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Christian „Höfi“ Höflehner Atomic
ОглавлениеEine Sesselliftfahrt in Naeba/Japan im Jahr 2005. ÖSV-Trainer Christian Höflehner schaut hinunter auf die Piste. Dort vergnügen sich die blutjungen Marcel Hirscher und Max Franz mit Saltos und anderen zirkusreifen Einlagen im Schnee. „Na, bumm, nicht schlecht die Burschen!“, denkt sich Höflehner. Es ist seine erste Dienstreise mit Marcel, der so wie Max beim „Japan Race Cup“ als Vorläufer im Einsatz ist. In den Jahren 2007 und 2008 wird die Zusammenarbeit intensiver. Marcel drängt in den technischen Disziplinen unaufhaltsam Richtung Weltspitze. Immer an seiner Seite ist Papa Ferdinand. „Die Integration der beiden in die ÖSV-Weltcup-Gruppen hat von Anfang an super funktioniert.“ Die akribische Arbeit am Material – man könnte im Fall der beiden Hirschers auch von Besessenheit sprechen – ist von Anfang an augenscheinlich. Höflehner, zu diesem Zeitpunkt Cheftrainer des Slalom-Teams: „Vom ersten Tag an wurden Dinge direkt am Hang verändert und mehrere Optionen gezogen, die nicht dem Standard entsprachen. Marcel und Ferdl dachten immer schon out of the box, wie man im Englischen so schön sagt.“ Von manchen gibt’s dafür Kopfschütteln und Unverständnis, daraus wird aber spätestens ein paar Jahre später Bewunderung.
mit Michaela Schiffrin und Christian Höflehner
Von April 2011 bis 2014 macht „Höfi“, einst als Konditionstrainer von Österreichs Tennis-Star Thomas Muster bereits höchst erfolgreich, eine Pause vom Ski-Zirkus. 2014 lockt dann Atomic mit einem Angebot, das er nicht ablehnen kann. Die „Roten“ mit Sitz in Altenmarkt machen ihn zum „Global Race Manager“, also zum Rennchef. Damit ist Höflehner als Verantwortlicher für sein Material wieder zurück im engsten Umfeld von Marcel Hirscher, der seit 2008 auf Atomic fährt und mittlerweile ein Superstar, Weltmeister und dreifacher Gesamt-Weltcup-Sieger ist.
Aber eigentlich ist alles beim Alten. Marcel und Ferdl tüfteln weiter mit Akribie und suchen mit Hingabe jede eventuelle Hundertstelsekunde. „Ich glaube, dieser Drang, die Möglichkeiten des Materials auszutüfteln und auszureizen, wurde sogar von Jahr zu Jahr ärger, meint Höflehner. Zum Glück, denn Höflehner ist sich sicher, dass das ein Hauptgrund war, dass Marcel nicht noch früher zurücktrat. „Sonst hätte er ja spätestens nach Olympia 2018 sagen müssen: Was wollt’s noch von mir? Auf Wiedersehen.“
Atomic unterstützt seinen Superstar mit voller Mannschaft, produziert allein für Marcel pro Saison 200 bis 300 Paar Ski und sorgt dafür, dass das Zusammenspiel der vier wichtigsten Parameter – Ski, Schuh, Bindung und Bindungsplatte – harmoniert. Als Serviceleute legen in den goldenen Jahren Edi Unterberger, einst für Hermann Maier im Skikeller, Johann Strobl, Ex-Weltcup-Läufer Thomas Graggaber und am Ende auch Lukas Rottinger ihre Goldhändchen an. Andreas Dudek ist der technische Koordinator, Hans Schaidreiter der Entwicklungskoordinator – eine ganze Armada an purem Knowhow.
Gab’s eigentlich jemals die Gefahr, dass Marcel Atomic verlässt und zur Konkurrenz abwandert? „Nein“, meint Christian Höflehner, „eigentlich nicht. Marcel hat immer geschätzt, was er an uns hat. Und nicht zuletzt, dass seine Trainingspiste auf der Reiteralm nur zehn Autominuten vom Firmensitz entfernt ist. Für eine andere Skifirma wäre das auch ein großes Risiko gewesen. Da gewinnt der Hirscher jedes Jahr den Gesamt-Weltcup und dann vielleicht auf den neuen Ski nicht mehr!? Die wären dann schön blöd dagestanden.“
Jemand, der Marcel vom Nobody in Japan bis hin zum ultimativen Ski-Helden begleitet, kennt natürlich auch den Menschen Marcel Hirscher wie kaum ein anderer. Höflehner: „Ganz ehrlich, als Mensch ist Marcel für mich noch heute ein Fragezeichen.“ Warum? „Weil es eigentlich unmöglich ist, dass ein derart sensibler, verletzlicher, mitfühlender, bescheidener Mensch so gnadenlos ehrgeizig und zielstrebig sein kann, wenn es um seinen Job geht. Diese zwei Facetten seines Charakters sind sich doch ab und zu in die Quere gekommen.“ Und das bekommt auch die Atomic-Truppe das eine oder andere Mal zu spüren. „Marcel war ganz sicher nicht immer der brave Schulbub. Wenn’s sein musste, hat er auch ordentlich auf den Tisch gehauen.“ Auch nach Siegen klingelt regelmäßig das Handy. „Bravo, Jungs, aber da gibt’s noch einiges zu verbessern.“ Die Reaktionszeit von Atomic war beeindruckend. Die Abläufe wurden derart perfektioniert, dass Marcel spätestens 24 Stunden später die gewünschte Adaption zum Testen an und unter den Füßen hat. Das Fazit: „Die Arbeit mit Marcel war sehr, sehr fordernd. Aber jeder Tropfen Schweiß und jede durchgemachte Nacht waren es wert.“
Wie dankbar Marcel für seine Partnerschaft mit Atomic ist, zeigt sich am 10. Oktober 2019, also etwas mehr als einen Monat nach seinem Rücktritt. Um sich nochmal auf einer großen Bühne zu bedanken, schaut Marcel beim Atomic-Media-Day in Altenmarkt als Überraschungsgast vorbei und sagt: „Hier bei Atomic wird Rennsport wirklich gelebt. Atomic hat alles dafür gemacht, dass ich möglichst schnell Ski fahren konnte. Das Material hat mir oft die entscheidenden ein, zwei Zehntel geschenkt, manchmal sogar eine halbe oder sogar eine ganze Sekunde! Das war ein wichtiger Teil meines Erfolgsgeheimnisses.“