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Erster Teil
VII.
Alberoni. – Ein Pascha von unserer Bekanntschaft

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Als Harmental erwachte, glaubte er geträumt zu haben. Die Begebenheiten waren seit sechs und dreißig Stunden mit einer solchen Schnelligkeit auf einander gefolgt, daß er wie von einem Sturmwinde fortgepeitscht wurde, ohne zu wissen wohin. Jetzt erst befand er sich wieder bei sich selbst, jetzt erst hatte er Zeit über die Vergangenheit und Zukunft nachzudenken.

Das Zeitalter in welchem Harmental lebte, ließ am fernen Horizont noch die Ligue, ja fast die Fronde erblicken; eine Generation war kaum dahingeschwunden, seit die Kanonen der Bastille die Rebellion des großen Condé unterstützten. Während dieser Generation hatte allerdings Ludwig XIV. den Schauplatz mit seinem allmächtigen Willen ausgefüllt. Dieser Monarch aber war nicht mehr, und die Enkel wähnten, mit demselben Theater und denselben Maschinen, dasselbe Spiel ihrer Vorfahren spielen zu können.

Wenn also auch der Chevalier von Harmental, bei seinem Erwachen, einen Augenblick fast Reue empfand, über dasjenige, wozu er sich verpflichtet hatte, so brachten denn doch Ehrgeiz und Stolz dieses Gefühl bald wieder zum Schweigen, und er wünschte sich endlich Glück, in einem Schauspiele, in welchem die vornehmsten Personen Frankreichs mitwirken sollten, die erste Rolle übernommen zu haben. Es schien ihm, dem jungen Manne, höchst romantisch, unter dem Banner einer Frau zu fechten, zumal, da diese Frau eine Enkelin des großen Condé war. Er beschloß daher auch keinen Moment zu verlieren, um den Versprechungen nachzukommen, die er geleistet. Er verbarg es sich nicht, daß er sich von jetzt an nicht mehr selbst angehöre, und daß die Blicke aller Verschwornen, von Philipp V. an, bis zu dem Abbé Brigaud hinab, auf ihn gerichtet wären. Höhere Interessen knüpften sich jetzt an seinen Willen, und von seinem Muthe, seiner Besonnenheit hing jetzt das Schicksal zweier Königreiche, ja das der Politik der Welt ab.

Wirklich war in jenem Zeitpunkte der Regent der Schlüssel zu dem Thore Europa’s, und Frankreich, das noch kein Gegengewicht im Norden hatte, begann bereits, wenn auch nicht durch die Waffen, doch durch die Diplomatik, jenen Einfluß zu behaupten, den es später nicht immer aufrecht erhalten konnte. Seit den achtzehn Monaten der Regentschaft des Herzogs von Orleans hatte es eine so mächtige und ruhige Stellung angenommen, wie es sie selbst unter Ludwig XIV. nicht gezeigt.

Mit dem Tode des alten Königs hatte sich alles verändert, der für Frankreich so schmachvolle Friede von Utrecht, ward nur noch als ein Waffenstillstand betrachtet, den man nach Willkühr brechen konnte, sobald die Politik, Englands und Hollands mit der Frankreichs nicht gleichen Schritt hielt. Der Tractat der vierfachen Allianz, um dessentwillen sich Dubois jetzt in London aufhielt, vereinte die Interessen Frankreichs, Englands, Hollands und des Reichs; und er war es, den Philipp V. oder vielmehr der Cardinal Alberoni fürchtete, denn der Erstere bekümmerte sich, wenn er nur eine Gemahlin und einen Betschemel hatte, wenig um das, was außer einem Zimmer und seiner Kapelle vorging.

Ein anderes aber war es mit Alberoni. Er war einer jener Emporkömmlinge, die sich oft um die Throne erheben, wie jene riesigen Luftgebilde, die auf dem Ocean drohend und gewaltig dem Schiffer entgegen schweben, und die dennoch plötzlich wieder verschwinden, wenn der niedrigste Matrose auch nur einen einzigen gemeinen Kieselstein gegen sie in die Fluth geschleudert.

Alberoni war in der Hütte eines Gärtners geboren. Als Kind läutete er die Glocken in der Kirche, später widmete er sich dem geistlichen Stande. Er war stets fröhlich und guter Dinge; der Herzog von Parma, welcher ihn eines Tages überlaut lachen hörte, und selten selbst nur lachte, wollte die Ursache seiner Lustigkeit kennen, und ließ ihn zu sich rufen. Der junge Alberoni erzählte ihm, ich weiß nicht welche lustige Geschichte; der Herzog lachte mit, und sich überzeugend, daß es gut say, mitunter zu lachen, fesselte er ihn an seine Person. Nach und nach entdeckte der Herzog, daß sein lustiger Rath Verstand besitze, und daß dieser in den Geschäften zu verwenden say; er sandte daher den nunmehrigen Abbé Alberoni nach Frankreich, um die Unterhandlungen wieder anzuknüpfen, die der Bischof von Parma abgebrochen hatte.

Herr von Vendome, welcher wenige Umstände mit dem Bischof gemacht hatte, machte noch weniger facon mit einem Abbé; der Letztere aber wußte den Herrn von Vendome so geschickt zu bearbeiten, daß er seinen Zweck erreichte und zu seinem Beschützer zurückkehrte, nachdem er die Sache ganz nach dessen Wunsch beendigt hatte.

Dies war der Grund, daß der Herzog von Parma ihm ein zweites Geschäft bei dem Herrn von Vendome übertrug. Der Letztere wollte sich grade zu Tische setzen, da bat Alberoni, statt mit ihm von Staatsangelegenheiten zu sprechen, um Erlaubniß, ihm einige Gerichte nach seiner Weise bereiten zu dürfen, Er begab sich hinab in die Küche und kehrte zurück, eine köstliche Suppe in der einen Hand, und in der andern eine Schüssel Maccaroni tragend. Herr von Vendome fand die Gerichte so delikat, daß er Alberoni ersuchte, sich zu ihm zu setzen, und mit ihm davon zu speisen. Beim Nachtisch erst begann der Letztere von dem Geschäft zu sprechen, das ihn hierher geführt; er benutzte die heitere Stimmung seines Tischgenossen, und erreichte vollkommen seinen Zweck.

Alberoni war so klug gewesen, dem Koch des Herrn von Vendome ein Recept nicht mitzutheilen, auch war es jetzt der Letztere, welcher bei dem Herzog von Parma anfragen ließ, ob er nicht wieder etwas mit ihm zu verhandeln habe. Dieser fand leicht einen Beweggrund sandte ihm den Alberoni zum dritten Male, und Herr von Vendome, der sich nicht mehr von dem Fabrikanten der Suppe und der Maccaroni trennen mochte, fesselte ihn ganz und gar an seine Person, vertrauete ihm eine geheimsten Angelegenheiten an und ernannte ihn zu seinem ersten Secretair.

Um diese Zeit grade begab sich Herr von Vendome nach Spanien. Alberoni setzte sich mit der Prinzessin von Urfins in Verbindung, und als Herr von Vendome zu Pignerol starb, gewährte ihm jene bei ihr die Stellung, die er früher bei diesem inne gehabt. Das hieß fortwährend steigen.

Die Prinzessin von Urfins aber begann alt zu werden, ein unverzeihliches Verbrechen in den Augen Philipps des Fünften. Sie beschloß daher sich, um Marie von Savoyen zu ersetzen, nach einem jungen Frauenzimmer umzusehen, durch deren Vermittlung sie den König fortwährend beherrschen könne. Alberoni schlug ihr zu diesem Endzweck die Tochter seines ersten Gebieters vor, er schilderte dieselbe als ein charakterschwaches und willenloses Kind, das mit der königlichen Würde nichts erlangen würde, als den Titel – und die Prinzessin ging in die Falle. Die Vermählung ward festgestellt, und die junge Prinzessin verließ Italien um sich nach Spanien zu begeben.

Ihre erste Handlung als Königin war, die Prinzessin von Urfins zurückweisen zu lassen, die sich ihr im Hofkleide vorgestellt hatte. Sie ließ sie ohne weiteres, wie sie war, ja selbst ohne Mantel, bei einer Kälte von zehn Grad, in einem Wagen, dessen Fensterglas einer der Wachen zufällig eingestoßen hatte, zuerst nach Burgos und dann nach Frankreich schaffen, wo sie anlangte, nachdem sie genöthigt gewesen war, von ihren eigenen Dienern fünfzig Pistolen zu leihen. Ihrem Kutscher erfror der Arm und man war gezwungen ihm denselben abzunehmen.

Nach seiner ersten Zusammenkunft mit seiner Gemahlin, kündigte der König Alberoni an, daß er erster Minister say, und von diesem Augenblick an, übte der vormalige Glöckner eine unumschränkte Gewalt über Philipp den Fünften aus.

Wenn daher jetzt die Verschwörung gelang und es dem Chevalier Harmental glücken sollte, den Herzog von Orleans nach Toledo oder Sarragossa zu schaffen, so wollte Alberoni den Herzog von Maine als Regenten anerkennen lassen, die Quadrupel-Allianz wäre gesprengt, eine Flotte sollte an der Küste von England landen, und Preußen, Schweden und Rußland, mit denen Spanien ein Bündniß hatte, sollte sich auf Holland werfen. Das deutsche Reich sollte Neapel und Sizilien wieder erobern. Der katholische Theil der Niederlande sollte mit Frankreich vereinigt und so die große Ligue des Südens gegen den Norden gebildet werden; sollte Ludwig XV. mit Tode abgehen, dann sollte Philipp V. als König der halben Welt gekrönt werden.

Man muß eingestehen, daß dies für einen Maccaroni verfertiger keine üble Berechnung war!

Die Ausführung dieses gewichtigen, ungeheuren Planes, befand sich jetzt in den Händen eines jungen Mannes von sechsundzwanzig Jahren, kein Wunder also, daß die auf ihm lastende schwere Verantwortlichkeit ihn anfangs ein wenig bestürzt machte. Als Harmental noch im tiefen Nachdenken versunken dasaß, trat der Abbé Brigaud zu ihm ein, der sich bereits nach einer anderen Wohnung für ihn umgeschauet hatte. Er hatte auch wirklich in der Straße du Temps perdu No. 5 ein Logis aufgefunden, welches entlegen war und sich ganz und gar für einen jungen Menschen aus der Provinz eignete; er brachte ihm über dem zwei tausend Pistolen von Seiten des Prinzen Cellamare.

Harmental wollte das Geld anfangs zurückweisen, der Abbé Brigaud aber stellte ihm vor, daß man bei einer Angelegenheit wie die in Rede stehende, des Geldes nie zu viel besitzen könne, und daß es Hilfe und Verbündete zu erkaufen gäbe.

Der Abbé Brigaud nahm einen vollständigen Anzug des Chevaliers mit, um danach eine ganz einfache Kleidung zu kaufen, wie sie für denjenigen paßte, den er vorstellen sollte.

Den übrigen Theil des Tages verbrachte Harmental scheinbaren Anstalten zu seiner vorgeblichen Reise, wobei er Sorge trug, nicht ein einziges Papier zurückzulassen, das in einem schlimmen Falle irgend einen seiner Freunde compromittieren konnte. Als der Abend herabgesunken war, begab er sich zur Fillon, wo er von dem unsern Lesern bekannten Capitain Roquefinette etwas zu erfahren hoffte.

Wirklich hatte er, als der Herr von Laval von einem Unterbefehlshaber sprach, sogleich an jenen Mann gedacht, den der Zufall ihm in den Weg führte, und der ihm bei jenem Duell einen so unwiderlegbaren Beweis eines rücksichtslosen Muthes abgelegt hatte. Er begab sich demnach zu der Fillon und fragte dort nach einer Magd, welche man die Normannerin nannte, und die ihm von dem Capitain als die Person bezeichnet war, welche über einen Aufenthalt stete Auskunft zu geben vermöge.

»Die Normannerin,« lächelte die Fillon, die ist in diesem Augenblick über und über beschäftigt, Herr Chevalier; sie serviert grade bei einem Mittagsmahle, welches einer meiner Stammgäste sehr gemächlich so eben verzehrt, und das bis Morgen Abend währen soll.«

»Der Teufel, eine lange Mahlzeit,« bemerkte Harmental.

»Anders thut es mein Capitain nicht,« fuhr die rührige Frau fort, »und noch obendrein muß ich vielleicht alles auf Credit geben, aber ich thu’s gern, denn er war es, der mich in der Welt bekannt machte.«

»Ihr Capitain?«, fragte der Chevalier, »wie nennt sich Ihr Capitain?«

»Roquefinette!«

»Wie, der ist grade hier?«

»Ganz gewiß!«

»Grade mit dem wünsche ich zu sprechen, und nur um eine Wohnung zu erfahren, fragte ich nach der Normannerin. Ich bitte, rufen Sie ihn mir hierher.«

»Der käme nicht, und wenn ihn der Regent selbst rufen ließe; wenn Sie ihn sprechen wollen, müssen Sie sich zu ihm hinauf bemühen. Im Cabinet No. 2 finden Sie ihn, eben da, wo Sie neulich mit dem Baron Valef zur Nacht gespeist. Dem ist nichts zu gut, er ist zwar nur Capitain, aber er besitzt das Herz eines Königs.«

Wenn der Chevalier von Harmental auch das bezeichnete Cabinet nicht gekannt hätte, so konnte er doch den Weg dahin nicht verfehlen, denn schon auf der Treppe vernahm er die ihm wohlbekannte Stimme des Capitains, welcher im tiefen Basse ein lustiges Tischlied sang.

Harmental öffnete ohne Weiteres die Thür und erblickte seinen alten Bekannten, gemüthlich auf dem Sopha liegend, vor einem reichlich besetzten Tische, der von der Normannerin und einer anderen Magd bedient wurde.

Auf einem Stuhle lag ein Rock, der mit einem neuen rothen Achselbande geschmückt war; so wie ein Hut, an dem eine neue Treffe prangte; daneben stand der riesige Degen, den Ravanne mit dem Bratspieß in der Küche seiner Frau Mutter verglichen hatte. »Wie, Sie sind’s Chevalier!« rief der Capitain, »Sie finden mich hier in der Mitte meines Serails.« »Ja, ich bin’s, mein Herr Pascha,« versetzte Harmental, welcher nicht umhin konnte, über die groteske Gruppe, die sich einen Blicken darbot, zu lächeln, ich sehe, Sie gaben mir keine falsche Adresse, und ich freue mich Ihrer Wahrhaftigkeit.«

»Seyn Sie mir willkommen,« sprach der Capitain, »nehmen Sie Platz, langen Sie zu, und Sie, meine schönen Damen, bedienen Sie den Herrn mit dem Anstande, der Sie charakterisiert. Jetzt essen und trinken Sie, Chevalier, so, als ob Sie zu Hause wären, denn Sie müssen wissen, es ist Ihr Pferd, das wir hier verspeisen; zur Hälfte ist es schon fort, das arme Thier, die andere Hälfte aber ist noch übrig.«

»Dank, Dank, Capitain! Ich habe bereits zu Mittag gegessen, möchte aber gern einige Worte mit Ihnen unter vier Augen reden; wenn Sie es anders erlauben?«

»Nein, zum Henker, das erlaube ich nicht,« versetzte der Capitain, »es wäre denn, daß wieder von einem Zweikampfe die Rede wäre.«

»Diesmal, Capitain, betrifft es ein anderes wichtiges Geschäft.«

»Ein Geschäft, ganz gehorsamer Diener, da kann ich nicht dienen, Chevalier. Ich will heut von keinem Geschäft etwas wissen. Ich habe Geld in der Tasche bis morgen Abend. Die Geschäfte also auf übermorgen, Chevalier!«

»Also übermorgen kann ich ganz bestimmt auf Sie zählen?« fragte Harmental ernsthaft.

»Dann stehe ich mit Leib und Seele zu Ihren Diensten. Auf übermorgen also. Wo aber werde ich Sie alsdann finden?«

»Geben Sie acht,« flüsterte Harmental ihm in’s Ohr, finden Sie sich Vormittags zwischen elf und zwölf Uhr in der Straße du Temps perdu ein, blicken Sie dort um sich, man wird Sie aus einem Hause rufen, Sie steigen alsdann die Treppe hinan, bis Sie einen alten Bekannten treffen; dort wartet ein gutes Frühstück auf Sie.«

»Abgemacht, Chevalier,« erwiderte der Capitain, zwischen elf und zwölf Uhr Vormittags. – Verzeihung, wenn ich Ihnen nicht das Geleite gebe, Sie wissen, das ist nicht Sitte bei den Türken.«

Der Chevalier winkte mit der Hand, zum Zeichen, daß er ihn dieser Förmlichkeit entbinde, und kaum war er wieder auf der Treppe, als er vernahm, wie der Capitain Pascha das Tischlied, welches ein Eintreten unterbrochen hatte, wieder anstimmte.

Ritter von Harmental

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