Читать книгу Ritter von Harmental - Александр Дюма - Страница 11

Erster Teil
XI.
Die Communication

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Der Chevalier blieb allein. Diesmal aber gab ihm seine Unterredung mit dem Capitain so viel Stoff zum Nachdenken, daß er weder Langeweile empfinden, noch an sein Clavier oder an das Zeichnen denken konnte. Wirklich hatte sich Harmental, bis jetzt nur theilweise in die Angelegenheit eingelassen, rücksichtlich welcher die Herzogin von Maine und der Prinz von Cellamare ihm eine so glänzende Aussicht gezeigt, der Capitain Roquefinette ihm aber so eben unverholen und in den deutlichsten Ausdrücken das schaudervollste und blutigste Ende enthüllt hatte. Bis jetzt war er nur der Endpunkt einer Kette, und leicht war es ihm sich derselben zu entwinden. Jetzt war er ein Mittelring derselben geworden, der von beiden Seiten eingeengt, auf der einen Seite mit dem, was die Gesellschaft am vornehmsten bot; auf der anderen aber, was sie am niedrigsten umschloß, vereinigt war. Kurz, von dieser Stunde gehörte er sich nicht mehr selbst an, er glich dem Reisenden, der sich in den Alpen verirrt, auf einem unbekannten Wege seine Schritte hemmt, und mit dem Auge zum erstenmal die sich vor ihm erhebende Felsmasse, und den sich zu seinen Füßen hinabsenkenden Abgrund zu messen versucht.

Zum Glück besaß der Chevalier jenen kalten, ruhigen und entschlossenen Muth, der bei heftigem Aufwallen im ersten Augenblicke, später eine ruhige Ueberlegung gestattet. Er warf sich in die Gefahr mit der ganzen Lebhaftigkeit eines Sanguinikers, prüfte sie aber, wenn er sich einmal darin befand, mit großer Besonnenheit. Hieraus ergibt sich, daß der Chevalier eben so gefährlich in einem Zweikampf, als in einer Verschwörung war; denn in einem Duell gestattete ihm seine Ruhe, selbst den kleinsten Fehler seines Gegners zu benutzen; und in der Letzteren erlaubte ihm ein kaltes Blut, die etwa zerrissenen kleinen Fäden, von denen oft das Gelingen des wichtigsten Unternehmens abhängt, schnell wieder zusammen zu knüpfen. Die Herzogin von Maine hatte also recht, wenn sie gegen Fräulein de Launay bemerkte, daß ihre Laterne ihr gute Dienste geleistet, weil sie einen Menschen gefunden habe.

Dieser Mann aber war jung, er zählte erst sechsundzwanzig Jahre: das heißt, er besaß ein Herz, empfänglich für alle Täuschungen, für alle Poesie der Jugend. Als Kind hatte er seine Kronen zu den Füßen seiner Mutter niedergelegt, als junger Mann hatte er in seiner Obristenuniform vor seiner Geliebten geglänzt; kurz bei allen Unternehmungen seines Lebens hatte ihm ein theures Bild vorgeschwebt, und er hatte sich in die Gefahr gestürzt, mit dem beseeligenden Gedanken, daß, falls er unterliegen sollte, doch irgend jemand ein Schicksal beweinen, sein Andenken getreulich aufbewahren würde. Seine Mutter aber ruhte bereits im Grabe; die letzte Frau, von der er sich geliebt wähnte, hatte ihn verrathen. Er fühlte sich allein in der Welt und nur durch das Interesse mit Menschen verbunden, denen er ein Hinderniß ward, sobald er aufgehört hatte, ihr Werkzeug zu seyn; und die, falls er untergehen sollte, statt seinen Tod zu beweinen, denselben nur als einen Beruhigungsgrund für sich selbst betrachten würden. In diesem Moment hätte der Chevalier alles darum gegeben, in dieser Welt nur von irgend einem Wesen geliebt zu werden.

In diese und ähnliche trübe Gedanken versunken, war er mehrmals in seinem Zimmerchen auf und ab geschritten, als er plötzlich bemerkte, daß das Fenster seiner schönen Nachbarin gegenüber geöffnet say. Er fuhr mit der Hand über die Stirn, so als wolle er die finsteren Ideen verscheuchen, und suchte, indem er seine Aufmerksamkeit auf äußere Dinge lenkte, jenen eine andere Richtung zu geben. Der Mensch aber ist nicht mehr Herr seines Wachens, als seines Schlafs; und seine Träume mit offenen oder geschlossenen Augen, sind stets nur die Folgen einer innerlichen Entwickelung. Die entgegengesetztesten Gegenstände nähern sich einander, die unzusammenhängendsten Gedanken begegnen sich und unsere Seele wird in solchen Momenten m unter von Lichtstrahlen erhellt, die, wenn sie nicht in der Schnelligkeit eines Blitzes wieder verschwände uns vielleicht die Zukunft enthüllen würden. Man fühlt als dann, daß sich in uns etwas Fremdartiges zuträgt; man begreift alsdann, daß man nichts als eine Art Maschine ist, deren Fäden durch eine Unsichtbare Hand gelenkt werden.

So ging es auch jetzt unserm Helden; vergebe suchte er sich durch äußere Gegenstände zu zerstreuen. seine finsteren Gedanken kehrten immer wieder und wieder zurück.

Das junge Mädchen, welches er am Morgen geschauet hatte, saß jetzt am Fenster, und arbeitete so als wolle sie die Strahlen der untersinkend Sonne benutzen; sie war mit einer Stickerei beschäftigt, ihr Clavier stand geöffnet, und auf ein Tabouret zu ihren Füßen schlummerte das kleine milchweiße Windspiel, welches jedoch, nach der Gewolltheit dieser Thiere, bei dem leisesten Geräusch auf der Straße, aus seinem leichten Schlaf auffuhr, sein zierliche Köpfchen zum Fenster hinaus steckte, die Ohren spitzte und sich dann wieder zum Schlummer legte, wobei es eines seiner niedlichen Pfötchen auf dem Schooße seiner Gebieterin ruhen ließ. Dies alles war von dem bezaubernden Lichte der untergehenden Sonne magisch beleuchtet, welche die bronzenen Verzierungen des Claviers und der vergoldete Rahmen eines Gemäldes zurückwarfen; alles Uebrige war nur im Dämmerlichte zu schauen.

Es schien jetzt dem Chevalier in seiner dermaligen Gemüthstimmung, daß dieses junge Mädchen mit dem ruhigen sanften Antlitz, zum erstenmal, wie hinter einem Vorhang hervor, in sein Lebensschauspiel getreten say, einer Bühnenkünstlerin gleich, die erst in dem zweiten oder dritten Acte eines Dramas erscheint, und der Handlung desselben plötzlich eine andere Wendung giebt. Seit jener Zeit, in welcher man in seinen Träumen noch Engel sieht, hatte sich nichts Aehnliches seinen Blicken gezeigt. Das junge Mädchen hatte mit keinem der weiblichen Wesen Aehnlichkeit, welche er bis jetzt geschaut. Es war eine Mischung von Schönheit, Unschuld und Einfalt, wie man sie oft in Köpfen findet, die Greuse so musterhaft kopiert hat, nicht nach dem Leben, sondern nach dem Spiegel seiner Einbildungskraft.

Alles vergessend, den niederen Stand, in dem sie aller Wahrscheinlichkeit nach geboren, die armseelige Straße in der sie wohnte, das bescheidene Zimmer, das ihr zum Aufenthalte diente, verlieh Harmental ihr ein Herz, das ihrem Antlitze glich, und pries denjenigen unbeschreibbar glücklich, der dieses Herz zum erstenmal heftiger schlagen machen, der mit diesen wundervollen Augen liebevoll angeblickt seyn, und der von diesen frischen Rosenlippen den ersten süßen Kuß der Liebe pflücken würde.

So verschieden sind die Ansichten, welche ein und dieselben Gegenstände nach unserer jedesmaligen Gemüthstimmung uns darbieten. Vor acht Tagen noch hätte Harmental, wo er sich in keine Gefahr bringende Unternehmung eingelassen, sondern seine Tage zwischen delikatem Frühstück und köstlichem Mittagsessen, zwischen dem Ballspiel bei Farolet und einem Souper bei der Fillon theilte, dieses junge Mädchen erblickt, er würde in ihr nichts als eine niedliche Grisette gesehen haben, und hätte ihr vielleicht einen Kammerdiener nachgesandt und ihr ein Geschenk von 25 Louisd’ors haben anbieten lassen. Der Harmental von vor acht Tagen aber existierte jetzt nicht mehr! An die Stelle des eleganten, seinen, zuversichtlichen jungen Cavaliers war jetzt ein junger isolierter Mann getreten, der im Dunkeln und allein einen gefahrvollen Weg wandelte, über dessen Haupte plötzlich der Himmel zusammenstürzen, zu dessen Füßen sich mit jedem Augenblick ein unabsehbarer Abgrund erschließen konnte. Der jetzige Harmental bedurfte einer Stütze, so schwach sie auch immer sein mochte, er bedurfte jetzt der Liebe, er bedurfte der Poesie. Es ist daher völlig begreiflich, daß er, indem er eine Madonna suchte, zu der er beten konnte, in seiner Einbildungskraft das oft erwähnte junge Mädchen ihrer natürlichen und prosaischen Sphäre enthob, sie in die seinige zog, und sie auf das leere Piedestall der Gegenstände seiner früheren Verehrung stellte.

Plötzlich erhob das junge Mädchen das Haupt, blickte zufällig aus dem Fenster, und gewahrt durch die Scheiben ihr gegenüber das sinnende Antlitz des Chevaliers. Es war ihr augenblicklich klar, daß der junge Mann um ihretwillen dastand, und daß sie es say, nach der er schauete. Eine hohe Röthe überflog plötzlich ihr schönes Gesicht; sie stellte sich indeß, als ob sie nichts bemerkt habe, und senkte das Auge wieder zu ihrer Stickerei hinab. Nach einigen Augenblicken aber stand sie auf, machte sich Manches im Zimmer zu schaffen, und schloß dann das Fenster, ohne jedoch dabei irgend eine besondere Absicht zu verrathen. Harmental aber blieb wo er war, und wanderte, trotz des geschlossenen Fensters, fortwährend in dem Phantasieenreiche umher, welches er sich geschaffen hatte. Einige Mal schien es ihm, als ob der herabgelassene Vorhang sich bewege und ein wenig gelüftet würde, so als wolle sich die Bewohnerin des Zimmers überzeugen, ob der Unbescheidene, welcher sie von ihrem Platze vertrieben, noch immer seinen Beobachtungsposten behaupte. Endlich wurden drüben einige rasche Accorde vernehmbar, eine sanfte Harmonie folgte, und nunmehr kam die Reihe an Harmental sein Fenster zu öffnen.

Ritter von Harmental

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