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Erster Teil
Viertes Capitel.
Isabella und Ferdinand
ОглавлениеDon Inigo Velasco war zur Zeit der Einnahme von Granada ein schöner junger Mann von dreißig bis zweiunddreißig Jahren, mit großen schwarzen Augen und langem schwarzen Haar. Sein Gesicht trug einen tiefen Eindruck von jener Schwermuth, welche das Daseyn einer unglücklichen Liebe verräth und folglich jederzeit eine mächtige Empfehlung bei einer Frau ist, wäre diese Frau auch Königin.
Eine damals kaum geheilte Wunde, deren Narbe sich aber in den ersten Runzeln des Alters verloren hatte, zog über seine Stirn eine röthliche Furche und war ein Zeugniß davon, daß er die Mauren ganz in der Nähe angegriffen, deren krummer Säbel diese blutige Spur auf seiner Stirn zurückgelassen hatte.
Die Königin hatte zwar schon oftmals von ihm sprechen hören, als von einem schönen Manne wie als von einem schönen Krieger, erblickte aber Don Inigo das erste Mal und sah ihn mit der doppelten Theilnahme an, die zuerst dem Neffen ihrer besten Freundin, dann aber auch dem Ritter galt, welcher so tapfer für die Sache seines Gottes und seiner Fürsten gekämpft.
»Ihr seyd Don Inigo de Velasco?« fragte Isabella nach kurzer aufmerksamer Betrachtung, während welcher die tiefste Stille in dem Betgemach herrschte, wo sich indeß wohl zwölf Personen näher oder weiter von ihm entfernt, sitzend oder stehend befanden, je nach der Vertraulichkeit, mit welcher sie beehrt wurden, oder nach dem Range, den sie einnahmen.
»Ja, Hohet,« antwortete Don Inigo.
»Ich hielt Euch für einen rico hombre«.
»Der bin ich auch, Hoheit.«
»Warum bleibt Ihr dann nicht bedeckt vor uns?«
»Weil meine Ehrerbietung vor der Dame mir die Ausübung des Rechtes untersagt, an welches die Königin gnädig mich erinnert.«
Isabella lächelte und nannte ihn nun Du, wie es damals die Könige und Königinnen von Castilien thaten und noch jetzt thun, denen gegenüber, welche in unserer Zeit Granden von Spanien heißen und damals ricos hombres hießen.
»Du willst also reisen, Don Inigo?« fragte sie.
»Ja, Hoheit,« antwortete der junge Mann.
»Warum?«
Belasco schwieg.
»Es scheint mir doch,« fuhr Isabella fort, »als eigneten sich viele Stellen an meinem Hofe für einen jungen Mann deines Alters und einen Sieger von deinem Verdienste.«
»Ihr täuscht Euch über mein Alter, Hoheit,« antwortete Don Inigo, der traurig das Haupt schüttelte; »ich bin alt.«
»Du?« sagte die Königin erstaunt.
»Ja, denn wie viele Jahre man auch zählen mag, man ist alt, sobald man alle Illusionen verloren hat und den Namen Sieger, den Ihr mir wie einem Cid beizulegen die Gnade habt, würde ich bald verlieren, da Ihr nach der Uebergabe Granada‘s und dem Falle des letzten Maurenkönigs, Abul Abdallah, keine Feinde mehr in eurem Reiche zu besiegen habt.«
Der junge Mann sprach diese Worte in so tieftraurigem Tone, daß die Königin ihn verwundert ansah und Dona Beatrice, welcher ohne Zweifel der Liebeskummer ihres Neffen bekannt war, eine Thräne abwischte, die still über ihre Wange rann.
»Und wohin willst Du gehen?« fragte die Königin weiter.
»Nach Frankreich, Hoheit.«
Isabella runzelte leicht die Stirn.
»Hm Euch,« fuhr sie fort, ohne weiter Du zu sagen, »König Carl VIII. zur Hochzeit mit der Erbin der Bretagne geladen, oder Euch aufgefordert, Dienst in dem Heere zu nehmen, das er, wie man sagt, aufstellte, um Italien zu erobern?«
»Ich kenne den König Carl VIII. Nicht,« antwortete Don Inigo, »und welchen Antrag er mir auch machte, in seinem Heere zu dienen, ich würde ihn ablehnen, denn ich müßte sicherlich gegen meine vielgeliebte Souveränin dienen.«
»Und was treibt Dich nach Frankreich, wenn Du nicht einen Herrn suchen willst, der Dir besser zusage als wir?«
»Ich begleite einen Freund, den Ihr fortgetrieben habt.«
»Wer ist er?«
»Christoph Columbus, Hoheit.«
Es trat eine Pause ein, in welcher man das leichte Knarren der Thür zum Cabinet des Königs hörte, die halb geöffnet wurde.
»Gott verhüte es, wir haben euren Freund nicht fortgetrieben, Don Inigo,« entgegnete Isabella in einer Trauer, die sie nun nicht von sich abweisen konnte; »aber unser Rath hat die Bedingungen, welche der Genueser gestellt, für so übertrieben erklärt, daß wir sie nicht annehmen können, ohne gegen die Achtung zu verstoßen, die wir uns selbst und unsern beiden Kronen schuldig sind. Wenn euer Freund, Don Christobal, einige Nachgiebigkeit gezeigt hätte, würde die Ausführung eines Planes, dessen Mißlingen er sich selbst zuzuschreiben hat, durch den guten Willen des Königs Ferdinand und das Interesse, das ich daran nehme, leicht geworden seyn.«
Isabella schwieg und wartete auf die Antwort Don Inigo’s, aber dieser antwortete nicht.
»Abgesehen übrigens davon,« fuhr sie fort, »daß die Theorie des Genuesen über die runde Gestalt der Erde mit den Worten der heiligen Schrift nicht wohl übereinstimmt, wisset Ihr, daß die gelehrtesten Männer des Reiches Christoph Columbus als einen Träumer behandeln.«
»Lieber seinen Hoffnungen zu entsagen, als seiner Würde,« entgegnete der Neffe der Beatrice, »sieht einem Träumer nicht ähnlich. Columbus unterhandelt um ein Reich, das, wie er meint, zehnmal größer ist, als Spanien und seine Forderungen entsprechen dieser Größe. . . Ich begreife das.«
»Neffe!« flüsterte Beatrice.
»Sollte ich unwillkürlich gegen die der Königin gebührende Ehrfurcht gehandelt haben?« fragte Don Inigo; »das würde mich tief betrüben.«
»Nein, mein Kind, nein,« entgegnete Isabella lebhaft. Als sie einen Augenblick nachgedacht hatte, fragte sie Don Inigo: .
»Du meinst also, es liege etwa Ernsthaftes, Mögliches. Wirkliches den Träumen des Seefahrers zu Grunde?«
»Ich bin zu unwissend, um Ew. Hoheit im Namen der Wissenschaft darauf Antwort geben zu können, aber im Namen des Glaubens antworte ich: Die Ueberzeugung Christophs hat auch mich überzeugt und wie Ew. Hoheit das Gelübde thaten, Santa Fe nicht zu verlassen, bevor Granada erobert sey, so habe ich gelobt, Columbus nicht zu verlassen, bis er den Boden jener neuen Welt betreten, die Ew. Hoheit ausgeschlagen hat.«
»Aber,« sagte Isabella, welche zu scherzen versuchte, obgleich ihr die Worte des jungen Mannes, wenn nicht die Lust dazu, doch die Fähigkeit benommen hatten, »da Du so großen Glauben auf die Wissenschaft des Genuesen hast und er nur zwei Caravellen, hundert Matrosen und dreitausend Kronen für sein Unternehmen braucht, warum hast, Du nicht von deinem Vermögen, das dreimal so groß ist, die beiden Caravellen bauen lassen, die hundert Matrosen in Dienst genommen und die dreitausend Kronen vorgeschossen? Da Columbus in diesem Falle Niemanden Schuldner gewesen, hätte er König seines erträumten Reiches seyn und Dich zum Vicekönig ernennen können.«
»Ich habe es ihm angeboten, Hoheit,« antwortete Don Inigo ernst, »nicht in Hoffnung aus so hohen Lohn, denn ich bin nicht ehrgeizig, aber Columbus bat mein Anerbieten abgelehnt.«
»Columbus hat die Ausführung eines Planes abgelehnt, mit dem er sich seit zwanzig Jahren trägt?« fragte Isabella; »Kind, das werde ich Dir nie glauben.«
»Und doch ist es die Wahrheit, Hoheit,« antwortete Don Inigo mit einer ehrfurchtsvollen Verbeugung.
»Und welchen Grund gab er bei seiner Ablehnung an?«
»Er sagte, zur Weihe eines solchen Unternehmens gehöre der Name und der Schutz eines großen Königs und da er es nicht unter der portugiesischen, nicht unter der spanischen Flagge ausführen könne, wolle er versuchen, ob es Carl VIII. unter den Schutz der drei Lilien Frankreichs stellen wolle.«
»Der Genuese ist nach Frankreich gereist? Der Genuese will seinen Plan dem Könige Carl VIII. vorlegen? Wisset Ihr das gewiß, Señor Inigo?« fragte Ferdinand von Aragonien, der plötzlich hereintrat und sich in das Gespräch mischte, aus das er seit einigen Augenblicken gehört hatte.
Alle Anwesenden drehten sich bei diesem unerwarteten Eintreten um und gaben ihre Ueberraschung wenigstens durch eine Geberde zu erkennen.
Nur Don Inigo, als habe er die Bewegung der Thür gehört und geahnt wer sie öffne, äußerte nur Ehrerbietung, indem er sich vor dem König verbeugte, wie vorher vor der Königin. Nun setzte er seinen Hut auf, als wolle er das ihm zustehende Recht üben, bedeckt vor dem Könige von Aragonien zu bleiben. Fast in demselben Augenblicke jedoch nahm er ihn wiederum ab, indem er sich gegen Isabella wendete von der, als seiner alleinigen Souveränin, er seine Entlassung zu erwarten schien.
Diese bebte übrigens vor Freude als sie sah, wie begierig der sonst so gelassene Ferdinand die für Spanien so demüthigende Nachricht anhörte, Columbus wolle die Gunst – und den Schutz eines andern Fürsten suchen.
Da Don Inigo auf die Frage Ferdinands nicht antwortete, so sagte sie zu dem jungen Manne:
»Hörst Du, was der König von Aragonien fragt? Er fragt Dich, ob es wahr sey, daß der Genuese nach Frankreich abgereist und ob er wirklich dem König Carl VIII. seine Dienste anbieten wolle.
»Ich habe diesen Morgen Christoph Columbus an dem Thore von Bara verlassen, Hoheit; er schlug den Weg nach der Küste ein, um in Alicante, in Valencia oder Barcellona eine Gelegenheit zu suchen nach der Provence zu fahren.«
»Und dann?« fragte Ferdinand.
»Dann, Sire,« antwortete Don Inigo, »dann kam ich hierher, um die Königin um die Erlaubniß zu bitten dem großen Manne zu folgen, mich mit ihm einzuschiffen und sein gutes oder böses Geschick zu theilen.«
»Du wolltest Dich also zu ihm begeben?«
»Sobald ich die Erlaubniß meiner gnädigen Königin erhalten,« antwortete Don Inigo.
»Er verläßt uns wahrscheinlich betrübt über den schlechten Erfolg seines Gesuches.«
»Er verläßt Spanien mit stolz erhobenem Haupt und heiterem Gesicht, Hoheit, denn wenn auch Bedauern und getäuschte Erwartung auf seinem Herzen ruhen, ist sein Herz doch groß genug, diese doppelte Last zu tragen.«
Ferdinand schwieg einen Augenblick vor dieser stolzen Antwort, dann strich er mit der Hand über die nachdenklich gewordene Stirn und flüsterte seufzend:
»Ich fürchte, meine Räthe sind mit ihrer abweisenden Antwort gegen diesen Mann zu voreilig gewesen; was sagt Ihr, Señora?«
Gleich bei den ersten Worten, welche der König gesprochen hatte, war Isabella aufgestanden und zu ihm gegangen. Mit gefaltenen Händen sagte sie:
»Herr, ich habe mich dem Beschlusse des Rathes unterworfen, weil ich glaubte, dieser Beschluß sey von Euch ausgegangen; wenn ich mich aber täuschte, wenn Ihr noch einigen Antheil an dem Manne nehmt, der solche Hingabe erwecken kann und solche Begeisterung erregt, so solltet Ihr nur eurem Geiste und eurer Hochherzigkeit folgen.«
»Glaubt Ihr, Don Inigo,« fragte Ferdinand und jedes Wort fiel wie ein Tropfen eiskalten Wassers auf Isabellens Herz, »glaubt Ihr, daß Columbus, angenommen er entdecke das gesuchte Land, in demselben so viel Gewürze, Edelsteine und Gold finden würde, um die ungeheuern Kosten einer solchen Unternehmung zu decken?«
Isabella trat der Schweiß auf die Stirn; sie empfand was die poetischen Herzen empfinden, wenn eine Person, die Anspruch aus ihre Liebe und Achtung hat, einmal in einer Sprache spricht, welche mit ihrem hohen Range nicht übereinstimmt.
Sie hatte nicht den Muth zu antworten, Don Inigo antwortete für sie:
»Ew. Hoheit finden die Kosten ungeheuer, welche zwei Caravellen mit hundert Mann verursachen würden. Die dreitausend Kronen sind eine Summe, welche einige Herren im Dienste Ew. Hoheit mehr als einmal in einer Nacht im Spiel und in Thorheiten vergeudet haben.«
»Wenn es sich nur um das Geld handelte,« setzte Isabella hinzu, »so würde ich es herbeischaffen.«
»Ihr? Woher?« fragte Ferdinand.
»Aus der Casse des Schatzmeisters Castiliens hoffentlich,« antwortete Isabella, »und wenn sie nicht einmal diese kleine Summe enthielte, wäre ich wohl geneigt, lieber meine eigenen Juwelen zu verpfänden oder zu verkaufen, als Columbus einem andern Könige, einer andern Nation den Plan bringen zu sehen, der, wenn er gelingt, das Land, welches Columbus begünstigt, zu dem reichsten und mächtigsten der Welt machen wird.«
Ferdinand murmelte etwas, das weder Billigung noch Mißbilligung zu seyn schien, die Marquise Moya gab ihre Bewunderung laut zu erkennen und Don Inigo ließ sich auf ein Knie vor der Königin nieder.
»Was thut Ihr, Don Inigo?« fragte die Königin lächelnd.
»Ich verehre meine Königin, wie sie es verdient,« sagte der junge Mann, »und warte auf ihren Befehl, sofort auszubrechen, um Christoph Columbus nach Santa Fe zurück zu bringen.«
Isabella sah den König von Aragonien bittend an; aber der kalte und kluge Staatsmann ließ sich nicht zu Regungen der Begeisterung hinreißen, welche er kaum Jünglingen und Frauen gestattete und die, seiner Meinung nach, stets in gebührender Entfernung von dem Geiste der Minister und dem Herzen der Könige gehalten werden müssen.
»Heißt den jungen Mann aufstehen, Señora,« sagte er, »und sprecht mit mir über diese wichtige Angelegenheit.«
Isabella nahm seinen Arm und beide verließen zwar das Betgemach nicht, traten aber in die Brüstung eines Fensters, auf welchem in bunten Farben die Himmelfahrt der Jungfrau dargestellt war.
Der junge Mann erhob die Hände zu dem Bilde der Madonna und sprach:
»Heilige Mutter Gottes, erleuchte das Herz des Königs mit dem Lichte, das auf deinem Haupte strahlt.«
Ohne Zweifel wurde das Gebet Don Inigo’s erhört, denn man sah unter den dringenden Bitten Isabellens allmälig das Eis Ferdinands schmelzen. Ein Zeichen mit dem Kopfe deutete seine Zustimmung an und er sagte laut:
»Es geschehe nach eurem Wunsche, theure Isabella.«
Die Brust aller Anwesenden machte sich durch einen Seufzer der Befriedigung Luft.
»Steigt nun zu Pferd, junger Mann,« fuhr Don Fernand fort, »und sagt dem eigensinnigen Genueser, da er nicht nachgeben wolle, müßten wohl die Könige nachgeben.«
»Also, Hoheit? fragte Don Inigo, der nicht nur die Genehmigung des Königs, sondern auch die der Königin haben wollte.
»Wir willigen in Alles,« sagte Isabella, »und euer Freund Columbus kann zurück kommen, ohne neue Schwierigkeiten zu fürchten.«
»Es ist wahr, Hoheit, ich habe recht gehört?« fragte Don Inigo.
»Hier meine Hand,« antwortete Isabella.
Der junge Mann beugte sich über diese königliche Hand, die er ehrfurchtsvoll mit seinen Lippen berührte, dann entfernte er sich rasch aus dem Gemache und rief:
»Mein Pferd! Mein Pferd!« Fünf Minuten später vernahm man auf dem Pflaster des Hofes den Galopp des Pferdes Don Inigo’s, der sich bald in der Ferne verlor.