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Hitlers Erbe

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Totgesagte leben länger, könnte man zynisch anmerken, wenn die Frage nach Tod oder Leben einer konservativen Geisteshaltung nicht lebenswichtig für unsere Gesellschaft wäre. Denn das ist die Schwäche der neuen, wie es die der alten Bundesrepublik war, sozusagen ihr Gründungsfehler, dass ihr im Gegensatz zu den großen Demokratien Westeuropas und auch im Unterschied zu Amerika eine unangefochtene, tradierte, in der Geschichte wurzelnde konservative Position fehlt. Nach der Katastrophe Hitlers blieben alle konservativen Gedanken stigmatisiert und tabuverdächtig, eben NS-krank. Das Bündnis, das ein Teil der alten Eliten mit dem braunen Trommler einging, konnte auf ihre Gedankenwelt nicht ohne Auswirkung bleiben, und so hat Joachim Fest Recht, wenn er in seinem Buch Das Gesicht des Dritten Reiches feststellt: »Längst aller humanistischen und religiösen Wertnormen entkleidet, aber auch ohne jenes kritische Traditionsbewusstsein, das die eigentliche Rechtfertigung der echten konservativen Position ist, besaß sie keine Lebendigkeit und keine zukunftstragenden Ideen mehr, sondern nur noch das starre, an die Erinnerung einstiger Vorrechte geklammerte Verlangen, sich gegenüber der Zeit einzuschanzen und die Stunde abzuwarten. Der Konservativismus jener Richtung und Phase hat keine gedankliche oder tatsächliche Wirkung vorzuweisen, die nicht in die von ihm beschworene Katastrophe eingegangen und davon aufgezehrt worden wäre. Unbeweglich stand er immer an den gleichen Fronten, defensiv lief alles auf die Verneinung der Revolution von 1789 mit ihren politischen, gesellschaftlichen und sozialen Folgeerscheinungen hinaus, während offensiv nie mehr als das Konzept des nationalistischen Machtstaates sichtbar wurde, und was immer sich als konservative Ideologie ausgab, war ganz überwiegend die ewig gleiche, mit nur wenigen wechselnden Vorzeichen versehene Variation dieser beiden einfallslosen Leitmotive.« »Papen hat im Rundfunk geredet«, notierte Goebbels im August 1932 in sein Tagebuch. »Eine Rede, die von A bis Z aus unserem Gedankengut stammt.« Statt – wie es der deutsche Konservative Friedrich von Gentz einst gefordert hatte, dem Rad in die Speichen zu greifen und sich seinem rasenden Lauf entgegenzustemmen, hatten die Namenskonservativen aus Deutsch-Nationaler Volkspartei und Stahlhelm die falsche Modernisierung noch vorangetrieben und dabei der nihilistischen Revolution zum Durchbruch verholfen. Doch ganz unverhofft kam dieser Seitenwechsel nicht. Dem politischen Bankrott ging die geistige Krise voraus. Lange vor dem verlorenen Weltkrieg hatte sich ein Teil der bürgerlichen Intelligenz auf einen deutschen Sonderweg begeben und den Ideen von 1688, 1776 und 1789 den Kampf angesagt. Man war antibürgerlich, antiindividualistisch, antiwestlich und antizivilisatorisch. Die Überhöhung des Nationalstaates und die Betonung einer deutschen kulturellen Mission finden sich exemplarisch in den Betrachtungen eines Unpolitischen von Thomas Mann. In der Vorrede zu diesem Buch lesen wir, dass der Unterschied von Geist und Politik den von Kultur und Zivilisation, von Seele und Gesellschaft, von Freiheit und Stimmrecht, von Kunst und Literatur enthält. Und Deutschtum – so fährt Thomas Mann fort -, das ist Kultur, Seele, Freiheit, Kunst und nicht Zivilisation, Gesellschaft, Stimmrecht, Literatur.

Anleitung zum Konservativsein

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