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Die Halbwahrheiten

Unzählige Denker haben sich versucht am Thema des Nichts, aber alle hat schon bald der Mut verlassen, wenn sie fühlten, dass es auch um ihren eigenen Arsch ging. Sie trugen klanghafte Namen, die aber nur deshalb klanghaft wurden, weil sie ihre Gedanken nicht für sich behielten und wesentlich mutiger waren als der Rest Denkender in ihrer jeweiligen Epoche. Wenn Meinung erst zu Wissen wird, weil eine bestimmte Anzahl Gleichdenkender diese als mögliche Wahrheit bestätigen oder diverse Religionsführer ernstzunehmend Gegendarstellungen produzieren, dann regelt Publikumswirksamkeit die Durchschlagskraft eines geäußerten Gedankens. Je nach dem gewählten Schwerpunkt, dem geistigen Ansatz und der Intention des Denkenden, vergräbt er sich in seinen Auseinandersetzungen mit dem Nichts in verschiedene Teilbereiche der Existenzerfassung. Sehr spät, erst im 18. Jahrhundert, wird ein Wort erfunden, das helfen soll, die gedankliche Auseinandersetzung mit der Infragestellung des Seins ‚unter einem Dach’ zusammenzufassen und so vielleicht sogar verständlicher zu machen. Das Wort Nihilismus wird geboren und mit Leben gefüllt. Doch alle darunter zusammengefassten Ansätze, die sich mit dem Thema ‚Nichts’ auseinandersetzen, verschwenden sich in der Ergründung von Detailtiefen winziger Ausschnitte des Ganzen. So gesellen sich unter dem Begriff Nihilismus diverse Religionen, die vielleicht die Existenz einer bestimmten Wirklichkeit in Frage stellen, der so genannte metaphysische Nihilismus, oder eine Religion, die als ethischer Nihilismus Wahrheit eines sittlichen Wertes negiert oder als radikalster Bestandteil der nihilistischen Gemeinschaft, mit dem Ziel der Hinterfragung jeglicher Wahrheit, der logische Nihilismus. Dies sind Ausschnitte des Ganzen und bei weitem nicht ausreichend, selbst bei Zusammenfassung aller Ansätze, bei Ausräumung aller Widersprüche und bei konsequenter Überarbeitung, neuer Sinnsetzung und peinlichster Bündelung zu einem Werk, das wahre Ausmaß des Nichts zu erfassen. Selbst der radikalste Ansatz, sich mit der vollkommenen Leere auseinandersetzen zu wollen, ist geprägt von menschlicher Logik, weil der gewachsene Geist nicht fähig ist, alles Erlernte, Gesehene, Erlebte und Verarbeitete restlos auszulöschen, also unfrei ist und verschlossen bleibt gegenüber dieser völlig anderen Welt. Als Büttel der eigenen Logik unterworfen versuchte schon so mancher der Scheinwelt seiner Realität zu entfliehen, wagte sich mutig hinaus, fühlte sich frei und war doch immer nur Gefangener in Ketten. Die wichtigste Übung haben sie versäumt, die Weisen, die sich dem Nichts näherten. Götz, Obereit, Jacobi, Fichte waren mutige Pioniere und doch nur erbärmliche Gefangene. Erst wenn der Kopf wirklich befreit ist, das Gefäß entleert und jeder Gedanke der herkömmlichen Substanz beraubt ist, kann die Erkenntnis einkehren, denn es gibt keine Logik mehr und keine konstruierten Zusammenhänge. Es genügt nicht, Aussätziger und Exot zu sein und aus seiner tiefsten Verzweiflung heraus gegen alle bekannten Regeln zu wettern, nur um sich selbst das Gefühl des Besonderen zu geben. Selbst dann nicht, wenn das tiefe Erlebnis der eigenen Mangelhaftigkeit so intensiv ist, wie es bei Nietzsche war. Sein Selbsthass und seine Selbstzweifel haben ihm sicherlich geholfen das ein oder andere Trugbild vorgespielter Realität in Frage zu stellen, aber ausbrechen aus sich selbst konnte auch er nicht. So kratzt er in seinen Schriften verbissen an der Oberfläche der Religionen, bleibt aber im Kerker seines kranken Gehirnes gefangen. Aber wie schon erwähnt, erzeugen so viel Mut und lautes Schreien sowohl Anhänger, als auch Kritiker, die so aussichtslos versuchen, den fahlen Gedanken des Vordenkers zu folgen, sich nicht entblöden, ihre eigene Meinung dazu nicht nur zu bilden, sondern ebenfalls in die Welt hinaus zu blasen, mit dem Ziel, sich Namen zu schaffen wie Heidegger oder Popper.

Es sind das eigene Leben, der Alltag, die verinnerlichten Werte und Normen, Erziehung und Intelligenz, die das Erlernte in neuen Zusammenhang bringen und eigene Wahrheit erschaffen, ständig und immer wieder. Mit Beginn der eigenen Dummheit als Neugeborenes bis zum aktuellen Zeitpunkt eines Gedanken gilt nur eine Regel immer und führt den Menschen von Anfang an in die falsche Richtung, weg von Realität hin zur Scheinwelt des Erlebens. Die Regel besagt, dass alles so ist, wie es zu sein scheint. Diese Regel ist falsch und alle wissen es.

Wie lässt sich diese Wahrheit vermitteln, ist die Frage.

Im ersten Ansatz soll noch nicht das Alles in Frage gestellt werden, sondern zunächst einmal nur ein winziger Teil dieses realitätsfernen Konstrukts – das ‚Wort’. Am Beispiel einiger E-Mail Sendungen von einem Sender zu einem Empfänger soll verdeutlicht werden, wie trügerisch die empfundene Wahrheit des Wortes ist und, dass die über das Verstehen konstruierte Welt niemals etwas mit der Realität zu tun haben kann, weil es diese oder irgendeine andere Realität gar nicht gibt. Noch nicht einmal die Summe allen Verständnisses aller Empfänger von Worten kann Realität darstellen, obwohl, getreu dem existierenden Werteschema die Vermutung naheläge, dass sich die Wahrheit einer Nachricht zumindest über die Summe der individuellen, mitunter sehr unterschiedlichen Verständniswelten aller Empfänger definieren könnte.

Wie real ist ‚Wort’?

Nehmen wir die geschriebenen Worte, aus E-Mails oder Briefen zum Beispiel und stellen uns vor, es seien, zum Vergleich, Wassertropfen, die aus einer Kanne heraustropften, um zunächst zu fallen. Diese Tropfen treffen nach ihrem Fall auf einen Teller. Einige der Tropfen prallen vom Teller ab, werden von einer Tischdecke aufgesaugt und andere bleiben auf dem Teller liegen, bis sie langsam verdunsten. Übrig bleibt, je nach Wasserqualität der Tropfen, vielleicht ein kalk- oder andersartiger Rückstand, der, wären die Tropfen in der Kanne geblieben, ebenso entstanden wäre, nur an einem anderen Ort und vielleicht nach in Summe längerer Zeit.

Was will der Dichter uns mit diesem Vergleich sagen?

Eifrig werden nun zum Zweck der Deutung Parallelen gezogen, Gegenstände beider Realitäten in Beziehung zueinander gebracht, Eigenschaften und Eigenheiten der Gegenstände abgerufen und in figurative Erklärungen gepresst. Fragen aufgeworfen und beantwortet. Das gesamte Wissen wird angewendet, um den Vergleich in die einzige Welt zu pressen, die bekannt ist.

Frage: Wenn der Empfänger der Teller ist, was bedeuten dann die abprallenden Tropfen?

Antwort: Der Empfänger hat wohl nicht alle Worte richtig verstanden und das Unverstandene bleibt nicht an ihm.

Frage: Wer oder was ist dann aber die Tischdecke?

Die Möglichkeit, dass ein Empfänger die Aneinanderreihung von Worten so versteht, wie der Sender sie gemeint hat, ist nicht gegeben, weil nicht die Worte selbst transportiert werden und Realität darstellen, sondern das Gefühl während des Erstellens von Nachricht. Dieses Wortbildende Gefühl ist gemäß heutigem Glauben noch nicht einmal vom Sender selbst reproduzierbar, weil sich getreu der Religion ‚Biologie’ die Chemikalien während der Erzeugung des Gefühls verbrauchen, die chemischen und bio-chemischen Prozesse einmalig sind und eine erneute Erzeugung also nur mit anderen Repräsentanten der involvierten Chemikalien in einem völlig neuen Prozess möglich ist. Das aus anderen als den ursprünglichen Bestandteilen in einer neuen Reaktion Entstandene kann nicht identisch sein mit dem Vorherigen. So viel zur nachvollziehbaren Beweisführung, dass es keine Realität des Wortes gibt, sondern höchstens so etwas wie eine Annäherung der Realität an das Wort bei seiner Erstellung, bevor sie verbraucht und abgebaut wurde, also verschwand. Das ist aber nur verständlich für Religionshörige. Wahrheit ist jedoch, dass es noch nicht einmal das Wort gibt, also auch keine Realität, die das Wort darstellt oder darstellte. Auch das Wort ist nur künstliches Produkt mit dem Ziel, das Nichts verstehbar zu machen. Es folgt wie alle anderen Konstrukte selbst erstellten Regeln, erzeugt ganz private Wahrheit und ist doch nur Produkt des Nichts. Der nicht existente Mensch versteht den nicht existenten Menschen durch das Konstrukt des Wortes, ohne jemals Wahrheit erfassen zu können oder sein Selbst durch die Schaffung seiner Gebilde entstehen zu lassen, aber es ist die einzige Möglichkeit des Verstehens, zu der er fähig ist. Jeder Mensch versteht, aber keiner kann sagen, was er verstanden hat, weil auch die Umwandlung des Verstandenen in neue Worte demselben Phänomen der neu geschaffenen Einzigartigkeit unterliegt. Der verzweifelte Versuch, Wort und Sprache vielleicht dennoch zu Kommunikationszwecken nutzen zu können, gipfelt in der Erstellung von Definitionen. In solchen Definitionen werden Worte durch Worte erklärt und somit „allgemein brauchbar“ gemacht. Die zur Erklärung genutzten Worte sind ebenfalls durch andere Worte erklärt – und so weiter und so weiter, bis am Ende ein in sich geschlossenes Erklärungsgebäude geschaffen ist, in dem alle Bewohner mit Hilfe anderer Bewohner eine Eindeutigkeit erlangen, die allgemeine Nutzbarkeit und Verstehbarkeit erzeugen soll. Das Gebäude ist ständig natürlicher Veränderung ausgesetzt, Bewohner sterben und andere werden geboren, werden definiert und integriert. Die so erzeugte Pseudo-Realität des Wortes ist geeignet, die Gebäudestruktur stabil, also in sich schlüssig scheinen zu lassen, bis zu dem Punkt, in dem die mentale Verarbeitung von definiert ‚eindeutigem’ Wort beginnt. Während die durch Definition des Wortes gebildete ‚Eindeutigkeit’ materieller Wortgegenstände im Moment der Verarbeitung schnell durch die Erzeugung eines individuellen Bildes aufgelöst wird, das nicht identisch sein kann mit dem erzeugten Bild zum selben Wortgegenstand in einem anderen Hirn, so geschieht das Verstehen immaterieller Wortgegenstände ausschließlich durch Entstehung eines bildlosen Gefühls, an Einzigartigkeit kaum noch zu übertreffen. Die Notwendigkeit der Schaffung von Definitionen als Basis für irgendeine Kommunikation, die zumindest den Anschein des sich Verstehens leisten soll, wird dann klar, wenn zwei Individuen miteinander kommunizieren, die unterschiedliche Sprachen sprechen, zum Beispiel ein Mensch und ein Schwein. Selbst wenn in einem solchen Fall die Interpretationsmöglichkeit innerhalb geschlossener, überschneidungsfreier Definitionsgebäude genutzter Worte noch möglich erscheint – das Schwein könnte durchaus das Wort „Krustenbraten“ mit einem Gefühl der Angst belegen – ist dies in der Kommunikationswelt zwischen menschlichem Mann und menschlicher Frau ausgeschlossen. Das beweist, da Kommunikation ja sogar innerhalb eines in sich geschlossenen Definitionsgebäudes stattfindet, dass es keine Realität des Wortes geben kann und der Versuch, eine Realität über Definition von ‚Wort’ zu erzeugen, scheitern muss.

Jeder Mensch versteht das Grunzen eines Schweines, aber keine Frau versteht die Worte eines Mannes, wenn er sagt: „Gib mir Bier her!“ Beweisführung abgeschlossen.

Der Grund hierfür wird allgemein in der Verschiedenheit von Mann und Frau gesehen und, obwohl dies ein naheliegender Erklärungsversuch ist, der für alle nachvollziehbar das Verhalten erläutert, ist er doch völlig falsch. Es ist auch falsch, dass Frau nicht verstehen will, weil vielleicht die Form der Aufforderung oder der Ton nicht stimmten.

Der wahre Grund für das Nichtverstehen liegt in den wahren Regeln und Gegebenheiten, die nichts mit unserem Verständnis der Welt zu tun haben. Das gesprochene Wort kann alles heißen und niemand weiß, noch nicht einmal der Sprecher, welches die wahre Realität des Wortes ist. Selbst die Luft, die zum Transport der Schallwellen benötigt wird, ist in der Lage, die Wahrheit des Wortes völlig zu verändern. Ruft der Mann aus dem Wohnzimmer in die Küche und die Schallwellen müssen hierzu durch eine Wand gepresst werden, kommt im Hörzentrum der Frau eine ganz andere Wahrheit an, als hätte er ihr den Satz ins Ohr geflüstert.

Vielleicht versteht sie eine Beschimpfung, hat endgültig „die Nase voll“ von ihrem Mann, zieht sich an und geht leise aus der Wohnung. Für immer. Zu wünschen wäre es ihr, denn es kann nur besser werden.

Was auch immer, es hat keine Bedeutung, denn auch das Wort ist nur ein Teil des Alles.

Das Alles

Irgendwann kommt aber der Zeitpunkt, die Hosen vollständig herunterzulassen. Viele tausend Buchbände wären möglich, jeden einzelnen Bestandteil des Alles, wie gerade mit dem ‚Wort’ geschehen, auf den Prüfstein zu legen und die Beweisführung seiner Existenzlosigkeit nach immer demselben Prinzip zu leisten. Wie langweilig wäre das. Spannender scheint die Entwicklung nachvollziehbarer Ansätze und Konstruktionen von Gedankengebäuden, die in der Lage sind, jedem Bestandteil des Alles die Existenzgrundlage zu rauben.

Alles ist Nichts! Dies zu verstehen, bedingt nicht die Nutzung eines Teils des Gesamtpotentials verinnerlichten Wissens zur Erklärung von Unbekanntem, sondern die Annäherung an das Nichts selbst. Nicht die Nutzung von Wissen, sondern die Nicht-Nutzung macht Verstehen möglich. Es ist erlaubt, von Befreiung zu sprechen, möchte der Mensch sich mit der Wahrheit auseinandersetzen, weil jeder Bestandteil des individuellen Wissens auch Teil des Gefängnisses ist, in dem er sich befindet. Je mehr Wissen der Mensch anhäufte, desto stärker wurden die Mauern seines Gefängnisses und desto unwahrscheinlicher wurde seine Befreiung. So ist ein tumber Tor viel näher an der Realität als jeder Denker oder Professor, so er nicht auch ein solcher Tor ist. Am weitesten weg von Wahrheit sind diejenigen Wissenden, die sich einem Spezialistentum unterworfen haben und traumwandlerische Sicherheit erlangten, durch die schier unendliche Verkettung und Verknüpfung der ihnen bekannten Details von vermeintlichem Wissen zur Schöpfung von neuem. Je tiefer der Denker in seiner Welt versunken ist, desto weniger wahrscheinlich ist seine Befreiung von wohlgeformten Fesseln, die ihn in seiner Unwahrheit gefangen halten, aber auch der Flachdenker ist nahezu unbeirrbar. So einfach scheint ihm die Erklärung der Welt über seine ebenfalls endlosen Verknüpfungen, dass ‚ein Ausstieg’ aus diesen Ketten ihm nicht einmal in den Sinn käme. Fast unmöglich also für ihn der Gedanke, neue Erkenntnisse nicht aus dem Vorhandenen entwickeln zu müssen, sondern aus dem Neuen. Trotz der so engen Verwobenheit von winzigsten Bausteinchen, die sein Konstrukt der Wahrheit in höchster Komplexität so trefflich und abhängig voneinander bilden, hat es eine ungeheure Stabilität. Man könnte ja annehmen, dass der Verlust eines Bausteines, eben wegen dieser verwobenen Architektur, zum Einsturz des Ganzen führen müsse, aber weit gefehlt. Der Mechanismus der Selbstheilung, der demjenigen des Selbstbetrugs so ähnlich ist, repariert jeden durch konträre Beweisführung verlustig gegangenen, logischen Zusammenhang automatisch durch die Bildung neuer, logischer Relationen – so lange, bis das Bild wieder stimmt. Es genügt also nicht, nur ansatzweise den einen oder anderen Baustein des Weltbildes in Frage zu stellen, sondern die Arbeit beginnt an der Basis.

Der erste Ansatz der Infragestellung eines Bausteins, etwa: „Ich fühle nicht, wenn ich mich kratze“, ist deshalb so sinnlos, weil alle bekannten Logiken so lange strapaziert werden können, bis das Fühlen während des Kratzens bewiesen zu sein scheint. Es wird nur gelingen, sich der Wahrheit zu nähern, wenn die Bereitschaft, Logiken zu negieren, gegeben ist.

Der zweite Ansatz, eine Basislogik in Frage zu stellen, wie zum Beispiel: „Ich denke, also bin ich“, ist nur dann eher erfolgversprechend als der erste Ansatz, wenn der Denker sich der aus seiner Sicht waghalsig anmutenden Annahme hingibt, dass es zur Entstehung eines Gedankens keiner Materie bedarf, denn die vorhandenen Logiken sind weitgehend Materie affin. Erst wenn diese völlige Hingabe in Überzeugung mutiert, kann die eigentliche Fragestellung auf dem Boden der eben gestalteten Unsicherheit eine gewinnbringende Beantwortung erfahren. Sollte dann der beginnende Rausch, sich diesen haltlosen Gedanken weiter hingeben zu wollen, anhalten, lassen sich weitere Gedanken formulieren, wie: „Wenn ein Gedanke keine Materie voraussetzt, warum sollte er dann irgendetwas voraussetzen?“

Nun gilt es, die Angst erneut zu überwinden, denn die Beantwortung dieser Frage ist existenziell. Mit der radikalen Befreiung von allen Erklärungen des Lebens und des Seins und einer fanatisch fremden Auseinandersetzung mit dem Wesen des ‚Alles’, kann die Tür zur Wahrheit geöffnet werden. Es bedarf nur noch dieser einen Antwort, um die Überzeugung bezüglich der Abhängigkeit des Menschen vom Sein für immer zu verlieren. Der Prozess kommt der spontanen Gesundung von einer zerstörerischen Drogensucht gleicht. Das Erleben des Nichts will den Denker zerreißen. Noch ist die Sucht nicht endgültig besiegt. War es bisher die Droge der eigenen Logik, muss etwas anderes treten an ihre Stelle, eine Ersatzdroge, um nicht dem Wahnsinn zu erliegen.

Ich weiß sehr genau, wovon ich spreche.

Und erst jetzt zeigt sich der wahre Held, der aus sich heraus gesundende Held, den freien Fall in das Ungewisse suchend, wenn er die Substitution verweigert. Auch dieser zweite Ansatz ist alles andere als leicht und erfordert das Vergessen jeglicher Erziehung, des Erlernten und aller Vermutungen. Dennoch kann er nicht dazu führen, die ganze Wahrheit jemals zu erfahren, da er nur einen kleinen Aspekt der Unendlichkeit in Betracht zieht.

Erst der dritte Ansatz, der vom Denkenden, über das im zweiten Ansatz Geleistete hinaus, sogar das Vergessen des Ererbten abfordert, ihn, begleitet von Todesmut, an den Ursprung allen Seins führt und endlich nicht nur seine eigene Auflösung, sondern die allgemeine Auflösung begehrt, geleitet ihn zum ersehnten Ziel. Es geht nicht mehr um die Beantwortung von Fragen, um Erklärungen und Plausibilitäten, sondern um die Einswerdung mit dem wahren Gedanken, der immer und überall nur einzigartig ist, jede Materie einschließt und alles Immaterielle einbezieht, den Ursprung, den Weg und das Ziel gleichzeitig beschreibt. Dieser Gedanke ist nicht, aber er ist wahr.

Das Nichts selbst tut sich auf und verschlingt das Alles in einem einzigen, winzigen und existenzlosen Kopf. In den absurden Logiken der menschlichen Religionen wird dem Nichts einfach nur zu wenig zugetraut, denke ich manchmal. Dabei ist es so einfach, denn das Alles, das ja jeder kennt, ist schon immer das Nichts gewesen.

Die wahre Antwort

Ja, es gibt nur eine einzige Antwort auf alle Fragen. So einfach ist das Nichts und so klar ist das Alles. Schaut man sich nun mit diesem Wissen an, was der Mensch aus dieser Einfachheit und Klarheit gemacht hat, wie er sich anstrengt, die coolste Simplizität in seine Unverständlichkeit zu zwingen, könnte man verzweifeln. Kleinkrämerische Gedankenansätze ertrotzen die Unwahrheit, wo doch nur die Radikalität der ‚Offenheit gegenüber allem’ Wahrheit so spielerisch erzeugt.

Die Erklärung allen Seins und allen Nicht-Seins ist möglich, wenn die Gleichsetzung von Nichts und Alles zugelassen wird. Schon dieser Gedanke ist an Einfachheit kaum mehr zu überbieten. Mit der konsequenten Umsetzung dieses Gedankens gibt es keine zwingende Notwendigkeit mehr für Zeit, denn in der geistigen Erfassung von Beginn und Ende steht am Anfang das Nichts und am Ende das Nichts. Zwischen Anfang und Ende steht das Nichts in Gleichsetzung mit dem Alles. So wird die Kontinuität des Nichts über alle Grenzen hinaus auch gesetzgebend für die Zeit, die nichts wirklich veränderte, wenn sie denn existierte. Anfang und Ende sind zeitlich beliebig, ja sogar so weit beliebig, dass das Ende von allem auch vor dem Beginn von allem liegen kann. In unsere begrenzten Gedankenwelt ist Zeit ein wichtiger Faktor, auch für die Erklärung von Existenz und Existenzverhalten, aber sprengt der Geist einmal diese Grenzen und denkt die Geschichte des Seins zu Ende, kann am Ende aller Zeit nur das Nichts existieren. Es wird nur noch einige Zeit dauern, bis das gesamte Sein die ihm eigene Energie aufgebraucht hat. Energie ist unendlich und immer in derselben Intensität vorhanden. Sie wird bei Verbrauch in das Nichts überführt. Energie ist das Nichts. Es wird niemals gelingen, Elementarteilchen nachzuweisen, weil diese bereits das Nichts sind.

Die Omnipotenz des Nichts impliziert die Realwerdung jedes möglichen Gedankens, jeder möglichen Wahrheit, ganz unabhängig von Denkbarkeit in welchem Rahmen auch immer und die Lösgelöstheit von Materie, Immateriellem und Antimaterie. Hierbei ist Realwerdung nicht gleichzusetzen mit Existenz, sondern mit Wahrheit. Das Nichts ist also nicht in der Lage, irgendeine Existenz zu erzeugen, sondern nur beliebige Wahrheit. Am aktuell und real erlebten Weltbild des Einzelnen ändert sich nichts, alles bleibt wie es war, nur die Erklärung für das Sein wird eine andere. Mit der Einswerdung des eigenen, erlebten Körpers und des Geistes mit dem Ursprung des Alles, dem Nichts, öffnet sich das Tor zu einem Verständnis von Leben und Sein, das im Ansatz schon sehr viele Urvölker aus ihrer Naturbezogenheit heraus hatten, aber natürlich noch nicht ausreichend artikulieren konnten. Das gefühlte Erleben, fester Bestandteil der Natur, Teil des Gleichgewichts von Yin und Yang in globalem, ja sogar galaktischem Zusammenhang zu sein, bestimmte das Leben vieler Naturvölker und tut es noch heute, wenn auch in zunehmend weniger eindeutiger Form. Durch die Vereinheitlichung allen Seins im Nichts werden diese Ansätze verständlicher und passen in das Bild der einzigen Wahrheit. Mit der Ausreizung des Erlebenspotentials des Menschen, wie es bei Naturvölkern heute noch zu finden ist, scheint es also einfacher, Wahrheit empfinden zu können. Diese Eigenschaft ist dem Menschen leider weitestgehend abhandengekommen und wurde ersetzt durch Unmengen von Halbwissen und Aberglaube, die ihn von der Fähigkeit, das Sein zu erkennen, ablenken. Die Möglichkeit, die Umkehrbarkeit dieser Entwicklung einzuschätzen, existiert nur theoretisch und der Denker ergösse sich in wilde Spekulationen, wollte er eine solche Schätzung wagen. Es würde nicht ausreichen, ein paar Generationen der Menschheit völlig losgelöst von Wissen in Urwäldern dahinleben zu lassen, um die Nähe zur Wahrheit wieder herzustellen – zu degeneriert ist die Erbmasse des Menschen und trotz aller Ungeklärtheiten zu schlüssig das Konstrukt von Halbwahrheiten und Deutungen, das Eltern an ihre Kinder weitergeben, weil sie es nicht besser wissen.

Aber darum geht es ja gar nicht! Nicht die mühselige Rückentwicklung des Menschen zu einem sich selbst als Bestandteil des Alles erlebenden Individuum ist das Ziel, sondern bedingungslose Radikalität. Träume von utopischer Prägung setzen sich trotz aller Gefangenheit des Träumenden mit der Möglichkeit auseinander, existierendes Wissen zu negieren. Zeitreisen, Transport von Materie über fast unendliche Entfernungen ohne Zeitverlust, die allgegenwärtige Macht als schöpferische und vernichtende Instanz sind vage Ansätze wahrer Gedanken, die zu denken gehörigen Mut erfordern, macht der Denker sich doch automatisch zum Gespött der Massen, die ja zu wissen glauben, dass es das gar nicht geben kann. Im selben Moment wird der Denker tatsächlich lächerlich, nur, weil er nicht radikal genug ist, sondern erneut, und sei es nur gedanklich, in Halbwahrheiten verharrt.

In letzter Konsequenz gibt es aber weder im Nichts noch im Alles einen Unterschied zwischen allen, in ihnen manifestierten Entitäten. Das Nichts und das Alles lassen sich durch Raum oder Zeit nicht in irgendwelche Schranken zwingen und als fester Bestandteil dessen ist auch der Mensch in seiner Eigenschaft als manifestiertes Nichts nicht durch Schranken beeindruckt – bis auf die durch eigene Dummheit bedingten, natürlich. Einer tiefen Sehnsucht folgend ist er auf der Suche nach dem Irrationalen, dem Übernatürlichen und Übersinnlichen, getrieben vom Gedanken ‚da muss doch einfach noch mehr sein, als das bereits Erklärbare’ und versucht mit seinen dummen, selbstgebastelten Spielzeugen zum Beispiel unerklärbare Wellen nachzuweisen, die angeblich aus der Erde in die Körper strömen und das Schicksal der Menschen bestimmen.

So wird das nichts.

Erst nach dem Akzeptieren und Verinnerlichen der Wahrheit kann es möglich werden, die eigentlichen Gesetze des Seins zu erforschen und zu verstehen. In dieser Welt ist alles anders und alte Geschichten bekommen neue Bilder.

Der Mensch existiert nicht

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