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Erster Teil
II.
Das Duell

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So wie Lafare, Fargy und Ravanne ihre Gegner in die Allee treten sahen, eilten sie ihnen entgegen. Als sie sich einander bis auf zehn Schritte genähert hatten, zogen sie sämmtlich die Hüte und begrüßten sich mit jener zierlichen Höflichkeit, die bei ähnlichen Gelegenheiten ein Charakterzug der Aristokratie des achtzehnten Jahrhunderts bildete, wobei ihr anmuthiges Lächeln jedem Vorübergehenden hätte glauben machen können, daß hier von einer freundlichen Begegnung, nicht aber von einem feindlichen Zusammentreffen die Rede say.

»Meine Herren,« begann der Chevalier von Harmental, dem das erste Wort mit vollem Rechte gebührte, ich hoffe, daß weder Sie noch wir von irgend jemand hierher gefolgt wurden; aber es ist bereits ein wenig spät und wir könnten hier leicht gestört werden, ich halte es daher für rathsam, daß wir eine entlegnere Stelle suchen, wo wir mit mehr Ruhe und Bequemlichkeit das kleine Geschäft abmachen können, das uns hier zusammenführt.«

»Meine Herren, entgegnete Ravanne, »ich weiß den passendsten Ort. Kaum hundert Schritte von hier – man kann sich dort in einer Wüste wähnen.«

»So folgen wir dem Kinde, rief der Capitain, »die Unschuld führt zum Heil.«

Ravanne wandte sich und maaß den Mann mit den orangefarbenen Epauletts von Kopf bis zur Zehe.

»Haben Sie sich noch gegen keinen Anderen verpflichtet, mein großgewachsener Herr,« versetzte er in einem etwas ironischem Tone, »so bitte ich um den Vorzug.«

»Halt, Ravanne, halt,« fiel Lafare ein, »ich habe dem Herrn von Harmental zuvor einige Erklärungen zu geben.«

»Herr von Lafare, versetzte der Chevalier, »Ihr Muth ist so sehr erprobt, daß die Erklärungen, die Sie mir anbieten, ein Beweis Ihres Zartgefühls sind, welches ich mit Dank anerkenne. Diese Auseinandersetzungen würden aber unser Geschäft nur verzögern, und ich glaube, wir haben keine Zeit zu verlieren.«

»Bravo, Bravo!« rief Ravanne, das heiße ich gesprochen, wie es sich geziemt, haben wir uns einander erst den Hals gebrochen, dann, hoffe ich, werden Sie mir Ihre Freundschaft nicht versagen. Viel Gutes habe ich bereits von Ihnen gehört, und lange schon sehne ich mich nach der Ehre. Ihrer Bekanntschaft.«

Die beiden Herren verbeugten sich gegen einander.

»Voran also, Ravanne,« rief nunmehr Lafare, »da Du Dich zu unserm Führer aufgeworfen hast, so zeige uns den Weg.«

Ravanne sprang alsogleich in das Gebüsch, seine fünf Gefährten folgten; die Pferde und der Wagen blieben, wo sie sich befanden.

Nach einem Marsche von zehn Minuten, während dessen die Gegner das tiefste Schweigen beobachteten, theils um durch ein Gespräch ihre Anwesenheit nicht zu verrathen, theils weil in dem Augenblicke einer nahen Gefahr der Mensch sich immer in sich selbst zurückzieht, erreichten sie einen von Bäumen dicht umkränzten freien Platz.

»Nun; Ihr Herren,« fragte Ravanne zufrieden um sich blickend, was sagen Sie von dieser Stelle?«

»Ich meine,« versetzte der Capitain, »daß, wenn Sie sich rühmen, sie entdeckt zu haben, Sie nur schlecht einen kleinen Columbus spielen. Sie hätten mir nur zu sagen gebraucht, daß Sie hierher wollten, und ich hätte Sie mit geschlossenen Augen hierhergeführt.«

»Wolan, mein Herr,« erwiderte Ravanne, »so werden wir Sorge tragen, daß man Sie von hier so fortschaffe, wie Sie nach Ihrer Behauptung hergekommen seyn würden.«

»Sie wissen es, daß Sie es sind, Herr von Lafare, mit dem ich es zu thun habe,« rief Harmental, indem er seinen Hut auf die Erde warf

»Ganz recht, mein Herr,« entgegnete der Gardecapitain, indem er dem Beispiele seines Gegners folgte, »ich weiß aber auch, daß mir nichts mehr Ehre, aber auch zugleich mehr Schmerz verursachen könnte, als ein Zweikampf mit Ihnen und zwar um einer solchen Ursache willen.«

Harmental lächelte wie ein Mann, der diese höfliche Rede anzuerkennen wußte, aber er erwiderte nur, indem er den Degen zur Hand nahm.

»Ich glaube, Herr Baron,« sprach Fargy zu Valef gewandt, »daß Sie im Begriff stehen, nach Spanien abzureisen?«

»Ich wollte schon diese Nacht aufbrechen, mein lieber Graf,« erwiderte Valef, »nur das Vergnügen, diesen Morgen hier mit Ihnen zusammen zu treffen, konnte mich zurückhalten, so wichtige Geschäfte rufen mich dorthin.«

»Das macht mich untröstlich!« entgegnete Fargy, indem er seinen Degen entblößte, »denn, wenn es mir gelingen sollte, diese Ihre Reise noch länger zu verzögern, so würden Sie ohne Zweifel mein Todfeind werden.«

»Ganz gewiß nicht, mein lieber Graf,« lächelte Valef, »ich würde glauben, es geschähe aus lauter Freundschaft. Thun. Sie also Ihr Möglichstes, ich bin zu Ihren Diensten.

»Nun, mein Herr, nun,« rief Ravanne dem Capitain zu, welcher sorgfältig seinen Rock zusammenfaltete und ihn neben seinen Hut legte, »Sie sehen, daß ich auf Sie warte.«

»Werden wir nicht ungeduldig, lieber junger Mann,« antwortete der alte Soldat, indem er mit seinen Vorbereitungen fortfuhr. Eine der vorzüglichsten Eigenschaften bei dem Waffenhandwerk ist die Kaltblütigkeit. In Ihrem Alter machte ich es grade wie Sie; nach dem dritten oder vierten Degenstoße aber, den ich empfing, sah ich ein, daß ich auf einem falschen Wege war.«

Bei diesen letzten Worten zog er seinen Degen, der, wie wir bereits berichtet haben, von bedeutender Länge war.

»Alle tausend Teufel,« lachte Ravanne,. »was haben Sie da für eine Waffe! die erinnert mich wahrlich an den Bratspieß in der Küche meiner Mutter, und es thut mir jetzt leid, daß ich mir denselben nicht von unserm Haushofmeister erbat, um mich Ihnen würdig entgegenstellen zu können.«

»Ihre Frau Mutter ist eine sehr würdige Dame und ihre Küche eine sehr gute Küche, ich hörte von Beiden mit großem Lobe sprechen, mein Herr Chevalier, entgegnete der Capitain, in einem fast väterlichen Tone; »ich würde daher untröstlich seyn, Sie der einen und der anderen zu rauben, wegen einer armseligen Geschichte, wie diejenige, um derentwillen wir jetzt die Degen mit einander kreuzen sollen. Bilden Sie sich also ein, daß Sie nur eine Stunde bei Ihrem Fechtmeister nähmen und fallen Sie aus.»

Diese Aufforderung war durchaus unnöthig; die Ruhe und Kaltblütigkeit seines Gegners machte Ravanne’s jugendliches Blut kochen, und er griff den Capitain mit der größten Heftigkeit und Unbesonnenheit an. Der Letztere trat einen Schritt zurück.

»Ha, Ha, Sie weichen schon, mein großgewachsener Herr! rief Ravanne.

»Weichen ist nicht Fliehen, mein kleiner Ritter,« versetzte der Capitain, »es ist ein Theil der Fechtkunst, den ich Sie auffordere nachzuahmen. Ueberdem macht es mir Spaß, Ihr Spiel zu studieren. Sie sind, wie es mir scheint, ein Zögling Berthelots. Ein trefflicher Meister, nur das Pariren lehrt er schlecht. Sehen Sie,« fügte er hinzu, indem er eine Secunde seines jungen Gegners zurückschlug, »wenn ich jetzt gewollt hätte, so hätte ich Sie wie eine Lerche gespießt.«

Ravanne war in die höchste Wuth getrieben, denn in der That hatte er die Degenspitze seines Gegners auf der Brust gefühlt, aber so leicht nur, daß er es für die Berührung einer Blume halten konnte. Die Ueberzeugung, daß er dem Capitain sein Leben verdanke, regte seinen Zorn immer und mehr an, und seine Ausfälle wurden noch heftiger als zuvor.

»Ruhig, ruhig, junger Mann,« warnte der alte Soldat, »Sie verlieren ganz und gar den Kopf, Sie stoßen nach dem Gesicht, Sie werden mich zwingen Sie zu entwaffnen. Doch schon wieder! Nun, wenn Sie es durchaus nicht anders wollen, da, suchen Sie Ihren Degen wieder auf. Mit diesen Worten schlug der Capitain seinem jungen Gegner die Waffe aus der Hand, daß sie zwanzig Schritte weit wegflog.

Dies schien Ravanne abgekühlt zu haben. Er hob den Degen zögernd wieder auf und kehrte langsam zu dem Capitain zurück, der die Spitze einer Waffe zu Boden gesenkt hatte. Der junge Mann war bleich wie eine Leiche, auf seiner weißen Weste zeigten sich einzelne Tropfen Blut.

»Sie hatten Recht mein Herr, ich bin nur noch ein Kind,« sprach er, »mein Zusammentreffen mit Ihnen aber, wird hoffentlich dazu beitragen, mich zum Manne zu machen. Noch ein Paar Gänge, wenn es Ihnen beliebt, damit es nicht heiße: daß die ganze Ehre auf Ihrer Seite say.« – So sprechend nahm er eine Stellung wieder ein.

Der Capitain hatte Recht. Es fehlte dem jungen Chevalier nur an Ruhe, um ihn zu einem furchtbaren Gegner zu machen. Jener gewahrte bald, daß er zu seiner Vertheidigung auf einer Huth sein müsse; er besaß aber in der Fechtkunst eine allzu große Geschicklichkeit, als daß Ravanne einen Vortheil hätte über ihn gewinnen können.

Der Kampf endete also, wie zu erwarten fand. Der Capitain schlug seinem jungen Gegner die Waffe noch einmal aus der Hand, diesmal aber hob er sie selbst wieder auf und überreichte sie dem Letzteren mit einer Höflichkeit, deren man ihn kaum für fähig gehalten hätte.

»Mein Herr Chevalier,« sprach er dabei, »Sie sind ein tapferer junger Mann; glauben Sie es aber einem alten Besucher der Fechtschulen, der die Kriege in Flandern mitgemacht hat, bevor Sie das Licht der Welt erblickten; der, als Sie noch in der Wiege lagen, in Italien focht; und in Spanien kämpfte, als Sie noch Page waren, nehmen Sie einen andern Lehrer an, verabschieden sie den Berthelot, der Ihnen nur das gezeigt hat, was er selbst weiß, wenden Sie sich an Bois Robert, und der Teufel soll mich holen, wenn Sie nach sechs Monaten nicht den Degen führen, wie ich selbst.«

»Ich danke für die Lehre,a entgegnete Ravanne, indem er dem Capitain die Hand reichte, wobei einige Thränen, die er nicht zurückhalten konnte, über seine Wange hinabrollten, sie soll mir gute Dienste leisten. – Bei diesen Worten senkte er, wie der Capitain bereits gethan, seinen Degen wieder in die Scheide.

Beide richteten darauf ihre Blicke auf ihre Kampfgenossen, um zu sehen, wie bei diesen die Sachen standen. Das Duell war beendigt. Lafare saß auf dem Rasen, den Rücken gegen einen Baum gelehnt, er hatte einen Stoß empfangen, der ihm die Brust durchbort hätte, zum Glück aber an einer Rippe abglitt, so daß die Wunde gefährlicher schien, als sie es wirklich war. Dennoch aber war er in Ohnmacht gesunken. Harmental kniete vor ihm und suchte das Blut mit einem Tuche zu stillen.

Fargy und Valef waren. Beide leicht verwundet, der eine im Schenkel, der andere im Arm; sie entschuldigten sich gegen einander und gelobten sich für die Zukunft innige Freundschaft.

»Da schauen Sie hin, junger Mann, sprach der Capitain zu Ravanne, indem er auf den Kampfplatz deutete, »da fließt das Blut von drei wackern Männern, und das vermuthlich um einer leichtsinnigen Frau Willen,

»Mein Seel,« entgegnete der junge Mann. »Ich glaube. Sie haben Recht Capitain, vielleicht sind Sie von uns allen der Einzige, welcher gesunden Menschenverstand besitzt.«

In diesem Augenblick schlug Lafare die Augen auf und erkannte Harmental in demjenigen, der ihm Pflege spendete. »Chevalier,« sprach er, »wollen Sie in eine Gefälligkeit erzeigen, so lassen Sie das Stück von Wundarzt rufen, das sich im Wagen befindet und das ich für jeden Fall mitbrachte; dann eilen Sie, so schnell. Sie können nach Paris, zeigen Sie sich diesen Abend auf dem Ball im Opernhause und wenn man Sie nach mir befragt, so sprechen Sie, Sie hätten mich in acht Tagen nicht gesehen. Was mich betrifft, so können Sie vollkommen ruhig sein, Ihr Name soll nicht über meine Lippen kommen. Sollte Ihnen übrigens rücksichtlich unserer Angelegenheit etwas Unangenehmes begegnen, so geben Sie mir schnell davon Nachricht, und ich werde alsdann alles schon so einrichten, daß die Sache keine Folgen hat.«

»Vielen Dank, Herr Marquis !« entgegnete Harmental, »ich verlasse. Sie nur, um Sie besseren Händen zu übergeben, als die meinen sind, sonst, glauben Sie es mir, würde nichts in der Welt mich vermocht haben, eher von Ihrer Seite zu weichen, als bis ich Sie auf Ihrem Lager ruhen wüßte.«

»Die glücklichste Reise, lieber Valef, rief Fargy »denn ich hoffe, die kleine Schmarre wird Sie nicht verhindern, sich nach Spanien auf den Weg zu machen. Nach der Rückkehr vergessen Sie nicht, daß Ihnen auf dem Platz Louis le Grand No. 14 ein Freund wohnt.«

»Und Sie, lieber Fargy, haben Sie vielleicht Aufträge für Madrid, so bitte ich darum, Sie können sie nicht zuverlässigeren und bereitwilligeren Händen anvertrauen.«

»Adieu, junger Mann, leben Sie wohl,« sprach der Capitain zu Ravanne. Vergessen Sie meinen Rath nicht, schaffen Sie den Berthelot ab, nehmen Sie den Bois Robert, vor allen aber kaltes Blut, dann werden Sie einmal einer der besten Fechter Frankreichs werden. Mein langer Degen läßt sich dem Bratspieße Ihrer Frau Mutter ganz gehorsamst empfehlen.«

Ravanne wußte, trotz seiner Geistesgegenwart, dem Capitain nichts zu entgegnen, er erwiderte dessen Abschiedsgruß und trat zu Lafare, der ihm von einen beiden Gefährten am meisten verwundet schien.

Harmental, Valef und der Capitain schritten zu dem Eingange des Gehölzes zurück, wo sie den Wagen und in demselben den Wundarzt fanden, der ganz gemüthlich ein Schläfchen machte. Harmental benachrichtigte ihn, daß der Marquis von Lafare und der Graf von Fargy, zu denen er ihm den Weg zeigte, seines Beistandes bedürften. Er gebot über dem noch seinen Diener, dem Wundarzte zu folgen, um diesem nöthigenfalls zur Hand zu gehen. Dann wandte er sich zu dem Manne mit den orangefarbenen Epauletts: »Capitain, sprach er, »ich glaube nicht, daß es gerathen wäre, das Frühstück zu verzehren, das wir beordert haben, empfangen Sie also meinen Dank für den Ritterdienst, den Sie mir geleistet, und haben Sie die Gefälligkeit, zur Erinnerung an mich, eines meiner beiden Pferde anzunehmen, wählen Sie das Beste, es sind beides treffliche Thiere, die Sie nicht im Stiche lassen werden, wenn Sie einst acht bis zehn Lieues in einer Stunde zurücklegen wollen.«

»Mein Seel, Chevalier, entgegnete der Capitain, indem er einen Seitenblick auf die schönen Pferde warf,« dessen bedurfte es nicht; unter Cavaliren sind Blut und Geldbeutel Dinge, die man sich einander mit Freuden borgt; Sie aber machen mir das Anerbieten mit so unwiderstehlicher Anmuth, daß ich dasselbe nicht zurückzuweisen vermag. Bedürfen Sie je meiner wieder, so vergessen Sie nicht, daß ich ganz und gar zu Ihren Diensten bin.«

»Und in einem solchen Falle, wo würde ich Sie aufzusuchen haben?« fragte lächelnd Harmental.

»Ich habe grade keine feste Wohnung, Chevalier; wenn Sie mich aber zu sprechen wünschen, so fragen Sie bei der Fillon nur nach dem Capitain Roquefinette.«

Und während die beiden jungen Cavaliere sich auf ihre Rosse schwangen, bestieg der Capitain das dritte, nicht ohne dabei zu bemerken, daß der Chevalier ihm von seinen Pferden das schönste zurückgelassen hatte. Sie befanden sich grade an einem Kreuzwege und jeder von ihnen sprengte nach verschiedener Richtung hin.

Der Baron Valef kehrte durch die Barriere von Paffy nach Paris zurück, begab sich sofort in das Arsenal, empfing dort die Befehle der Herzogin von Maine, zu deren Haushalte er gehörte, und reiste noch denselben Tag nach Spanien ab.

Der Capitain Roquefinette ritt im Schritt, Trab und Galopp im Bois de Boulogne umher, um sein neues Pferd zu prüfen, und als er sich überzeugt hatte, daß es wie Harmental versicherte, wirklich ein treffliches Thier say, lenkte er dasselbe zu der Restauration des Herrn Durand zurück, wo er ganz allein das Frühstück verzehrte, das für drei Personen bestellt war. – Noch an demselben Tage führte er sein Pferd auf den Roßmarkt, wo er es für sechzig Louisd’or verkaufte; es war nur die Hälfte seines Werthes, aber – man muß Opfer bringen, wenn man etwas prompt realisieren will.

Was den Chevalier von Harmental betrifft, so kehrte er durch die elyseeischen Felder nach Paris zurück, wo er in seiner Wohnung, Straße Richelieu, zwei unterdessen angelangte Briefe vorfand. Einer derselben war von einer ihm nur zu gut bekannten Handschrift so daß er an allen Gliedern zitterte. Er berührte das Schreiben nur zögernd, so als ob er eine glühende Kohle erfassen wolle; endlich faßte er Muth, brach bebend das Siegel und las wie folgt:

»Mein lieber Chevalier!

»Sie wissen, man ist nicht der Gebieter seines Herzens. Es ist eine Schwäche unserer Natur, dieselbe Person und dieselbe Sache nicht lange Zeit lieben zu können. Was mich betrifft, so will ich vor anderen Frauen das Verdienst voraus haben, daß ich meinen Geliebten nicht betrüge. Kommen Sie also nicht zu der gewohnten Stunde zu mir, man würde Ihnen sagen, ich sei nicht zu Hause, und ich bin zu redlich, um meinen Kammerdiener oder meine Kammerfrau eine so grobe Lüge aussprechen zu lassen.«

»Adieu also, mein lieber Chevalier, gedenken Sie meiner nicht mit allzugroßem Zorne und machen Sie daß ich nach zehn Jahren noch das von Ihnen sagen kann, was ich jetzt von Ihnen sage, daß ich Sie nämlich für einen der galantesten Cavaliere Frankreichs halte.

Sophie d’Averne.«

»Alle Teufel!« rief Harmental, indem er mit der geballten Faust auf einen zierlichen Tisch schlug, daß er zusammenstürzt, »hätte ich den armen Lafare getödtet, ich hätte in meinem ganzen Leben keine Ruhe wiedergefunden.«

Nach diesem Ausbruche, der den Chevalier etwas erleichterte, schritt derselbe mehrmals im Zimmer auf und ab, mit einem Wesen, welches dartat, daß er noch mehr solcher Enttäuschungen bedürfe, um sich zu der Höhe der philosophischen Moral zu erheben, welche ihm die schöne Treulose gepredigt hatte. Erst nach einiger Zeit gewahrte er auf dem Fußboden den zweiten Brief liegend, den er völlig vergessen hatte. Er schritt noch zwei- bis dreimal an demselben vorüber, ohne ihn mehr als eines gleichgültigen Blickes würdig zu achten. Endlich hob er ihn verächtlich auf, öffnete ihn langsam, betrachtete die Handschrift, welche ihm völlig unbekannt war, suchte nach der Unterschrift, die aber fehlte, und durch diesen Anflug vom Geheimnißvollen neugierig gemacht, las er folgende Zeilen:

»Chevalier!

»Wenn Sie in Ihrer Phantasie halb so viel Romantik, und in ihrem Herzen nur halb so viel Muth besitzen, wie Ihre Freunde behaupten, so ist man bereit, Ihnen ein Unternehmen anzuvertrauen, das Ihrer würdig ist und durch dessen Resultat Sie sich an einem Mann rächen können, den Sie in dieser Welt am meisten hassen, indem es Sie zugleich zu einem so glänzenden Ziele führen wird, wie Sie dasselbe in Ihren schönsten Träumen niemals gehofft. Der gute Genius, der Sie leiten soll, und dem Sie gänzlich vertrauen müssen, wird Sie in dieser Nacht zwischen zwölf und zwei Uhr auf dem Balle im Opernhause erwarten. Erscheinen Sie dort ohne Maske, wird er sich Ihnen nähern, kommen Sie aber maskiert, so werden Sie ihn an einem violetten Bande erkennen, das er auf der linken Schulter tragen wird. Die Parole ist »Sesans, öffne Dich!« Sprechen Sie sie kühn aus und es wird sich Ihnen eine Höhle erschließen, weit wunderbarer als die AliBaba’s.«

»Meinethalben denn,« rief Harmental, »wenn der Genius mit dem veilchenblauen Bande nur halb so viel hält, als er verspricht, so hat er in mir seinen Mann gefunden.«

Ritter von Harmental

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