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25. Januar: Cannes, schüchterne Musiker und ein Turnschuhmensch

Obwohl ich mich heute morgen nicht besonders fühlte, stand ich zeitig auf, denn ich wollte mir die Gelegenheit nicht nehmen lassen, ein bisschen am Strand spazierenzugehen. Es war ein herrlicher Tag und der Strand fast menschenleer. Nach etwa einer Stunde kehrte ich ins Hotel zurück, frühstückte und fuhr dann mit Peter und Christian im Bus zum Flughafen, um Richard Thompson und Van Morrison abzuholen. Das Flugzeug landete zwar pünktlich, aber Van Morrison war nicht an Bord. Es hieß, er würde etwas später kommen. Auf dem Weg zurück nach Cannes hörte ich, wie Richard seiner Freundin von seinen bisherigen Erfahrungen und Auftritten in Frankreich erzählte. Sie waren ohne Ausnahme schrecklich verlaufen, sagte er. »Die Franzosen scheinen mich irgendwie nicht besonders leiden zu können.« Ich fragte mich, wie es wohl diesmal ausgehen wird. Einige Leute hatten ja bereits Zweifel an der Entscheidung geäußert, ausgerechnet Van Morrison und Richard Thompson, zwei notorisch schüchterne Typen, vor diesem ausschließlich kommerziell-orientierten Publikum auftreten zu lassen. Nicht weil ihre Musik nicht gut genug wäre, sondern weil die Industrie an sich wenig Interesse an »guter« Musik hat, es sei denn, sie lässt sich in Riesenmengen verkaufen. Ich hoffte für Richard Thompson, dass er diesmal mehr Glück hätte und auch, dass sich der Rockpalast in Frankreich einen Namen machen würde.

Im Hotel warteten wir, bis Richard seine Koffer ausgepackt hatte und fuhren dann weiter zu der Halle. Vor den Soundchecks schlich ich mich davon und ging ins Hotel Martinez, um zu sehen, was da so los war, und dabei begegnete ich ein paar Bekannten, die ich in Cannes nie erwartet hätte. Anschließend ging ich in die Halle zurück, in der Hoffnung, dort Antoine de Caunes zu treffen, aber als ich nach ihm fragte, konnte mir keiner sagen, ob er schon da war. Ich hatte Antoine noch nie gesehen, dafür aber um so mehr von ihm gehört, und zwar von Peter, der ihn ziemlich gut kennt. Offenbar ist Antoine einer der anerkanntesten Rockmusikmoderatoren im französischen Fernsehen. Ich freu mich darauf, ihn endlich kennenzulernen. Peter hatte auch keine Ahnung, wo er steckte, aber er meinte, er sei sicher, dass Antoine früher oder später aufkreuzen würde.

Als die Soundchecks vorbei waren - beide gingen glatt über die Bühne, und auch Van Morrison, der in London aufgehalten worden war, hatte es noch rechtzeitig geschafft -, schaute ich noch mal ins Martinez rein, wo ich den Repräsentanten eines bekannten Turnschuhherstellers kennenlernte, der mich in ein langes Gespräch verwickelte. Er schien zu glauben, dass wir irgendwie ins Geschäft kommen sollten - ich konnte mir nur nicht vorstellen, wie. Er sagte, wir sollten in Verbindung bleiben, und er würde mir ein Paar Turnschuhe schicken. Ich bedankte mich im voraus für seine Großzügigkeit, entschuldigte mich dann und machte mich auf den Heimweg.

Es war ein schöner Abend, und ich beschloss, zu Fuß ins Hotel zurückzugehen. Als wir die Strecke im Bus gefahren waren, war es mir nicht sehr weit vorgekommen, aber jetzt, wo ich zu Fuß ging, zog sich die Strandpromenade meilenweit dahin, und ich musste einsehen, dass es doch weiter war, als ich zunächst gedacht hatte. Nach einer Stunde war ich immer noch unterwegs. Plötzlich überholte mich ein Auto, stoppte und setzte zurück. Es war der Turnschuhmensch. Er fragte, ob er mich irgendwo absetzen könnte, und ich antwortete, dass ich ganz gern zu Fuß ging und es sowieso nicht mehr weit hätte. Er fuhr weiter. Wenn er mir die Schuhe gleich im Hotel gegeben hätte, dachte ich bei mir, hätte ich das Stück in der Hälfte der Zeit zurückjoggen können ...


(Foto: Manfred Becker)

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