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Erster Band
VIII
Wo der Chevalier de la Graverie neue Bekanntschaften macht

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Die Ereignisse, welche der Rückkehr Napoleons von der Insel Elba folgten, sind bekannt. Als Dieudonné wieder zu Hause war, hängte er sein Ludwigskreuz über dem Bette Mathildens auf um zuerkennen zugaben, daher es ihr verdankte.

Während der hundert Tage machte er sich nicht die mindesten Sorgen. Er war der glücklichste Mann von der Welt: er war ja nicht mehr Musketier, dafür aber Ritter des Ludwigsordens.

Die zweite Restauration trat ein. Der Baron kam unmittelbar nach den Bourbons und bezog wieder seine Wohnung in der Vorstadt Saint-Germain. Er ging indes nicht zu seinem Bruder: er hielt es für ein himmelschreiendes Unrecht, dass Dieudonné einen Orden hatte, und er. der ältere Bruder, das Haupt der Familie, bisher leer ausgegangen war.

In Ermanglung eines Vermittlers wandte sich der Chevalier de la Graverie unmittelbar an den König mit der Bitte, den Säbel des Musketiers mit dem Stab des Zeremonienmeisters zu vertauschen. Die Bitte wurde ihm zu seiner großen Freude gewährt; die neue bequeme Stellung sagte ihm weit besser zu, als die halsbrecherischen Eskorten.

Aber sonderbarer Weise suchte er die Gesellschaft von Militärpersonen; er schien der ganzen Welt beweisen zu wollen, dass sein Haupt auch einst den so unbequemen Helm mit dem Rossschweif getragen hatte.

Wenn er Dienst in den Tuilerien hatte, so schloss er sich vorzugsweise den Gardeoffizieren an und behandelte sie als Kameraden.

Eines Tages machte er die Bekanntschaft eines Kapitäns, der ihm gleich bei der ersten Unterredung ungemein gefiel, vermutlich weil er in allen Stücken das Gegenteil von ihm war.

Der Kapitän war viel älter als der Chevalier de la Graverie, der damals etwa fünfundzwanzig Jahre zählte. Dieser Offizier hatte in einigen Monaten seinen Abschied zu erwarten. Seine Haare waren grau, und einige Runzeln durch. zogen bereits seine Stirn; aber an Geist, Herz und Charakter war der Kapitän Dumesnil noch jugendlich frisch, und es war in der ganzen Garde vielleicht kein Unterlieutenant, der ihm an Frohsinn, Lebendigkeit und Sorglosigkeit gleichkam. In allen Leibesübungen, welche von dem Chevalier de la Graverie, oder vielmehr von den alten Stiftsdamen, die ihn erzogen, ganz vernachlässigt worden waren, hatte es der Kapitän Dumesnil zur Meisterschaft gebracht. Sein Mut war in der ganzen Armee bekannt.

Diese glänzenden Eigenschaften machten einen sehr tiefen Eindruck auf den Chevalier, eben weil er sie nicht besaß; ein solcher Freund, meinte er, würde in seinem etwas langweiligen Hause eine willkommene Zerstreuung bieten, zumal für Mathilde, die immer schweigsamer wurde. Er kam seinem neuen Bekannten daher so freundlich entgegen, wie ein Liebender dem Gegenstande seiner Wahl.

Nach einigen Stunden waren Beide schon so gute Freunde, dass Dumesnil die Einladung zum Diner für den folgenden Tag bereitwillig annahm.

Der Kapitän gehörte übrigens zu denen, die eine Einladung bei dem Teufel annehmen würden, wenn sie einen guten Braten und ein gutes Glas Wein zu erwarten hätten.

Der Chevalier de la Graverie war damals in einer der bedenklichsten Phasen des Ehelebens. Mathilde langweilte sich schon seit Monaten; bei Frauen von ihrem Temperament ist aber die Langweile der dem Fieber vorausgehende Schauer; die zweite Restauration war durch eine lange Reihe von geräuschvollen Festlichkeiten gefeiert worden; Mathilde war der Bälle und Schauspiele und des ganzen Treibens, in welchem d^s Herz keine Befriedigung findet, überdrüssig geworden; sie fand am Kokettieren, worauf es bei solchen Prunk festen doch hauptsächlich abgesehen ist, keinen Gefallen; sie fühlte die Leere in ihrem Herzen, und diese Leere war ihr unerträglich.

In ihrem Benehmen gegen Dieudonné blieb sie sich übrigens ziemlich gleich; durch Erziehung und Gewohnheit war sie eine aufmerksame, anspruchslose Hausfrau geworden, und wie auch der Lauf ihrer Gedanken war, so blieb sie doch immer die sorgsame, liebende Gattin; aber im Grunde wurde sie durch die melancholische Zärtlichkeit unangenehm berührt, und die schmachtenden Blicke, die sie ihm zuwarf, nahmen nach und nach den Ausdruck der Ungeduld und Verstimmung an, welche sich der Frauen von ihrem Temperament leicht bemächtigt wenn ihnen der Mann nicht den mindesten Grund zur Klage, und folglich auch keinen Vorwand bietet, sich zu revanchieren.

An demselben Tage, wo der Kapitän Dumesnil im Hause des Chevaliers erschien, machte der Baron zum ersten Male wieder einen Besuch und stellte seiner Schwägerin einen ihm sehr angelegentlich empfohlenen, Husarenlieutenant vor.

Dieser Husarenlieutenant war in der That ein sehr hübscher Offizier; schlank, gewandt, ungezwungen in Haltung und Benehmen; der sorgfältig kultivierte Schnurrbart fehlte natürlich nicht. Kurz, es war eine ganz tadellose Gliederpuppe, die wohl geeignet war, die goldenen Schnüre eines Dolmans zu tragen und eine Säbeltasche zu schleppen.

Es ist unglaublich, welchen Eindruck ein mit heiterer Laune verbundenes ungezwungenes Benehmen auf die Stimmung einer hübschen Frau machen kann. Von jenem Glückstage an, wo der Husarenlieutenant und der Gardekapitän das Haus des Chevalier de la Graverie besuchten, schien sich die Stimmung der Dame vom Hause zu bessern; die Blässe ihrer Wange schwand, um einer leichten Röte Platz zu machen; ihre Augen bekamen den verlorenen Glanz wieder; sie wurde wieder heiter und würzte ihre ehelichen Liebkosungen mit freundlichem Lächeln, welches den Reiz und den wert derselben erhöhte.

Der unwillkürliche, aber sehr bemerkbare Erfolg hatte eine allmähliche Annäherung zwischen den beiden Ärzten wider Willen und der schönen Patientin zur Folge; sie gingen ihr nicht mehr von der Seite, und nach vierzehn Tagen waren sie tägliche Gäste im Hotel La Graverie.

Man fand sie auf den Promenaden, bei den Wettrennen immer beisammen; sie erschienen mit einander in den Ballsälen und Theatern; wer Mathilde erscheinen sah, konnte zehn gegen eins wetten, dass der Chevalier de la Graverie ihr auf dem Fuße folgte, und nach ihm die beiden Cavalieri serventi kamen.

Es war ein sonderbarer, aber sehr anziehender Familienkreis. Es war keine kosende, früher oder später zur tödlichen Langweile führende Fortsetzung der Flitterwochen unter vier Augen; es war auch kein Kleeblatt nach italienischem Zuschnitt, sondern ein aus vier Personen bestehendes Hauswesen, in welchem der Herr vom Hause, sein Freund und der Schützling der Dame gleiche und ehrlich verteilte Rechte hatten. Jeder erhielt mit sorgfältig bemessener Genauigkeit den ihm gebührenden Anteil an zauberischem Lächeln und freundlichem Dank; alle Drei hatten abwechselnd das Recht der schönen Mathilde den Arm zu bieten, ihren Shawl oder Fächer zu tragen.

Madame de la Graverie war in der Austeilung ihrer Gunstbezeigungen so streng gerecht, dass Niemand eifersüchtig oder unzufrieden wurde.

Am zufriedensten unter dem Männerkleeblatt, am dankbarsten nicht nur gegen Mathilde, sondern gegen die beiden Andern war Dieudonné, der innerlich frohlockte bei dem Gedanken, dass er zwei neue Ventile gefunden, durch die er das ihm vormals so drückende Übermaß seiner Zärtlichkeit auslassen konnte.

Wie es Mathilde anfing, ihren kleinen Hof in dieser ruhigen, zufriedenen Stimmung zu erhalten? Wir gestehen aufrichtig, dass dies eines der weiblichen Geheimnisse ist, die wir ungeachtet oft wiederholter gewissenhafter Studien noch nicht zu ergründen vermochten.

Am merkwürdigsten war, dass sich die bösen Zungen mit dieser sonderbaren Genossenschaft fast gar nicht beschäftigten. Die junge Blondine schien so naiv, es lag eine solche Arglosigkeit in ihrem Benehmen gegen die beiden Offiziere, Alles an ihr war so natürlich, dass man gewiss für sehr boshaft gegolten haben würde, wenn man den mindesten Verdacht geäußert hätte.

Der Baron de la Graverie war der Engel mit dem Flammenschwert, der die drei Glücklichen aus ihrem Paradies vertrieb.

Eines Nachmittags war Mathilde etwas unwohl, Herr von Pontfarcy, so hieß der Husarenlieutenant, hatte Dienst, und so kam es, dass der Chevalier de la Graverie und der Kapitän Dumesnil allein auf der Promenade in den elysäischen Feldern erschienen.

Obgleich die gewöhnlich unzertrennliche Gesellschaft nur zur Hälfte anwesend war, schien der Chevalier ungemein heiter und aufgeweckt. Ungeachtet seines für sein Alter schon sehr respectabeln Bauches begann er oft zu hüpfen und zu tänzeln, lachte über jede Kleinigkeit und rieb sich schmunzelnd die Hände. Der Kapitän Dumesnil stimmte als Hausfreund pflichtschuldig in diese Heiterkeit mit ein.

Auf ihrem Spazirgange begegnete ihnen ein Mann, der mit dem Schicksal keineswegs so zufrieden schien, wie der Chevalier.

Dieser Mann war der Baron de la Graverie.

Er blickte sorgenvoll vor sich nieder, und hatte den Hut so tief in’s Gesicht gedrückt, dass sie ihn anstießen, ohne ihn zu erkennen. Aber er schaute auf, als er angestoßen wurde, und erkannte sie.

»Mordieu! Chevalier, es ist mir lieb, dass ich Dir begegne,« sagte der ältere Bruder und nahm den Arm des jüngeren.

»Wirklich!« sagte Dieudonné und schnitt ein Gesicht; denn er fühlte seinen Arm wie in einen Schraubstock eingezwängt.

»Ja, ich wollte zu Dir gehen —«

Dumesnil schüttelte den Kopf, denn es beschlich ihn eine trübe Ahnung.

Aber der Chevalier bekam schnell seine heitere Laune wieder und antwortete:

»Es ist doch sonderbar! So eben sagte ich zu Dumesnil: Ich muss doch zu meinem Bruder gehen, um ihm die freudige Nachricht zu überbringen —«

»Die freudige Nachricht!« wiederholte der Baron mit trübseligem Lächeln. »So! Du hast mir eine freudige Nachricht mitzuteilen? Der Tausch wird nicht zu deinem Vorteil ausfallen, denn ich habe Dir eine ziemlich unangenehme Nachricht zu melden.«

Ein so aufmerksamer Beobachter wie Dumesnil konnte leicht sehen, dass diese Nachricht, die dem Chevalier so unangenehm sein sollte, dem Baron große Freude machte.

Dumesnil schauderte, und da der Chevalier Arm in Arm mit dem Kapitän ging, so schauderte er selbst noch mehr aus Sympathie als aus banger Ahnung.

»Was ist’s denn?« stammelte der arme Dieudonné erblassend; denn er erschrak schon im Voraus über das Leuchten der Bombe, die der Baron in sein Glück schleudern wollte.

»Nichts für den Augenblick —«

»Wie, nichts für den Augenblick?«

»Nein; ich will Dir’s sagen, wenn wir in meiner Wohnung sind, wenn Du so gütig sein willst, mich dahin zu begleiten.«

Dumesnil sah, dass der Baron seinen Bruder ohne Zeugen zu sprechen wünschte, und da der Erstere nicht verhehlte, dass er eine unangenehme Mitteilung zu machen habe, war ihm an der Zuhörerschaft nicht viel gelegen.

»Es fällt mir eben ein, lieber Dieudonné,« sagte er, »dass mein Oberst mich erwartet.«

Er reichte dem Chevalier die Hand und verneigte sich gegen den Baron.

Aber Dieudonné war nicht der Mann, dem drohenden Unglück allein die Stirn zu bieten; er bemächtigte sich des Armes wieder, den ihm der Kapitän entzogen hatte.

»Diesen Morgen,« sagte er, »erklärten Sie ja, Sie wären für den ganzen Tag frei. Sie müssen bleiben, und mein Bruder wird mir seine Mitteilung in Ihrer Gegenwart machen. Sie haben ja so eben meine Freude getheilt, es ist also billig, dass Sie auch Ihren Anteil an meinem Verdruss bekommen.«

»Im Grunde,« sagte der Baron, »weiß ich nicht, warum ich den Herrn Kapitän von einer Mitteilung ausschließen soll, die ihn eben so gut angeht wie Dich.«

Der Kapitän Dumesnil hob den Kopf, wie ein Schlachtross beim Klang der Trompeten, und errötete leicht.

»Der Teufel hole den alten Voltigeur, der uns den Tag verdirbt,« flüsterte er dem Chevalier zu.

Dann sagte er in einem Tone, in welchem zugleich eine Bitte und eine Drohung lag:

»Herr Baron, Sie haben gewiss wohlbedacht was Sie tun wollen; ich erlaube mir indes die Bemerkung, dass die fraglichen Mitteilungen zuweilen eben so gefährlich sind für den, der sie macht, als schmerzlich für den, der sie vernimmt.«

»Herr Kapitän,« erwiderte der Baron, »ich weiß welche Pflichten ich als Haupt der Familie La Graverie habe, und ich allein habe zu beurteilen, was die Ehre derselben erheischt.«

»Mein Gott! was bedeutet das?« dachte der arme Chevalier. »Dumesnil scheint recht gut zu wissen, was mein Bruder mir sagen will, und er hat kein Wort davon gesprochen. – Sage mir lieber auf der Stelle Alles, Baron; die Ungewissheit, die Erwartung ist gewiss peinlicher, als deine Mitteilung.«

»Komm doch mit mir,« sagte der Baron.

Beide nahmen nun, ohne ein Wort zu sprechen, in Begleitung Dumesnil’s den Weg zu der Vorstadt Saint-Germain. Auf dem langen Wege bis zur Rue de Varennes wurde kein Wort gesprochen.

Die Angst des armen Dieudonné, wurde noch größer, als sein Bruder sie in das entlegenste Zimmer seiner Wohnung führte und sorgfältig die Tür verschloss.

Nachdem der Baron diese Vorkehrungen getroffen, zog er einen Brief aus der Tasche, überreichte ihn offen seinem jüngeren Bruder, fasste dessen Hand und sagte mit dem Tone des Mitleids!

»Armer Bruder! Unglücklicher Chevalier!«

Diese Einleitung klang so traurig, dass Dieudonné Bedenken trug, den Brief zu nehmen.

Dumesnil, der einen verstohlenen Blick auf den Brief warf, erkannte die feinen zierlichen Schriftzüge, und ehe der Chevalier einen Entschluss gefasst hatte, nahm der Gardekapitän den Brief.

»Mordieu!« sagte der Kapitän. »er soll Ihren Brief nicht lesen, Herr Baron.«

Dann warf er sich in die Brust, schnallte seinen Säbelgurt fester und zog den älteren Bruder in eine Ecke des Zimmere.

»Ich nehme Ihre Vorwürfe an, Herr Baron,« sagte er leise,, »ich erkläre mich für alle Folgen dieses Schrittes verantwortlich; aber ich werde nicht dulden, dass mit dem Glücke Ihres armen Bruders ein grausames Spiel getrieben werde. Es gibt Menschen, für die ein schöner Traum Bedürfnis ist. Bedenken Sie das! Um des Himmels willen,« setzte er noch leiser hinzu, »lassen Sie das harmlose Lamm leben —«

»Nein, nein!« erwiderte der Baron laut, »in unserer Familie sind die Ehrensachen wichtiger als alle andern Rücksichten.«

»Aha!« sagte der Kapitän, als ob er einen Scherz aus der Sache machen wollte. »Gestehen Sie nur, dass die beleidigte Ehre eines Gatten dabei im Spiele ist. Die Ehre ist geborgen, wenn die Sache ein Geheimnis bleibt; sie wird kaum verletzt, wenn es bekannt wird.«

»Aber bedenken Sie,« entgegnete der Baron, »dass man einen Frevler nicht durch Straflosigkeit ermutigen darf.«

Der Kapitän fasste den Baron bei der Hand.

»Wer bittet denn um Gnade?« sagte er mit einem Feuersprühenden Blick. »Sehen Sie denn nicht, dass ich mich zu Ihrer Verfügung stelle?«

»Nein, nein,« wiederholte der Baron noch lauter als zuvor, »Dieudonné soll wissen, dass seine unwürdige Frau, und sein eben so unwürdiger Freund —«

Der Kapitän wurde leichenblass und wollte dem Baron die Hand auf den Mund halten.

Aber es war zu spät, der Chevalier hatte die letzten Worte verstanden.

»Meine Frau!« sagte er auffahrend. »Mathilde! Sie sollte mich hintergangen haben – nein, das ist unmöglich!«

»Da haben wir’s!« sagte der Kapitän; »der Bandit hat seinen Zweck erreicht!«

Er ließ den Baron los und setzte sich in eine Ecke des Zimmers. Er hatte Alles getan, was er konnte, um eine Katastrophe abzuwenden, aber es war ihm nicht gelungen, und er musste sich in das Unvermeidliche fügen.

»Unmöglich?« wiederholte der Baron, ohne den Schmerz seines Bruders zu beachten. Wenn Du mir nicht glaubst, so lass Dir den Brief geben, den der Herr Kapitän Dir aller feinen Sitte zum Trotz entrissen hat; Du wirst dann den Beweis deiner Schmach sehen!«

Der Kapitän schien ganz ruhig und gelassen, aber in seinem Innern tobte ein furchtbarer Sturm.

Unterdessen wurde Dieudonné immer blässer; sein Gemütszustand fand in wenigen abgebrochenen Worten einen Ausdruck.

»Meine Schmach!« wiederholte er. »Meine Schmach!« Aber mein Kind – denn die freudige Nachricht, die ich Dir mitteilen wollte, ist – die Mutterhoffnung Mathildens —«

Der Baron brach in ein lautes Gelächter aus.

»Dieses Kind,« fuhr der Chevalier fort, als ob er das höhnische Gelächter seines Bruders nicht gehört hätte, »dieses Kind, von welchem ich mir so viel Freude versprach, das ich seit zwei Tagen wachend und träumend vor mir zu sehen glaube, dessen Wimmern wie himmlische Musik an mein Ohr drang, es sollte nicht mein sein! – O mein Gott, ich verliere zugleich Weib und Kind!«

Der Kapitän stand auf, als ob er den Chevalier in seine Arme schließen wollte, aber er nahm sogleich seinen Platz wieder ein, um seine Aufregung zu bewältigen.

Der Baron, der weder den Schmerz seines Bruders noch den Zorn des Kapitäns zu sehen schien, erwiderte mit schonungsloser Härte:

»Ja, denn dieser Brief, den der Zufall in meine Hände gespielt hat, den ich Dir mitzuteilen wünschte und den der Kapitän Dumesnil Dir gewaltsam entrissen hat, enthält die freudige Mitteilung dieser freudigen Nachricht an den Buhlen deiner Frau.«

Der arme Dieudonné antwortete nicht; er fiel auf die Knie, drückte die Hände aufs Gesicht und schluchzte laut.

Der Kapitän Dumesnil vermochte diesen Auftritt nicht länger zu ertragen. Er stand auf und ging auf den Baron zu.

»In diesem Augenblicke,« sagte er leise zu ihm, »gehöre ich mir selbst nicht mehr; Sie werden es natürlich finden, Sie haben ja Alles, was in Ihrer Macht stand, dazu beigetragen. Aber wenn Ihr Herr Bruder die ihm von Rechtswegen gebührende Genugtuung erhalten hat, kann ich Ihrem Benehmen den Namen geben, den es verdient, und ich werde es gewiss tun, darauf verlassen Sie sich.«

Nach diesen Worten verneigte sich der Offizier und ging auf die Tür zu.

»Sie wollen gehen?« fragte der Baron.

»Ich gestehe Ihnen,« antwortete der Kapitän, »dass ich nicht mehr die Kraft habe, diesen entsetzlichen Auftritt zu ertragen.«

»Gut, gehen Sie – aber geben Sie mir den Brief zurück.«

»Warum sollte ich ihn zurückgeben?« fragte der Kapitän mit Unwillen und Stolz.

»Aus dem sehr einfachen Grunde, dass er nicht an Sie gerichtet ist,« erwiderte der Baron.

Der Kapitän hielt sich an der Wand, denn er glaubte umzusinken.

Er hatte bis dahin geglaubt, die Anschuldigung teile ihm in der Sache eine tätigere Rolle zu, als ihm der Baron zuwies.

Er zog schnell den Brief hervor, den er in die Tasche gesteckt hatte, und las die ersten Zeilen.

Aus seinen Mienen und Gebärden erriet der Baron Alles.

»Sie auch!« sagte er, in die Hände klatschend. »Nun, dann ist sie noch sträflicher, als ich glaubte.«

»Ja, ich auch,« erwiderte der Kapitän leise; »ich war auch so leichtsinnig, so treulos, diesen braven, arglosen Mann zu hintergehen! Aber sagen Sie ihm, wenn er wieder zur Besinnung gekommen ist —«

Aber Dieudonné, der inzwischen seine Hoffnung wieder bekommen hatte, unterbrach ihn.

»Dumesnil,« sagte er, »verlaß mich nicht, lieber Freund! Bedenke, dass ich nur bei deiner Freundschaft Hilfe und Trost finden kann.«

Der Kapitän schwieg noch; die Reue machte ihn unschlüssig.

»O mein Gott! mein Gott!« jammerte der arme Dieudonné, die Hände ringend. »Ist denn die Freundschaft, wie Liebe, nur ein leeres Wort?«

Der Baron trat auf seinen Bruder zu.

Der Kapitän entschloss sich nun. Er sprang rasch auf, fasste den älteren Bruder beim Arm und sagte leise, aber drohend:

»Kein Wort mehr! Es ist das erste Mal, dass ich ein Vergehen dieser Art zu bereuen habe. Meine Reue ist so groß, dass ich nicht weiß, ob mein ganzes Leben hinreichen wird, mein Unrecht wieder gutzumachen. Aber ich will’s versuchen, das schwöre ich Ihnen! Ich will Ihrem armen Bruder die innigste Freundschaft, die zärtlichste Sorge widmen, ohne die er nicht leben kann. Schweigen Sie also, Herr Baron. Es steht weder in Ihrer Gewalt noch in der meinigen, das Vergangene ungeschehen zu machen; verletzen Sie wenigstens sein wundes Herz nicht noch tiefer!«

»Jedes Mittel ist mir genehm,« erwiderte der Baron, »das meinen Bruder nötigt, eine Frau, die ihn entehrt, zu verstoßen,und einem Kind, das Anderen ihr rechtmäßiges Erbteil rauben würde, die Anerkennung zu versagen.«

»Sagen Sie lieber: das Ihnen Ihr Erbteil rauben würde. Dann ist Ihr Benehmen, vom Standpunkte des Egoismus betrachtet, vielleicht eher zu entschuldigen,« antwortete der Kapitän, indem er einen vernichtenden Blick auf den Baron warf. »Aber der Brief, den Madame de la Graverie an Herrn de Pontfarcy geschrieben hat, wird vollkommen genügen, um Ihnen selbst vor Gericht zur Erfüllung Ihres Wunsches behilflich zu sein.«

»Nun, dann geben Sie mir den Brief zurück.«

Dumesnil sann einen Augenblick nach; dann erwiderte er:

«Ich will Ihren Wunsch erfüllen, aber unter einer Bedingung.«

»Was! Sie stellen mir Bedingungen?«

»Es hängt von Ihnen ab, ja oder nein zu sagen,« erwiderte der Kapitän, ungeduldig mit dem Fuße stampfend. »Besinnen Sie sich nicht lange. Geben Sie Ihr Wort oder ich zerreiße den Brief!«

»Aber, ich muss doch —«

Der Kapitän machte Miene den Brief zu zerreißen.

»Auf mein Wort als Edelmann!«

»Als Edelmann?« sagte Dumesnil mit tiefer Verachtung. »Nun ja, ich will Ihr Wort annehmen: es scheint ja, dass man ungeachtet solcher Handlungen immer Edelmann bleibt. Schwören Sie mir, Ihrem Bruder nie zu sagen, dass er von zwei Männern, die er seine Freunde nannte, zugleich betrogen worden ist. Schwören Sie mir endlich, dass Sie der Sühne, der ich meine noch übrige Lebenszeit widmen will, kein Hindernis in den Weg legen wollen.«

»Ich schwöre es!« sagte der Baron, indem er den kostbaren Brief mit den Augen verschlang.

»Gut. Ich zähle mit Zuversicht auf Ihren Schwur, und sage Ihnen daher nicht, was ich tun werde, wenn Sie ihn brechen.«

Der Kapitän überreichte dem Baron den von Mathilde an Herrn de Pontfarcy geschriebenen Brief, und ging dann auf den Chevalier zu.

»Stehe auf, Dieudonné,« sagte er. »Komm und sei ein Mann!«

»O! ich danke Dir!« sagte der Chevalier, indem er sich mit großer Anstrengung aufrichtete und dem Kapitän in die Arme sank. »Du wirst mich also nicht verlassen?«

»Nein, nein!« sagte Dumesnil und überhäufte seinen Freund mit Liebkosungen wie ein Kind.

»O! ich fürchte den Verstand zu verlieren,« setzte der Chevalier noch immer schluchzend hinzu; »denn ich blicke nur mit Entsetzen in die Zukunft, die sich vor mir auftut, und der Vergleich der Vergangenheit mit der Gegenwart wird mir das Leben verhasst machen.«

»Fasse Mut,« sagte der Baron. »Das beste Weib ist nicht die Hälfte der Tränen wert, die Du seit einer Viertelstunde vergießest, geschweige ein unwürdiges Geschöpf.«

»O! Du weißt nicht was sie für mich war!« unterbrach ihn der arme Dieudonné. »Du findest Zerstreuung in den Talons, am Hofe,in dem Streben nach Ehre und Auszeichnung; Du findest Zerstreuung in Glanz und Prunk, der bei Dir die Stelle des Herzens vertritt, selbst in dem Neide über das Glück deiner Nebenbuhler, in den Klatschereien über bekannte Personen und auffallende Tagesbegebenheiten – ich hingegen hatte nur sie! Sie war mein ganzes Leben, meine einzige Freude, mein einziger Ehrgeiz auf der Erde! Nur die Worte, die aus ihrem Munde kamen, hatten für mich einen Wert – und jetzt, wo ich Alles dies unter meinen Füßen einsinken fühle, scheint es mir, dass ich eine öde, dürre, dunkle Wüste betrete, wo ich nur noch Zeit für meinen Schmerz habe! O mein Gott! mein Gott!«

»Eitles Geschwätz!« höhnte der Baron.

Der Kapitän warf ihm einen drohenden Blick zu.

»O! Sie werden mich nicht hindern, meinem Bruder zu sagen,« wiederholte der Baron, der nur an sein Erbteil dachte, »Sie werden mich nicht hindern ihm zu sagen, was er dem Namen, den er führt, schuldig ist. Eine Frau, die seiner unwürdig, kann er auch nicht lieben —«

»Du irrst Dich, Bruder,« unterbrach ihn der unglückliche Chevalier, »selbst in diesem Augenblicke, wo ihr Fehltritt mir das Herz bricht, wo ihre Schmach mich tief beschämt, liebe ich sie.«

»Freund, sei ein Mann!« mahnte der Kapitän.

»Was liegt mir noch am Leben? Nach der Weltsitte, nach den Gesetzen der Ehre muss ich mich rächen an ihrem Buhlen; er oder ich muss fallen, weil Gott sie zum Weibe, das ist zum gebrechlichen, treulosen Wesen geschaffen hat! Das Leben eines Mannes ist verwirkt, die Welt verlangt dieses Sühneopfer – als ob sich die Welt darum kümmerte, auf welche Art man mir meine Freunde raubt, als ob die Ehre mein Glück oder Elend berücksichtige. Blut muss stießen – gleichviel ob das Blut des Beleidigers oder des Beleidigten!«

»Fürchtest Du Dich denn, Bruder?« fragte der Baron.

Der Chevalier sah seinen Bruder mit dem Ausdruck der Verzweiflung an.

»Ich fürchte nur ein Mörder zu werden,« sagte er mit einer Entschiedenheit, welche bewies, dass er die Wahrheit sagte. – »Lieber Dumesnil, stehe mir bei, ich darf ja die Rache nicht dem Himmel überlasten, ohne eine Memme gescholten zu werden. – Baron, ich gebe Dir mein Wort, dass morgen zu dieser Stunde Herr de Pontfarcy nicht mehr leben wird, oder dass ich von seiner Hand gefallen sein werde. Ist das Alles, was Du als Repräsentant der Familienehre verlangst?«

»Nein, ich kenne deine Schwäche, Bruder; ich verlange eine Vollmacht, um die Scheidungsklage gegen deine unwürdige Frau einzuleiten.«

»Diese Vollmacht hast Du wahrscheinlich schon bereit?«

»Es fehlt nur deine Unterschrift.«

»Ich dachte es wohl. Gib her die Vollmacht – eine Feder und Tinte —«

»Hier ist Alles was Du wünschest, lieber Dieudonné,« sagte der Baron und überreichte seinem Bruder die Vollmacht samt einer eingetauchten Feder.

Der Chevalier unterzeichnete, ohne eine Klage laut werden zu lassen, ohne einen Seufzer auszustoßen. Aber er zitterte so heftig, dass die Unterschrift kaum leserlich war.

»Mille tonneres!« sagte der Kapitän, indem er seinen Freund mit sich fortzog und dem Baron noch einen vernichtenden Blick zuwarf; »man hat Viele gehängt, die es nicht so verdienten, wie das Haupt in deiner Familie!«

Black

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