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Bernhard.
Eine Geschichte für Jäger

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Aus dem Französischem übersetzt

von

Wilhelm Ludwig Wesche

Leipzig, 1851

Verlag von Christian Ernst Kollmann

Das was ich erzählen will, ist weder eine Novelle, noch ein Roman, noch ein Drama, es ist ganz einfach eine Jugenderinnerung, eine jener Begebenheiten, wie sich deren täglich zutragen, und wenn die Erzählung irgend einen Anstrich annimmt, so wird es weder durch die Kunst des Erzählers, noch durch das Talent des Geschichtenschreibers, sondern durch den ausnahmsweisen Charakter des Mannes sein, welcher der Held desselben ist.

Fangen wir damit an zu sagen, dass dieser Mann ganz einfach ein Forstaufseher war.

Ich bin in Mitte eines schönen und wildreichen Waldes geboren. Mein Vater, ein großer Jäger, gab mir als kleines Kind eine Flinte in die Hände. Mit zwölf Jahren war ich schon ein vortrefflicher Wildschütz.

Ich sage Wildschütz, weil ich gewöhnlich nur im Geheimen jagte, ich war nicht alt genug, um einen Jagdschein zu erlangen, ich war nicht wichtig genug, um von den Leuten eingeladen zu werden, welche ihn entbehren können, endlich hatte der Forstmeister von Villers-Cotterets, ein guter und vortrefflicher Mann, dessen Andenken ich eine unauslöschliche Erinnerung der Freundschaft bewahre, welche er für mich hatte, der mein Verwandter war und mich von ganzem Herzen liebte, weil er fand, dass es unendlich besser für meine Zukunft wäre, wenn ich die Georgica und de Viris erklärte, als Kaninchen im Lager, oder Rebhühner mit der Doppelflinte zu schießen, dieser hatte allen Forstaufsehern den Befehl erteilt, mich niemals ohne eine ausdrückliche Erlaubnis von seiner Hand auf ihren Revieren jagen zu lassen.

Und das verhinderte indessen nicht, dass ich jagte, oder vielmehr, wie ich bemerkt, wilddiebte.

Meine Mutter, welche die Ansichten des Forstmeisters in Bezug auf mich gänzlich teilte, und die außerdem beständig Unglücksfälle fürchtete, welche mir zustoßen könnten, hielt mein Gewehr unter Verschluss und gab es mir nur an den feierlichen Tagen, den Tagen besonderer Erlaubnis, an den Tagen, wo als Belohnung für die Arbeit der Woche Herr von Violaine, das war der Name des Forstmeisters, mir zu sagen kam: – Aufgebrochen, Dumas, auf den Weg, mein Freund, aber gewöhnen wir uns nicht daran, es ist nur für heute, und weil der Abbé mit Dir zufrieden ist. Ah! diese Tage waren mir große Festtage. Ich nahm meine Jagdtasche, schnallte meine langen Jagdgamaschen an, zog meine Zwillichjacke an, warf eine hübsche Jagdflinte, die ich von meinem Vater hatte, auf meine Schulter, und ging stolz unter dem Gebell unserer Meute und den Wünschen aller unserer Bekannten, welche uns von der Schwelle ihrer Türen aus vorüber kommen sahen und uns zuriefen: – Gute Jagt! mit den Jägern durch die ganze Stadt.

Aber diese besondere Gunst ereignete sich kaum ein Mal monatlich, und es war sehr traurig, nur ein Mal unter dreißig Tagen zu jagen; ich hatte daher auch die neunundzwanzig andern Tage ein Mittel gefunden, an die Stelle meines eingeschlossenen Gewehres eine andere Waffe meiner Erfindung treten zu lassen. Das war eine lange Pistole aus den Zeiten Ludwigs XIV., zu der ich mir einen Kolben geschnitzt hatte. Wenn der Abend herbeigekommen, so steckte ich den Kolben in meine Tasche, den Lauf unter meine Jacke, und ging unschuldiger Weise, meinen Reif oder meinen Kreisel in der Hand, davon, da« mit man den mutwilligen Streich nicht argwöhnte, den ich vorhatte; dann, wenn ich außer dem Gesichtskreis war, ließ ich in irgend einem Winkel Kreisel oder Reif, erreichte in vollem Laufe den Saum des Waldes, legte mich auf den flachen Leib in das Gebüsch des Grabens, befestigte meine im Voraus geladene Pistole auf ihren Kolben, und wartete.

Wenn ein Kaninchen das Unglück hatte, auf fünf und zwanzig Schritt weit um mich herum sich auf die Ebene zu wagen, so war es ein vollkommen totes Kaninchen.

Wenn es zufällig ein Hase war, so versteht es sich von selbst, dass es ihm eben so erging. Eines Tages kam ein Reh heraus, und ich sage es ganz im Geheimen, es war mit dem Rehe wie es mit einem Kaninchen oder einem Hasen gewesen wäre.

Diese verschiedenen Stücke Wildbret dienten mir dazu, wackeren mir befreundeten Leuten Geschenke zu machen, welche, damit diese Geschenke sich erneuern möchten, mich ihrerseits mit Pulver und Blei versahen.

Dann muss ich ferner bemerken, dass fast alle Forstaufseher mit meinem Vater gejagt hatten, und ein lebhaftes Andenken an seine Freigebigkeit bewahrten. Andere waren ehemalige Soldaten, die unter ihm gedient, und die er durch seinen Einfluss in die Forstverwaltung hatte eintreten lassen. Kurz, alle diese wackeren Leute, welche in mir ganz besondere Anlagen sahen, eines Tages eben so freigebig zu werden als der General (so nannten sie meinen Vater immer) – hatten große Freundschaft zu mir gefasst. Sie luden mich daher auch zuweilen ein, Runden mit ihnen auf ihren Revieren zu machen; wenn dann ihr Jagdhund vor irgend einem unglücklichen Kaninchen im Lager anhielt, so blickten sie um sich, ob uns Niemand sähe, und gaben mir geschwind ihr Gewehr in die Hand. Ich ging auf die andere Seite des Gebüsches, auf welches Castor oder Pollux die Augen geheftet hatte, tat einen Fußtritt hinein, das Kaninchen sprang auf, und es war fast immer ein Kaninchen, das, nachdem es die Nacht in einem Baue zugebracht, den Abend in einer Bratpfanne zubrachte.

Unter diesen Aufsehern gab es einen, den man Bernhard nannte, und da er an der Straße von Soissons, eine halbe Stunde weit von Villers-Cotterets ein kleines Haus bewohnte, das Herr Violaine für seinen Vorgänger hatte bauen lassen, so nannte man ihn Bernhard von Neuhaus.

Er war zu der Zeit, von welcher ich spreche, das heißt im Jahre 1818 und 1819, ein schöner Mann von ungefähr zwei und dreißig Jahren, mit offenen Zügen, blonden Haaren, blauen Augen, dickem Backenbart, der sein fröhliches Gesicht ganz wunderschön einfasste, übrigens war er vortrefflich gebaut, und verdankte der Übereinstimmung seiner Glieder eine herkulische, zehn Stunden weit im Umkreise sprichwörtliche Starke.

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