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9 2 7 n a c h A n b r u c h

d e r N e u e n Z e i t

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2 t e r T a g i m 1 t e n M o n a t

d e r Z e i t d e r B l ü t e

A m M o r g e n

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S t r a ß e n a c h I s t e n d a h


Niekas hatte auch die wenigen Stunden, die ihm in dieser Nacht noch geblieben waren, nicht wirklich geschlafen. Zwar waren ihm vor Erschöpfung ständig die Augen zu gefallen, ein ruhiger, erholsamer Schlaf hatte sich aber nicht einstellen wollen. Zu viel war am gestrigen Tag geschehen, sein Inneres zu aufgewühlt gewesen.

Jetzt, als die elektrischen Eisen-Laternen am Wegesrand erloschen und die ersten Strahlen der Morgensonne den Himmel vorsichtig aufhellten, war es Zeit für ihn, seinen Weg fortzusetzen.

Die Stichwunde an seiner Flanke schmerzte, als er versuchte, sich langsam von seinem provisorischen Nachtlager auf dem - dank Brauer ehemals grasbewachsenen - Boden zu erheben. Um dem Schmerz entgegenzuwirken, drückte er mit der flachen Hand auf den Verband aus Stoff, Kräutern und orange-roter Heilsalbe.

Gestern Nacht hatte er nicht nur sich selbst, sondern auch die Schreckens-Echse behandelt. Niekas hoffte aus tiefstem Herzen, dass die Wunde an ihrer Ferse gut verheilen und das Tier überleben würde. An eine Klaue weniger würde sie sich gewöhnen müssen.

Zwar hatte der Prädator versucht, ihn umzubringen, aber so war nun mal der Lauf der Natur. Die Schreckens-Echse hatte nicht aus abgrundtiefer Bosheit oder in einem grausamen, vom Wahnsinn getriebenen Blutrausch gehandelt. Sie war kein widernatürliches Monster, dass andere Lebewesen einfach aus Spaß abschlachtete. Nein! Sie hatte einfach vom Hunger getrieben gejagt, um zu überleben.

Nachdem sich die Echse gestern Nacht langsam und humpelnd davon geschlichen hatte, war Niekas auf die Suche nach seiner während des Kampfes verlorenen Handgan gegangen. Als er sie gefunden hatte, war er losgezogen, sich um sein ausgebrochenes Pferd zu kümmern. Glücklicherweise hatte er nicht allzu weit den Steinweg zurück Richtung Arstorn laufen müssen. Brauer war gut trainiert und blieb normalerweise bei Niekas, egal wie gefährlich die Situation war. Dies hatte letzte Nacht zwar nicht funktioniert, das Pferd war dennoch nicht voller Panik blindlings bis zur Erschöpfung weiter galoppiert, sondern hatte in sicherem Abstand auf seinen Herrn gewartet.

Mit einem ausgedehnten Gähnen streckte Niekas seine müden und geschundenen Glieder der Morgensonne entgegen. Das gute Gefühl, wenn sich seine Muskeln an- und wieder entspannten, wurde nur durch das Stechen in seiner Flanke getrübt. Aber auch das würde wieder vergehen.

Er bückte sich, hob den am Boden liegenden Lederbeutel mit den Jaru-Beeren auf, von denen nur noch wenige übrig waren und gab sie Brauer zum Frühstück. Während sein Pferd genüsslich schmatzte, holte Niekas seinen letzten Proviant aus der Satteltasche, ein kleines Stück Brot, bestrichen mit Ziegenleberwurst und ein gutes Stück ‘Ahle Wurscht’. Dazu gab es einen ordentlichen Schluck Schwarzbier, der in einem fulminanten Rülpser endete, der eine kleine, schwarz-gelb gestreifte Kriechechse verängstigt aufschrecken ließ, die gerade dabei war, mitten auf dem Steinweg genüsslich ihr erstes Sonnenbad an diesem Tag zu nehmen.

Niekas grinste breit und wischte sich mit seinem Ärmel den Bierschaum vom Mund. Seine Laune hatte sich schlagartig verbessert.

Voller Elan schwang er sich in den Sattel und blickte aufbruchsfreudig in die Weite der Landschaft. Es war ein klarer Tag, sodass Niekas in der Ferne hinter einer breiten Wüsten-Schneise drei riesige graue Industrie-Schornsteine erkennen konnte, die vor langer, langer Zeit einmal schädlichen Rauch in die Luft gespuckt und damit die Natur zerstört hatten. Aber auch dieser Anblick, der ihn normalerweise betrübte, konnte seine Stimmung heute nicht gefährden.

Niekas langte in die Satteltasche, holte seinen Audio-Abspieler heraus und setzte sich die beiden dazugehörigen schwarzen Schallmuscheln auf seine grünen, runden Ohren. Er liebte laute, jahrhundertealte Gitarrenmusik, eines der wenigen Kulturgüter aus der ‘Alten Zeit’, die er für absolut erhaltenswert hielt.

Als die Musik seine Trommelfelle fast zum Platzen brachte, grinste er breit übers ganze Gesicht.

“Auf gehts, Brauer! In ein paar Stunden sind wir in Istendah.”

Der Trockene Tod

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