite; und nebenan der wilde Fluss, der uns mit seiner süßen Wassermusik begleitet. Was sind dies für unaussprechlich schöne romantische Momente!

Kehren wir wieder um, sagte er plötzlich. Gehen wir zurück zum Auto. Und während er dies sagte, schaute er nicht sehr glücklich drein, sondern schien mehr verdrießlich zu sein, gequält von düsteren Gedanken, vielleicht wegen der aufgezwungenen Entsagung, Kasteiung und Abstinenz. Aber der Mensch muss seine Triebe beherrschen können, sagt man; denn er besitzt in hohem Maße Vernunft und nicht bloß Verstand.

Sie stiegen ins Auto und fuhren zum Mittagessen. Ich esse gerne mit Ihnen, Corinna; es macht mir Spass, im Anblick einer so schönen Dame das Essen einzunehmen. Da schmeckt es mir gleich doppelt so gut, sagte er.

Freut mich, sagte sie, doch Sie gefallen mir schon auch sehr gut. Ich wüsste mir kaum einen schöneren Mann als Sie. Aber muss man Schönheit so hoch heben? Im Angesicht der Tugenden hat Schönheit doch gar keinen Wert.

Während dem Mittagessen dachte sie fortwährend: Wie soll das mit uns jetzt weitergehen? Er bedrängt mich total und will aufs Ganze gehen. Ich allerdings will nicht und sage nein. Ich stemme mich mächtig dagegen. Was wird dann daraus werden? Ob er dann von mir ablässt? Abwarten.

Nach dem Mittagessen gingen sie ein Stück an der scheußlichen Berliner Mauer entlang hin zum Brandenburger Tor, wo eine große Volksmenge herumstand wie in Trauer. Er legte seinen Arm traut um sie und nannte sie wieder „mein Schatz“. Dann sagte er voll tiefer Betroffenheit und Traurigkeit: Ach, werden wir den Abriss dieser grauenhaften Mauer, die mitten durch unsere Stadt führt, noch erleben? Die Mauer, die unsere liebe Stadt Berlin in zwei Hälften teilt? Wir können uns nicht in Richtung Ostberlin bewegen. Auf Ostberlin und auf ganz Ostdeutschland, wie Dresden und Weimar, müssen wir verzichten. Aber unseren ostdeutschen Landsleuten geht es noch viel schlechter als uns. Der 2. Weltkrieg hat unsere schöne Welt zerstört. Mein Elternhaus wurde auch zerbombt und dem Erdboden gleich gemacht; das existiert nicht mehr. Auch die Filmstadt Babelsberg ging uns an Ostberlin verloren. Dort hätte ich gerne meine Filme gemacht. Wie schade doch!

Corinna und Rudolph wandten sich zueinander, umarmten sich und fingen leise an zu weinen.

Schließlich schauten sie sich noch Kunstausstellungen an. Ermüdet stiegen sie hinterher wieder ins Auto und fuhren zu Corinnas Häuschen zurück, wo sich wieder ein Geschlechterkampf abspielte, als Rudolph anfing zu betteln: Nehmen Sie mich bitte heute mit in Ihr Haus. Haben Sie mir das nicht versprochen?

Nein, sagte sie, es ist noch zu früh. Wir müssen uns noch gedulden.

Rudolph, enttäuscht über ihre hartnäckige Weigerung, drehte sich abrupt von ihr weg und ging wie beleidigt und zügig zum Auto, während ihm Corinna zögernd ein paar Schritte folgte und dachte: Ach, ich quäle ihn mehr als mir lieb ist. Es tut mir leid. Aber was soll ich anderes tun? Ich bin keine, die leicht zu haben ist, da bedarf es schon mehr. Ich gehe prinzipiell mit keinem Mann gleich ins Bett.

Er hupte, winkte kurz durchs Autofenster und schwirrte ab.

Am nächsten Tag rief er schon wieder an und sagte: Ich kann ohne Sie nicht mehr leben; Sie haben mir mein Herz gestohlen oder es bereits zerbrochen. Sagen Sie doch nicht immer gleich nein. Ich meine es wirklich ehrlich und ernst mit Ihnen, Corinna, mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Ich liebe Sie schrecklich.

Immerhin konnte er sie mit seinem heutigen Gerede ein bisschen umstimmen. Schließlich kam sie zum Schluss: Er liebt mich wohl wirklich und ich kann ihn in mein Haus lassen.

Er kam gegen Abend hin wieder und holte sie ab. Im Restaurant saßen sie sich vorerst traut und still gegenüber, bis er zu ihr sagte: Du bist mir ein Rätsel.

Du mir schon auch, sagte Corinna.

Sie duzten sich jetzt, was einen kleinen Fortschritt in ihrer Beziehung darstellte.

So kommen wir keinen Schritt weiter, meinte er.

Ich will zuerst wissen, ob wir zueinander passen, meinte Corinna altklug. Ich habe dich noch nicht genügend kennengelernt.

Und er: Um kein Risiko einzugehen, müssen wir ja nicht gleich heiraten, sondern trotz Intimität es eine Zeitlang lose versuchen.

Vom Nebentisch starrten vier Augen dauernd zu ihnen herüber. Wie unangenehm!, empfand sie. Das reichliche Essen auf dem Teller konnte Corinna heute kaum zwingen, obgleich sie hungrig gewesen war und es ihr wirklich gut geschmeckt hatte. Rudolph jedoch aß alles bis auf den letzten Rest auf. Ein Gläschen Wein, das reichte ihm heute auch; er musste doch anschließend das Auto noch durch Westberlins Straßen lenken. Corinna war keine alkoholsüchtige Frau, hierzu besaß sie keine Schwäche, eher für eine Zigarette. Sie zahlte diesmal, denn sie wollte sich nicht immer einladen lassen, um nicht in Abhängigkeit von Rudolph zu geraten. Sie fühlte sich als anständige und selbständige, aber auch emanzipierte Frau, die wusste, was sie wollte auf dieser Welt. In ihrer Art lag etwas Resolutes.

Nachdem sie das Restaurant verlassen hatten, berieten sie gemeinsam, was sie heute bis zum Abend noch unternehmen könnten und trafen schon eine Auswahl. Aber schließlich schlugen sie alle Vorschläge in den Wind und Rudolph fuhr sie nachhause.

Corinna, die mitunter plötzlich von großer Langeweile überfallen wurde, entschloss sich, wieder als Übersetzerin zu arbeiten. Sie suchte ihren alten Buchverlag auf, der in der Vergangenheit mit ihr gut zurecht gekommen war. Sie bekam einen 500 Seiten langer Roman, den sie vom Französischen ins Deutsche übersetzte. Sie strengte sich mächtig an. Es ging zügig voran. Mitunter musste sie eine Erholungspause einlegen, um nicht in Stress zu verfallen. Dann erlaubte sie dem Regisseur, mit dem sie seit kurzem intim war, sie wieder zu besuchen, was dieser sich durch hartnäckiges Werben erkämpft hatte. Dies hatte sich für sie dann wie eine Niederlage dargestellt. Sie fühlte sich nämlich von ihm wie über den Tisch gezogen. Er nächtigte hin und wieder auch bei ihr und morgens nach dem Frühstück schickte sie ihn weg. Er drehte wieder einen neuen Spielfilm, so war er in seine neue Arbeit eingespannt und sie in ihre.

Er fand Corinna jetzt legerer und sagte schon mal zu ihr: Du bist ja gar nicht so entsetzlich schwierig und unangenehm wie ich anfangs glaubte. Fast kann man mit dir jetzt Pferde stehlen. Und dann lachte er fröhlich, denn er liebte sie wirklich ganz außergewöhnlich, vielleicht wie noch keine Frau vor ihr, so hatte es für Corinna den Anschein.

Sie schwieg meistens und hielt sich mit Kritik zurück. Sie wurde eine liebende Frau, drückte die Augen zu bei Widerwärtigkeiten und verzieh ihm. Sie wollte ihn nicht mehr provozieren, aber auch nicht aufs Podest stellen. Sie wusste, dass er auch zu andern Frauen nett war und wahrscheinlich mit ihnen auch schlief. Sie sagte sich: Das ist bei Männern so Sitte. Diese Vielweiberei! Im Grunde sind die Europäer nicht besser als die arabischen Scheichs. Eine Angewohnheit seit Urzeiten her. Sie besitzen einfach zu viel Hormone. Eifersucht ließ sie aus dem Spiel oder unterdrückte sie gleich zu Anfang. Sie dachte allerdings auch: Ich bin nicht auf ihn angewiesen. Übertreibt er es einmal und kann ich ihn nicht mehr ertragen, dann werfe ich ihn einfach ruck zuck hinaus. Mein letztes Mittel, das ich noch im Köcher habe, denn ich kann, wenn ich will, erfahrungsgemäß sehr rabiat und konsequent sein.

Sie nahm täglich die Pille; sie wollte um Himmels willen von niemandem ein Kind bekommen, auch nicht von Rudolph. Dies will ich nicht riskieren, dachte sie. Sie war jetzt 29 und fühlte sich schon alt, als sei sie schon eine Ewigkeit auf der Welt, denn sie hatte schon viel durchgemacht und manches hinter sich gebracht. Sie führte jetzt eigentlich ein geruhsames Leben, wenn sie nicht durch ihre 60-jährige Mutter häufig gestört worden wäre, die ihr vorjammerte und sie um Geld bat. Irgendwie wusste die geldgierige Person, dass Corinna einige Millionen auf der Bank liegen habe, die viel Zinsen abwürfen, sonst hätte sie nicht kürzlich zu ihr gesagt: Immerhin warst du nach und nach mit Millionären verheiratet, die werden dir schon bei der Scheidung eine hübsche Summe überwiesen haben, was doch auch rechtens ist oder?

Damit ihre Mutter für eine Zeitlang wieder Ruhe gab, besänftigte Corinna sie mit einer nicht gerade geringen Geldzulage.

Sehr lange brauchte Corinna, bis sie den umfangreichen französischen Roman restlos ins Deutsche übersetzt hatte. So dicke Bücher übersetzte sie ungern, weil sich die Arbeit daran ewig hinzog. Sie hatte es immer gerne, wenn sie beim Übersetzen Licht am Ende des Tunnels sah. Sie steckte für ihre Arbeit ein geringes Gehalt ein, aber das war ihr egal. Dem Verlag teilte sie mit, sie wolle nun mindestens ein Vierteljahr pausieren und in Urlaub fahren, anschließend würde sie sich dann eventuell wieder melden. Sie erhielt vom Verlag zwei Exemplare von ihrem übersetzten Buch, eines schenkte sie Rudolph, der neugierig war, wie gut seine Heiß-Geliebte übersetzen konnte. Das Buch gefiel ihm gut. Eine schöne bildhafte Sprache, fand er, und nicht zu abstrakt.

Die weiße Dame

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