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Ein Pilger, ein echter Pilger Von Arcachon nach Mimizan

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Von der Hauswand vor unserem Hotelfenster hat die Neonreklame die ganze Nacht extrem hell ins Zimmer geleuchtet. So erledigt, wie wir gestern waren, hätten wir selbst im Solarium auf der Sonnenbank schlafen können. Man möchte zwar annehmen, das Entkleidungsritual würde in diesem Alter bereits routinemäßig vonstattengehen, aber am Abend wurden wir einfach mitten in der Bewegung vom Schlaf übermannt. Mein Herr Dumpfbacke öffnet am Morgen die Augen und hat das linke Hosenbein seiner kurzen Cargohose immer noch an.

Dafür fühlen wir uns hundertprozentig ausgeschlafen und voller Energie. Er will aufs Rad, ich spüre es genau, am liebsten würde er sofort losfahren.

Uns nachzusagen, wir würden morgens gern ausgiebig frühstücken, wäre maßlos übertrieben. Doch wir haben in der Pension von Natalie übernachtet und hier gehört ein petit-déjeuner obligatorisch zum Zimmerpreis.

Die charmante Hausherrin platziert uns zu einem nicht unsympathischen älteren Briten an den Tisch. Dort quetschen wir uns auf den engen Platz an der Wand. Der etwas gequälte Gesichtsausdruck meines Herrn hat dabei wirklich gar nichts mit dem zugegeben etwas kauzigen Gesellen zu tun. Es lässt sich plötzlich am linken Oberschenkel ein leichtes, unangenehmes Ziehen verspüren. Muskelkater ist das keiner, der fühlt sich anders an.

Unser Gegenüber lächelt freundlich und grüßt nickend mit einem geschmeidigen »Good morning, Sir«.

So, wie es uns unsere Erziehung gebietet, antworten wir höflich in seiner Sprache und erfahren, dass Keith aus der Grafschaft Essex stammt, nordöstlich von London. Sein distinguiertes Verhalten und seine Kleidung hätten auch schwerlich eine andere Herkunft vermuten lassen. Keith ist wie wir mit dem Fahrrad unterwegs. Nur fährt er die Strecke in der entgegengesetzten, also falschen Richtung, von der Westküste Spaniens kommend nach Bordeaux. Demnach ist er auch kein Pilger. In den letzten Tagen hatte er beinahe ausnahmslos starken Regen und gewaltigen Wind zu ertragen.

»Not funny, not at all«, erzählt er mit auffälliger, vornehm gespreizter Fingerhaltung, während er seine Teetasse zum Mund führt. Mein Herr Pilger solle sich auf einiges gefasst machen, meint er. Die aktuellen Wetterprognosen seien katastrophal und nahezu winterlich, besonders für die Pyrenäenregion.


Der exklusiv renovierte Radweg am Atlantischen Ozean entlang und durch La Forêt, die Route Biciclette.

Derartige Nachrichten könnten einem den Spaß verderben, hätten nicht Wettervorhersagen eine ähnliche Halbwertzeit wie Treueschwüre von Vereinspräsidenten an ihre erfolglosen Fußball-Trainer. Würde, hätte, könnte! Da ist er wieder, der Herr Konjunktiv.

Punkt neun Uhr sitzt der Herr wieder im Sattel. Die Position, auf die er sich schon beim Aufwachen gefreut hatte.

Die Zeichen stehen also auf »fröhlich und heiter«. Weshalb sollte der Englishman denn Recht behalten mit seiner Prognose? Meteorologen irren andauernd und Keith ist ganz bestimmt kein Seher. Entschuldigung, es ist immerhin Sommeranfang!

In den letzten Jahren haben die Franzosen mehr als 2000 Kilometer Fahrradwege durchs ganze Land anlegen lassen. So ärgert uns der Straßenverkehr nur selten und solange das Wetter mitspielt, fährt es sich hier entlang des Atlantiks ausnehmend vergnüglich.

Gleich geht es hoch zur Dune du Pilat, der mit mehr als 110 Metern höchsten Wanderdüne Europas. Teils durch empfindlich kühle Waldstücke, dann wieder in der wohligen Wärme der Sonne fahren wir durch La Forêt. Langsam wird das Treten mühsam. Selbst einfache Gangwechsel machen Schwierigkeiten. Unter Belastung in der Steigung ist es nur mit Glück möglich, einen der kleineren Gänge einzulegen. In der Folge bekommt unser Tourenanfänger richtig Probleme, die Pedale zu bewegen. Die Oberschenkel packen diese langgezogene Steigung nicht. Konzentriertes Treten nur mit den Waden, wie wir es gestern erfunden haben, funktioniert heute nicht.

Ist mein Herr wirklich so eine Pfeife? Reicht es schon? Das ist doch noch keine richtige Steigung. Das ist ja gar nichts, verglichen mit dem, was da noch auf uns wartet und die Bezeichnung Berg dann wirklich verdient! Jetzt wird es richtig steil. Das letzte Stück zur Düne hinauf, für uns schlicht zu steil. Verzeihung, für den Herrn.

Zum ersten Mal auf dieser Tour steigt er ab und schiebt sein Gefährt. Eine Entscheidung, die eindeutig zu spät gefällt wurde. Mittlerweile haben die Beine nicht mal mehr Lust zu gehen. Mit all dem Gepäck ist nämlich bergauf schieben nicht weniger anstrengend! Nein, bitte nicht heute schon wieder übertreiben, ich hatte den Einspruch des Körpers doch bereits übersetzt! Wir sollen oben an der Düne einige Tage Badeurlaub machen. – Na gut, dann vielleicht zumindest ein Stück den Bus nehmen?


Äußerst angenehm hier durch die Pinienwälder, langsam passen sich die Temperaturen auch unseren Vorstellungen an.

»Allez, les allemands, los, Deutschmann, schlappmachen ist nicht!«, treibt er sich selbst lautstark an. Zeitweise spricht er jetzt schon Französisch mit uns! Mit einem Fußmarsch hatte ich frühestens in den Pyrenäen gerechnet. Mann, ist das peinlich.

La Dune du Pilat, endlich. Vor vielen Jahren waren wir schon einmal mit unserer kleinen Familie hier und haben einige schöne Wochen auf dem hübschen Campingplatz im Pinienwäldchen verbracht, direkt unterhalb des Sandbergs. Man hat eine unglaubliche Aussicht von dort oben.

Ganz typisch: Gerade noch hängt er vollkommen kraftlos im Anstieg, muss vom Rad und kann kaum mehr schieben, und jetzt bildet er sich schon wieder ein, hier einfach hinaufzusteigen wie eine Bergziege.

Ein über hundert Meter hoher Sandberg. »Des ziagt se«, wie der Bayer sagt.

Natürlich hatte ich Recht. Nur wenige Minuten, dann läuft der Herr schon wieder auf Reserve. Mit gespielter Eleganz stemmt der angehende Pilger die Arme in die Hüften, atmet unauffällig ganz tief durch und blickt in die zugegeben atemberaubende Landschaft.

»Schlauerweise« haben wir – also der Herr – die Wasserflaschen am Rad gelassen, was bedeutet, dass der rasant aufkommende Durst nicht zu bekämpfen ist. Salziger Wind, gemischt mit Sand, trocknet jede Kehle. Hier oben pfeift er gewaltig.

Endlich am Gipfel, es wird bereits dunkel – natürlich nicht, es ist ja erst Mittag, aber so ist das mit den gefühlten Ewigkeiten. Endlich oben angelangt, verläuft die Düne rückseitig bergab einige hundert Meter zum Wasser hinunter, nicht mehr ganz so steil.

Dafür stapft man im tiefen, weichen Sand, gräbt sich bei jedem Schritt bis zu den Waden ein, was nicht weniger Kraft kostet. Zudem: Wir müssen irgendwann auch wieder zurück.

Mit diesem wichtigen Gedanken bringe ich den Herrn zu einer Entscheidung in unserem Sinne, gegen die völlige Entkräftung und für einen sofortigen Rückzug. Selbstverständlich darf man vorher nochmal die grandiose Aussicht über die gesamte Düne genießen.

Einigermaßen platt, aber noch lebendig, erreichen wir das Basislager. Die mittägliche Sonne brennt gnadenlos herunter. T-Shirt und Hemd kleben klatschnass am Körper.

So erfreulich der Schatten hier ist, so erfrischend das Getränk, so göttlich der Kaffee – da ist etwas, das dem Herrn die Ruhe nimmt, irgendwas treibt ihn. Er möchte in den Sattel, er will wieder treten, er muss einfach weiter.

Der Wind nimmt zu. Dummerweise bläst er wieder direkt ins Gesicht. Wind kommt in diesem Gebiet immer von vorn, Einbildung ist das keine. Egal, in welche Richtung wir fahren, auch nach jeder Kurve, immer drückt er dagegen. Rückenwind treibt sich in solchen Gegenden gar nicht rum.

Der Herr will auf dieser Reise nichts groß in Frage stellen, sich nicht ärgern und die Vorkommnisse einfach akzeptieren, egal welche das letztlich sein mögen. Dann ist halt Gegenwind! Mal stärker, mal schwächer. Unser Freund, der Gegenwind. Dem Anschein nach werden doch noch richtige Pilger aus uns.

Was macht einen solchen überhaupt aus? Das werden wir hoffentlich noch herausbekommen. Die Natur in aller Bescheidenheit so anzunehmen, wie sie eben ist, könnte ein guter Anfang sein.

Die ausgebaute Fahrradstrecke im Wald von La Forêt zieht sich herrlich durch die Landschaft. Licht – Schatten – Licht – im reizvollen Wechsel. Es duftet nach frischen Kräutern und Moos, sehr würzig, zuweilen süßlich, dann auch mal feucht modrig, aber nie unangenehm. Eine Weile geht es flach dahin, dann folgt wieder ein kurzer, knackiger Anstieg. Langsam lernt er, wie man bei so einem Fahrrad die Gangschaltung zu seinem Vorteil nutzen kann. In den Waldstücken bieten die Bäume ein wenig Schutz vor Sonne und Wind. Am Ende bin ich mir nicht mehr sicher, was die meiste Kraft fordert, die Steigung oder Freund Gegenwind.

Nach wie vor habe ich keine Ahnung, welche Melodie das gewesen ist, die uns gestern auf unserem Weg begleitet hat. Seit dem Morgen haben wir Gilbert Bécauds Chanson »Nathalie« im Ohr. Wie von selbst bildet die Melodie im Kopf die Hintergrundmusik, passend zum angestrengten Treten der Pedale. Singen wir mit, wird sie lauter.

»La place Rouge était vide … Nathalie!«

Erfahre Pilger berichten davon, das Ziel wäre, einmal wirklich Nichts zu denken, das soll absolut faszinierend sein. Nicht einmal theoretisch kann ich mir das vorstellen. Sich an Nichts erinnern, weil du Nichts gedacht hast? Beeindruckt sein von dem, was gar nicht stattfindet? Zu viel zu denken und dann nichts davon behalten können, das kenne ich!

Frankreich könnten wir bereits nach einer Woche in Richtung Spanien verlassen. Dafür sollten wir aber bis übermorgen die Region Biarritz erreichen. Lässt uns der Pilgerkörper nicht im Stich und bringt weiter Leistung sieht es gut aus.

»Happy Waves« hat der Herr die bergigen Wellen getauft, in denen wir bergab beschleunigen, um bergauf in höheren Gängen wieder die Kuppe zu erreichen. Atemtechnisch könnten wir eigentlich nicht meckern, da haben wir uns schon sehr verbessert. Nichtsdestotrotz saugen einem diese Wellen ganz allmählich das Wenige an Kondition, das man hat, ziemlich intrigant noch aus der letzten Körperfaser. Hier ist weit und breit nichts als Wald, sonst würde ich den Herrn schon irgendwo zur Einkehr überreden.

Bis zum Ort Mimizan soll ich Ruhe geben und dann ist es genug für heute, versichert er mir. Mimizan klingt einladend.

Unser heutiger Titelsong lässt sich eindeutig und blitzschnell identifizieren: Lady, den Song der Commodores aus den frühen Achtzigern. Die Stimme von Lionel Richie ist selbst nur in unseren Gedanken sofort zu erkennen. »Lady, you bring me up when I’m down.« Eine Lady, die uns in Hochstimmung versetzen könnte, gibt es hier zwar keine, dafür gibt Mister Richie sein Bestes.


Unser treuer Gefährte aus Stahl, schon 25 Jahre alt, doch zuverlässig, wenn auch schwer wie eine Dampflok.

Als Pilger sollte man sich nicht zu sehr auf ein vorbestimmtes Tagesziel festlegen. Heute ist man fit für große Strecken und will die Etappe noch nicht beenden, morgen gelangt man bereits nach halber Strecke an seine Kraftreserven.

Unsere Planänderung hat leider nicht viel mit Plan zu tun. Unkonzentriert und gedanklich abwesend ist er auch an diesem Ort vorbeigefahren. Das hatten wir schon. War da eine Kreuzung? Mimizan klingt offenbar doch nicht so sympathisch für ihn. Umdrehen, zurückfahren und die Abzweigung suchen, wäre eine Möglichkeit. Mein Herr hört gerade überhaupt nicht auf mich! Wäre da nur etwas Aussicht auf Erfolg, würde ich mit ihm einen größeren Streit oder eine Grundsatzdiskussion anfangen. Andererseits fühlt sich die körperliche Verfassung nicht so schlecht an. Der Stand der Sonne spricht auch nicht dagegen, wir könnten noch etwas fahren. Dann kommen wir eben im nächsten Dorf unter, wie auch immer das heißen mag. »Lady, you bring me up when I’m down. Lady …«, singen wir im Duett.

Einigermaßen eintönig geht es weiter auf dem Radweg durch die geteerten Piniengassen des Forêt de Mimizan. Mittlerweile liegen geschätzte 10 Kilometer zwischen uns und der Stadt. Seither gab es weder eine Weggabelung noch eine Ansiedlung menschlicher Wesen. Wegweiser sind hier mitten im Wald auch nicht sehr verbreitet. Nix als Bäume und Freund Gegenwind. Der wird, ganz im Gegensatz zu uns, langsam stärker. Das grenzt an Spielverderben, wenn der so vehement gegen unseren Oberkörper drückt.

Die Windböen geben sich alle Mühe, uns fertig zu machen. Am Himmel spielen sie mit den Wolken, was uns an sich nicht weiter tangieren würde. Hier am Boden freilich wächst sich das Ganze langsam zu einem Sturm aus. Keine Menschenseele ist ringsum zu sehen, nur Holz und Nadeln. Pinien, Pinien und zwischen den Pinien einige Pinien. Seit einer Ewigkeit.

Wo sind wir hier eigentlich? Wie groß ist denn dieser Wald und warum nur will mein Herr mir das ungute Gefühl vermitteln, sich verfahren zu haben? Wieder eine Weggabelung verpasst? Das wäre jetzt nichts Neues oder gar unmöglich!

Der erfahrene Pilger orientiert sich öfter mal und möglichst früh, ob er noch den richtigen Weg verfolgt; andere wiederum glauben sehr lange an ihren Orientierungssinn und kommen dann im Gewitter um.

Definitiv sind wir nicht dort, wo er zu sein glaubt. So, wie es sich darstellt, fahren wir seit einigen Kilometern den Touristen- und Familienrundkurs, der in weitem Bogen rund um diesen See bei Mimizan führt. Wir müssen wieder zurück!

Okay, es hilft nichts. Mimizan darf uns also voraussichtlich doch erleben. Mehr als 30 Kilometer durch den Wald, für nichts und noch mal nichts.

Da ist es schon sehr von Vorteil, wenn einer den strengen Vorsatz hat, sich nicht mehr zu ärgern. Gerade ist mein Herr nicht mehr so weit davon entfernt, ein wenig aus der Haut zu fahren.

Schluss! Das täuscht, er ist doch nicht laut geworden. Wer behauptet hier, der Herr hätte aggressive Untertöne in seiner Stimme? Verdammt, er hat gesagt, das täuscht!

Die Wolken am Himmel haben sich bedrohlich über uns zusammengezogen. Nun gelten die Gedanken vornehmlich einer netten Unterkunft.

Schon beim Hereinfahren in den Ort übt der alte Kirchturm im Zentrum eine geheimnisvolle Anziehungskraft auf uns aus. Noch haben wir ja keinen einzigen Stempel in unserem Pilgerpass. Selbigen, man weiß ja nie, trägt der Herr vorsichtshalber immer am Mann. Hier wittert er die Chance, seinen ersten französischen Pilgerstempel zu erbeuten.

Kaum betreten wir die heilige Stätte, kommen sofort einige festlich gekleideten Damen auf uns zu, die sich im Seitenschiff der Kathedrale versammelt haben.

So gut es sein Französisch eben erlaubt, muss der Herr nun erklären, wer er ist, woher er kommt und was unser Ziel ist.

»Un pèlerin!«, schallt es laut durch das Kirchenschiff. Also ein Pilger! Ja, ein Pilger.

»Michelle, Claudine, Françoise – venez ici, un pèlerin, un pèlerin de Saint Jacques

»Sehr wohl, mesdames, ein echter Pilger steht vor Ihnen.«

Die Frauen sind ganz aus dem Häuschen, reden alle durcheinander und fassen uns an. Da ist es gleich vorbei mit unserer Sprachkompetenz.

Man will sehen, ob er auch echt ist, der Herr Pilger, einer wie sie aus Fleisch und Blut. Sie scharen sich um uns, als würde ein Schauspieler aus Hollywood vor ihnen stehen. Als so besonders hätte ich uns jetzt nicht direkt eingestuft. Sorry, es handelt sich hier lediglich um das schlichte Exemplar eines Pilgers und nicht mal das ist derzeit gewiss. Immerhin will er noch einer werden.

Bei den kurzen Hosen und dem zwar sauberen, aber ungebügelten Hemd kann es sich nur um einen Pilger handeln. Wer sonst wagt es sich, in so einem Aufzug zu einer derart schicken Veranstaltung zu erscheinen? Die Damen und Herren des sakralen Orchesters geben sich hocherfreut. Sogleich bekommen wir sogar ein Angebot für eine kostenlose Unterkunft für die Nacht. Wer hätte das ahnen können.

Ohne zuvor den falschen Weg eingeschlagen zu haben, wären wir jetzt sicherlich nicht hier gelandet. Nur den erhofften Pilgerstempel bekommt er an diesem Abend nicht mehr. Dafür dürfen wir an einem Konzert teilhaben, wie wir es so erstmalig erleben.

Gut vier Dutzend Musikerinnen und Musiker verzaubern in einer Philharmonie das in die warmen Strahlen des Sonnenuntergangs gebadete Kirchenschiff. Geigen, Bratschen, Celli und Pauken bringen dem Pilgersmann die Magie klassischer Musik näher. Keine Ahnung, was da genau gespielt wird – allein die Stimmung im Gotteshaus ist einzigartig. Immer wieder drehen sich die fürsorglichen Damen nach uns um, vergewissern sich gestenreich, dass es uns gefällt. Man könnte das Gefühl haben, das alles würde extra für den Pilger aus Allemagne inszeniert.

Der Herr will noch nicht auf sein Zimmer, der Abend ist viel zu schön und wir sind total aufgekratzt. Also schauen wir uns das Örtchen noch ein wenig näher an, in dem wir erst im zweiten Anlauf gelandet sind und das plötzlich so charmant daherkommt.

Einige hundert Meter die Landstraße hinauf stoßen wir erneut auf eine Kirche, eine sehr alte aus dem 13. Jahrhundert. Die Prieuré Sainte Marie beeindruckt bereits von Weitem durch eine faszinierende Anmut in ihrer Schlichtheit. So, wie wir da allein vor ihr stehen, kurz bevor das letzte Tageslicht von der Nacht verschluckt wird, lässt sich eine unerklärlich drückende und doch wundervoll warme Atmosphäre spüren.

Im Schatten des alten Backsteinbaus ist es ohne Straßenbeleuchtung gespenstisch dunkel. Ein wenig Blau ist noch sichtbar, im Schwarz des Nachthimmels. Und dann ist da noch ein Licht, ein ganz schwaches an der Rückseite des Kirchenschiffs.

Auf einem Granitsockel steht eine eineinhalb Meter große, filigrane Jakobsmuschel. So zart beleuchtet, dass man es nur bei fortgeschrittener Dunkelheit überhaupt bemerkt. Tausend Kilometer bis Santiago – das steht auf der Messingplatte geschrieben. Der Jesusjünger war ein weitgereister Mann. Wie schon bei Bordeaux, so lassen sich auch hier wieder Zeichen finden, die auf die Spur des Apostels deuten. Nur noch tausend Kilometer? Sicher Luftlinie!

LEKTION DES TAGES

Leiten lassen, einfach leiten lassen!


Mein Schweinehund hat Probleme damit, ein Erinnerungsfoto zu machen. Dann fragen wir eben einen Passanten!

Der Schweinehund auf dem Jakobsweg

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