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Winter in Oswego, N. Y.

Oswego ist eine kleine Stadt in Upper New York State, auf der amerikanischen Seite des Ontario Sees. Es geht dort ziemlich friedlich zu, vor allem während der Sommermonate, wenn die Studenten in die Ferien abgereist sind. Es gibt breite Straßen, geräumige Bürgersteige und die meisten Häuser liegen etwas zurückgesetzt. Viele von ihnen haben Holzveranden, die um das ganze Erdgeschoß herumführen. Manchmal sitzen die älteren Leute den ganzen Tag auf diesen Veranden und winken jedem Vorübergehenden zu. Häufig sind die Läden während der Mittagszeit geschlossen. Niemand hat es hier eilig. Die Autos der Studenten, die an den Sommerkursen teilnehmen, sehen älter aus, als sie tatsächlich sind. Das Umweltgift macht jedoch auch hier nicht halt, sondern setzt sich auf dem Blech fest und zerfrisst den Lack. Die Kühlerhauben gleichen dem fleckigen Gefieder der Drosseln, die sich auf den Wiesen des Campus vergnügen. Im See treiben tote Fische. Es gibt wenig Initiativen, irgend etwas zu unternehmen. Niemand reißt sich hier ein Bein aus.

Auch ich schob eine ruhige Kugel, als ich ein paar Wochen hier verbrachte. Ich ging zu ein paar Vorlesungen und verbrachte eine Menge Zeit in der Bibliothek.

Irgendwer erzählte mir, dass Oswego im Sommer nicht dasselbe ist wie Oswego im Winter, und ein anderer versuchte, mir das zu erklären. Ich hörte zu und versuchte, mir vorzustellen, wie die Straßen, die jetzt einsam und verlassen in der Mittagshitze flimmerten, nach einem schweren Schneesturm aussehen würden. Ich malte mir aus, wie sich die Studenten von einem Gebäude zum nächsten schleppten und sich dabei an Seilen festklammerten, die quer über den Campus gespannt waren. In den Wintermonaten waren diese Seile manchmal die einzige Gewähr dafür, dass man auch tatsächlich da ankam, wo man hinwollte - wenn man sich überhaupt aus dem Haus traute. Die Studenten, von Schneestürmen geblendet, kämpften sich wie Polarforscher von Vorlesung zu Vorlesung. Die Gebäude der Privat-Colleges waren durch unterirdische Tunnel miteinander verbunden, doch die staatlichen Colleges mussten sich größtenteils mit Seilen begnügen. Es war also entschieden klüger, in der warmen Bude zu bleiben und alleine zu studieren.

Das war aber nicht der Grund, warum die Bibliothek ein beliebter Aufenthaltsort für die Studenten war, wenn das Thermometer unter Null sank. Die Bibliothek war ein zweistöckiges Gebäude mit Blick auf den See. Außer unzähligen Büchern gab es dort auch Zeitschriften aus aller Herren Länder, wissenschaftliche Publikationen aus allen Teilen der Welt (viele von ihnen auf Mikrofilm) und eine umfangreiche Plattensammlung. Und diese Plattensammlung war es, die die Studenten anzog. Sie befand sich im oberen Stockwerk, in einem riesigen Saal, dessen Fenster von der Decke bis zum Fußboden reichten. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick über die Baumwipfel hinweg auf den See. Die Studenten verbrachten während der Wintermonate manchmal ganze Tage in diesem Saal. Sie schoben ihren Stuhl vor die Fensterfront und starrten wie versteinert auf die atemberaubende Szenerie. Hypnotisiert von dem, was sie sahen und berauscht von der Musik, die aus ihren Kopfhörern dröhnte, befanden sie sich in einem tranceähnlichen Zustand, der sie vollkommen von ihrer Umgebung abschnitt.

An klaren Tagen konnte man bis zu einem Wall aus Eis sehen, der sich etwa hundert Meter entfernt vom Ufer gebildet hatte. Hinter ihm stürmte die Brandung gegen das Eis. Wenn die Wellen gegen den Wall prallten, brachen sie sich im Eis, wurden zurückgeschleudert oder lösten sich in Schaum auf - und die Gischt, die sich über der Masse des Wassers bildete, verwandelte sich in der eisigen Luft in kleine Kristalle, die wie Tausende von Diamanten auf die Erde zurückfielen. Sie prasselten auf die gefrorene Decke des Sees nieder und glitzerten in der Sonne. Die Studenten, die in der Bibliothek saßen und das Ganze beobachteten, bildeten sich ein, sie könnten trotz der Entfernung, der Musik und der dicken Glasscheibe vor ihrer Nase, das Eis bersten hören, und wenn die Sonne untergegangen war, kam der Bibliothekar, rüttelte sie aus dem Schlaf und schickte sie nach Hause, ehe er die Platten einsammelte, das Licht löschte und sich selber auf den Heimweg machte.

Die Fluten des Sees hielten ungeachtet der Tatsache, dass ihr Publikum sie verlassen hatte, an ihrer stetigen Verwandlung fest, Nacht für Nacht, wohl wissend um ihre Macht, jeden, der sie je gesehen hatte, zu berauschen. Ich selbst habe dieses Schauspiel nie gesehen, aber nachdem ich mir all diese Geschichten an einem heißen Sommernachmittag angehört habe, kommt es mir heute manchmal so vor, als hätte ich sie selber erlebt.

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