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Оглавление23. September – Montag
Zwei Tage später lud Wimmer Anna nachmittags zu einer Motorradfahrt ein. Auf Nebenstrecken fuhren sie kreuz und quer durch die goldbunte Landschaft im milden Altweibersommersonnenschein. Nach mehr als einer halben Stunde langten sie im zwölf Kilometer entfernten Geisenfeld an und machten da in der Eisdiele in der Rathausstraße Station.
»Ich hab gedacht, du bist wieder unterwegs mit deinem Kollegen.«
»Naa. Der Fall is abg’schlossen.«
»Ihr habt’s den Hof gefunden?«
»Dei Opa hat den Hof g’funden!«
Wimmer konnte den Stolz in seiner Stimme nicht unterdrücken. Tatsächlich hätte Biss noch tagelang vergeblich nach dem Hof suchen können, wenn er Wimmer nicht um Hilfe gebeten hätte.
Während Anna mit Genuss einem Eisbecher Malaga zu Leibe rückte, erzählte Wimmer bereitwillig von der erfolgreichen Suche.
Tags zuvor war der Detektiv wieder vorgefahren, um den Metzger abzuholen. Als Wimmer die Autotür öffnete, fand dieser den Beifahrersitz belegt mit Büchern.
»Ach, der Kruscht, entschuldigen Sie bitte. So ein Wagen ist immer auch Arbeitsplatz und darum nicht immer aufgeräumt. Legen Sie die Bücher ruhig auf die Rückbank«, erklärte Biss.
Wimmer staunte. Die Bücher waren groß, und das oberste zeigte eine Hopfendolde. Es war aber kein Bildband für Touristen, sondern eher ein landwirtschaftliches Buch. Auch die anderen Bände, alle in Plastikfolie eingebunden, waren Fachbücher mit komplizierten Titeln. Es gab das »Handbuch der Stolonen«, »Neue Wege der autovegetativen Vermehrung mit Auxinen«, »Totopotente Zellen in der Phythogewebekultur«, lauter wissenschaftliche oder zumindest landwirtschaftliche Fachbücher.
»Keine Angst, Herr Wimmer, das gehört zur Recherche von einem ganz anderen Fall.«
»Sie arbeiten an mehreren Fällen gleichzeitig?«
»Das kommt schon vor. Und in diesem Fall ist es sogar wichtig. Wenn ich nicht sowieso in der Gegend wäre, glaube ich kaum, dass ich unser Fotorätsel angenommen hätte. Doch wenn ich schon in der Holledau bin und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann, dann mache ich das natürlich.«
Und doppelten Stundensatz plus Spesen erhebst du natürlich auch, dachte Wimmer, beschränkte seinen Kommentar aber auf ein Grunzen.
»Weißt, Anna, der Kerl is scho a bissl a falscher Fuchz’ger, a weng schmierig und … mei, er hätt aa a guter Ganove wer’n können. Wennst so einem die Hand gibst, musst hernach deine Finger zählen. Ned, dass er welche behält – aus Versehen, sozusagen.«
»Du meinst, der bescheißt seine Mandanten?«
»I halt’s für wahrscheinlich. I hab ihn amal gefragt, was er so nimmt. Nicht dass mir jetzt a Gewerbe anmelden oder so. Aber interessiert hat’s mi halt. Der Mann nimmt fünfundsiebzig Euro pro Stunde. Aber er arbeitet gleich an zwei Fällen zur selben Zeit. Und er verlangt aa noch Spesen. Die wird der Hallodri, denk i ma, gleich beiden Auftraggebern in Rechnung stellen.«
»Spannt man das nicht?«
»Oh, i bin sicher, er is Hallodri genug, dass er des schon so geschickt hindreht.«
»Aber mit dir hat er Bäume g’sucht?«
»Genau. Wir ham die Baam g’sucht. Aber da warn mir ned recht erfolgreich. I glaub ned, dass es noch viele Eichen oder Linden in der Gegend um Wolnzach gibt, die mir ausg’lassen ham. Nix ham mir g’funden. Mir ham zwar rund zehn Paare von Linde und Eiche g’funden und dann da rund ummadum g’sucht. Häuser und aa Höfe hat’s da schon g’nügend, von denen man die Baam im Hintergrund erkennen tat, aber entweder stimmen die Häuser überhaupt ned, oder die Baam schaun ganz anders aus.«
»Schad! Und dann?«
»Heut Nacht is mir dann die Idee gekommen!«
Sie waren an diesem Vormittag noch einmal losgefahren. Wimmer lotste den Detektiv zu einer Linde. Es war der einzige große Baum in weitem Umkreis.
»Und wo ist jetzt die Eiche?«, wollte er wissen.
»Hier gibt es keine Eiche. Aber schauen S’ amal da hinüber. Sehen Sie da die Doppelhaushälften? Die ham s’ in de siebzger Jahr hingestellt. Vorher is da a Wiesen gewesen. Wissen S’, wieso ich mich da so gut erinner?
Biss schüttelte den Kopf.
»Da hab ich als Bua Kastanien g’sammelt, für die Wildfütterung.«
Sie gingen hinüber, und Biss zog das Foto heraus.
»Also, wenn hier etwa die Kastanie stand und es dieser Baum hier ist … und die Linde dort drüben die da …«, Biss peilte mit seinem aus der Faust gestreckten Daumen in die Landschaft, »… dann muss unser Hof in dieser Richtung liegen.«
Dort lag er dann auch. Bald hatten sie das Anwesen gefunden.
Biss war erleichtert. »Ich bin sehr froh, dass ich Sie gefragt habe. Ohne Sie, ich glaub, da hätte ich das Haus nie gefunden.«
»Ach, a bisserl a Glück war da scho aa dabei«, wehrte Wimmer das Lob ab, auch wenn es ihn natürlich freute, dieses Rätsel gelöst zu haben. Biss aber stellte fest, dass es schon auch seiner Tüchtigkeit geschuldet war.
»Ohne die Bäume hätten wir gar nicht gewusst, nach was wir schauen sollen. Glück ist schon recht, aber das ist dann nur noch dazugekommen.«
Der Hof lag bei Wolnzach, ein Stück südlich der Autobahn im Ortsteil Jebertshausen. Die Zeit war auch an diesem Anwesen nicht spurlos vorübergegangen. Die Gebäude waren in den vergangenen Jahrzehnten mehrmals umgebaut worden und hatten ihr Aussehen stark verändert. Der Standpunkt, von dem aus das Bild aufgenommen worden war, war inzwischen von einer Maschinenhalle überbaut. Diesen Blickwinkel aufs Gebäude gab es also so gar nicht mehr. Im ersten Stock waren einige Fenster zugemauert und andere vergrößert worden, die Treppe zur Haustür war neu und breiter angelegt worden, und wo früher eine Scheunentür gewesen war, waren heute zwei Garagenschwingtore.
Von den Einzelheiten des Fotos waren nur noch der Balkon zu erkennen und die Nische mit einem Heiligen Florian. Dennoch … die Strukturen und Dimensionen glichen denen auf dem Bild aufs Haar. Biss und Wimmer waren sich einig: Das musste das gesuchte Haus sein.
Biss brachte Wimmer zur Metzgerei zurück. Als der Wagen hielt, zog er einen Quittungsblock und füllte ihn aus.
»L. Wimmer Wolnzach – von Dirk Biss tausendvierhundert Euro für Recherchearbeiten – dankend erhalten«, stand auf dem Quittungsblock.
»Stimmt das so?«
Wimmer nickte. »Dann fehlt nur noch a Kleinigkeit. Wenn i des quittieren soll, müssen S’ natürlich auch zahlen.«
Doch Biss hatte schon das Handschuhfach aufgeschlossen. Darin sah Wimmer den Griff einer Pistole. Die interessierte Biss aber nicht. Er griff nach einer dicken schwarzen Geldbörse.
»Sie sind bewaffnet?«
»Ich bin bewaffnet. Ja. Aber ich rate niemandem, Waffen zu tragen. In fast allen Fällen machen Waffen die Situation nur komplizierter und gefährlicher.«
»Und wieso kutschieren mir dann so an Schießprügel im Auto umanand?«
»Um für jede Eventualität gewappnet zu sein. Außerdem: Ich bin ein Ex-Polizist und weiß, wann und wie man mit Schusswaffen umgeht und – was noch wichtiger ist – wann man sie im Handschuhfach lässt. Für Amateure ist eine Pistole ein ganz gefährliches Werkzeug. Wenn Sie mit dem Gedanken spielen …«
Das tat Wimmer ganz sicher nicht.
»… dann denken Sie daran, dass die Waffe Ihnen eine trügerische Sicherheit verleiht und Ihren Gegner fast immer provoziert. Je nachdem, wie der drauf ist, wird der dann etwas Verrücktes machen.«
Dann zählte er sieben Zweihundert-Euro-Scheine ab, während Wimmer die Quittung unterschrieb. Es mochte übertriebenes Misstrauen sein, aber der alte Metzger zählte die Scheine nach und stellte dabei erleichtert fest, dass sie echt aussahen, sich auch so anfühlten und alle verschiedene Nummern hatten.
»Tja, Herr Biss. Es hat mich gefreut.«
»Mich auch. Ich bedanke mich herzlich. Sie haben mir sehr geholfen. Wenn Sie ernsthaft in das Gewerbe einsteigen wollen, kann ich Ihnen gern helfen. Ansonsten … es hat mir Spaß gemacht mit Ihnen. Alles Gute weiterhin.«
Die guten Wünsche erwiderte Wimmer. »Wie geht es jetzt weiter bei Ihnen?«
»Na ja, jetzt werd ich schauen, dass ich herausbringe, wer auf dem Hof lebt. Dann ist dieser Fall abgeschlossen, und ich teile es meinem Mandanten mit. Vorher aber stelle ich ihm noch eine Rechnung. Und dann hab ich ja noch den anderen Fall.«
»Um was geht’s da?«
»Ich darf darüber nichts sagen. Aber es ist was recht Großes!«
»Und was machen wir jetzt mit dem Geld, Opa?«
»I denk, mir kaufen der Assistenzdetektivin an g’scheiten Sturzhelm. Dann kannst deine Leihgabe wieder zurückgeben.«
Dass Anna am Abend mit einem zur Kombi passenden Sturzhelm nach Hause kam, ließ Karolas Blick hart werden.
»Wo hat die junge Madame denn das Geld für einen Helm her? Papa, hast du ihn ihr gekauft?«
»Na ja, sie hat mir a bisserl am Rechner geholfen bei dem Auftrag für den Detektiv. Und der hat heut bezahlt. Da hab i g’meint, der Helm, des is dann ihr Anteil.«
Karolas Miene hellte sich auf. »Ihr seid’s also fertig geworden mit eurem Detektiv-Schmarrn?«
»Ja. Mir ham des Haus g’funden, das er gesucht hat.«
»Der Opa hat’s g’funden, Mama!«
»Gott sei Dank, dass der Unfug diesmal so schnell a End hat. Und lass dir ned einfallen, jetzt die Detektivspielerei offiziell als Gewerbe zu eröffnen, Papa.«
»Naa, Karola, da bin i mir recht sicher. Des is dann doch a bisserl zu intensiv.«
»Dann hoff ich amal, dass das die letzte Detektivgaudi war und du künftig deine Freizeit so verbringst, wie man es von am anständigen Ruheständler erwarten kann.«