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Alexander Fröis
Оглавление„Jung, zurückhaltend, völlig unbekannt, viele Pickel im Gesicht. Und immer den Papa dabei. So hab ich den Marcel 2005 kennengelernt“, erinnert sich Alexander Fröis lachend ans Kennenlernen. Der Vorarlberger ist Marcels erster Physiotherapeut. Er begleitet ihn quasi – mit einigen kurzen Unterbrechungen – durch seine gesamte Karriere. Bei Fröisi liegen in dieser Zeit die Stars wie Mario Matt oder Reini Herbst auf der Massagebank. „Und dann kommt da so ein Jungspund, so ein Schnösel daher, was will denn der gegen die ganzen Monstergeräte?“ Spätestens nach den ersten gemeinsamen Trainingskursen und Monaten ist aber wirklich allen klar, dass genau dieser „Jungspund und Schnösel“ ein noch größeres Monstergerät als alle anderen werden könnte.
Fröisi kennt Marcel also, seit dieser noch ein absoluter Nobody war. „Dadurch bestand auch nie die Gefahr, dass ich ein ‚Fan‘ von ihm sein könnte. Ich wusste von Anfang an, wie ich ihn hernehmen musste, beruflich und privat. Ich konnte es mir auch erlauben, ihm ordentlich meine Meinung zu sagen. Dass er sich mit einer Flasche Wein entschuldigen soll, wenn er mal bei der teaminternen Kritik über die Stränge schlug. Oder dass er nicht so viel jammern soll zum Beispiel. Ich konnte mit ihm so reden, wie man halt mit einem guten Freund redet.“
mit seinem Langzeit-Physio Alexander Fröis
Die Arbeit mit Marcel ist intensiv, auch zeitintensiv. „Auf die Uhr brauchst du da nicht schauen. Das sind keine Acht-Stunden-Tage. Das ist ein Rund-um-die-Uhr-Job.“ Fröisi ist auch beim Aufwärmen im Startbereich und dann im Starthaus an Marcels Seite. „Früher hat sich das Aufwärmen der Skifahrer auf ein paarmal Beineschwingen beschränkt. Mit Marcel haben wir den gesamten Skisport revolutioniert, viel athletischer gemacht. Therabänder, Liegestütze, Rumpfübungen. Das alles hatte es bis dahin im Startbereich nicht gegeben. Zuerst wurden wir belächelt, dann haben’s alle anderen auch gemacht.“ Fröisi ist es auch, der kurz vor dem Start die letzten Funksprüche der Trainer an Marcel weitergibt. „Viele Trainer geben den gesamten Funkverkehr von zehn Positionen an ihre Athleten weiter. Damit sie danach sagen können: ‚Ich hab’s dir ja eh gesagt.‘ Aber in Wahrheit musst du für den Athleten aus dieser Flut an Infos jene herausfiltern, die für ihn und seinen Fahrstil am relevantesten sind.“ Da ist es natürlich ein entscheidender Vorteil, wenn man sich jahrelang kennt.
Fröisi sagt, dass Marcel im Training und Rennen fast die physikalischen Gesetze verschiebt. Durch seine Größe hat er Hebel und kann Schräglagen fahren, die für die anderen quasi unvorstellbar sind. Was ihn aber von allen anderen ganz besonders abhebt, ist seine mentale Stärke. „Ich bin wirklich keiner, der als Bewunderer von Marcel gelten will. Aber die Stärke in seinem Schädel ist unvorstellbar. Milchsäure, Laktat, schießt ihm während des Rennens ein. Aber er hört nicht auf, er hört einfach nicht auf, würde noch zehn Tore mehr Vollgas fahren. Aus einem Grund: Er hasst es, zu verlieren. Nur wenn er weiß, dass er mit hundertprozentiger Disziplin alles gegeben hat, dann fällt der Kerl am Abend zufrieden ins Bett. Er überlässt nichts dem Zufall.“
2010 eröffnet Fröis seine eigene Praxis in Bludenz und will mit seiner Arbeit im Team Hirscher Schluss machen. „Aber nach vier Monaten hat mich Marcel angerufen und gefragt, ob ich nicht doch ab und zu Zeit hätte. Und genauso war’s 2017, als ich Papa wurde und ebenfalls aufhören wollte. Irgendwie sind wir nicht voneinander losgekommen.“
Dass Marcel dann 2019 die Nase voll hat, kann Fröisi äußerst gut verstehen. „Wenn du so gut wie Marcel bist, dann wird’s nicht schöner, sondern nur zäher. Du hast nicht eine Dopingprobe pro Monat, sondern 20. Weil sie irgendwas finden wollen. Und du hast nicht ein Interview, sondern 15. Je mehr Erfolg du hast, umso vollgefüllter ist dein Tag.“ Das ist auch bei den Rennen stets so gewesen. „Bis Marcel nach all diesen Terminen wie Pressekonferenz und Startnummernauslosung bei mir auf der Bank gelegen ist, war’s oft schon 19.30 Uhr. Und da hatte er immer noch die stinkigen Skisocken an! Und am nächsten Tag war wieder Rennen. So etwas würde es in anderen Sportarten niemals geben, zum Beispiel in der Formel 1. Manchmal frag ich mich schon, was der Skisport mit seinen Stars so anstellt …“