Читать книгу Der Macht-Code - Alexander Ross - Страница 6
1 ZUM START Das Leben ist kein Ponyhof.
Oder: Warum haben wir dieses Buch geschrieben?
ОглавлениеDer amerikanische Psychologe Paco Underhill schlug einer amerikanischen Drogeriekette vor, dass die Mitarbeiter all jenen Kunden ungefragt einen Einkaufskorb anbieten sollten, die mehr als zwei Produkte in den Händen durch den Laden trugen. Die Einkaufssummen pro Kopf nahmen erkennbar zu.
Wladimir Rakowskij bietet in Moskau Kurse für „стёрвы“ an. Das Wort bedeutet „Luder“ und die Teilnehmerinnen lernen dort, wie sie die Aufmerksamkeit eines Mannes erregen oder an seine Telefonnummer kommen. Rakowskij stellte im Magazin Focus seine einfache, aber erfolgreiche Typenlehre dar: „Kennt die Frau erst einmal den Typ Mann, dann kann sie genau jenen Typ Frau geben, den er sich erträumt.“ Die Teilnehmerin Marina berichtet von ihren Erfolgen, auch im Job: „Wenn ich Hilfe brauche, spiele ich das kleine Mädchen. Da kommen die Männer sofort und unterstützen mich.“
Ein Aufbaustudium zum MBA (Master of Business Administration) an einer Business School gilt vielen Jungmanagern als Turbo für die Karriere. Für die Auswahl der „richtigen“ unter den vielen Karriereschmieden greifen Studenten wie Unternehmen gerne auf Rankinglisten zurück. Doch nicht wenige der Business Schools richten ihr Lehrprogramm genau darauf aus, dass es ihnen einen oberen Platz in den Ranglisten sichert. Dies bestätigt George Bickerstaffe, einer der international bekanntesten Experten auf dem Gebiet.
Da erzählt man Versuchspersonen folgende Geschichte: Ein gut gekleideter, gepflegt aussehender Mann beschimpft übel einen schäbig gekleideten, tätowierten Langhaarigen und bedroht ihn sogar mit einem Messer. Erzählen die Versuchspersonen die Geschichte dann weiter, sind oft ab der dritten bis vierten Wiederholung die Rollen vertauscht: Der Langhaarige hat das Messer, er bedroht und beschimpft den gut Gekleideten. Unsere Vorurteile prägen viel von unserer Wahrnehmung und verzerren die Gedächtnisleistung. Dies wiesen die Psychologen Gordon Allport und Leo Postman in zahlreichen Versuchen schon in den 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts nach.
Ein Geschäftsführer aus der Transportbranche verrät dem Manager Magazin einige Tricks der Verhandlungsführung: „Seine Geheimwaffen heißen wahlweise Simona, Lulu oder Carmen. Hat er ein schwieriges Gespräch, bucht er eines der Models.“ Deren einzige Aufgabe besteht darin, den Kunden während des Gesprächs zu ignorieren. „Dann macht der Geschäftsführer ein eigentlich nicht annehmbares Angebot und schließt … mit dem Satz: ‚Oder fehlt Ihnen für eine solche Entscheidung die Kompetenz?’ In diesem Moment blickt das Model hoch und dem Mann direkt in die Augen – der plustert reflexartig sein Gefieder. Und der Deal steht.“
Sind wir wirklich so leicht zu beeinflussen? Ja, das sind wir!
Denn offensichtlich ist unser Alltag von den unterschiedlichsten Arten der Manipulation geprägt. Es gibt eine Vielzahl von Techniken und Taktiken, die uns gezielt in die Irre führen können. Zum Beispiel die Kontrolle über Informationen, über Handlungen, über Situationen und Abläufe, über Regeln und Verfahren, über Beziehungen und Netzwerke, über die Selbstdarstellung des Manipulators. Und nicht zuletzt gibt es auch Faktoren, an denen wir uns selbst orientieren, um den bestmöglichen Eindruck zu machen.
Wenn einzelne Menschen oder Gruppen die Möglichkeit haben, das Verhalten oder das Denken anderer Menschen in ihrem Sinne zu beeinflussen, so nennt man dies Macht. Nach einer gängigen Definition des Soziologen Max Weber ist Macht „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“. Macht kann dabei durchaus gut sein. Etwa dann, wenn sie dazu eingesetzt wird, dass auch die Interessen anderer Menschen berücksichtigt werden oder zu Geltung kommen.
Macht ist also nicht per se negativ. Doch sie kann es schnell werden, und wir alle haben es wohl schon einmal am eigenen Leib erfahren: Menschen nutzen ein ihnen verfügbares Machtpotenzial aus, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Unsere eigenen Interessen werden dabei herabgesetzt, verletzt oder sogar unterdrückt.
Manipulation kommt dann ins Spiel, wenn jemand Macht über uns ausübt, wir dies jedoch nicht bemerken oder nicht als Einflussnahme erkennen. Damit nehmen wir auch oft gar nicht wahr, dass hier jemand gegen unsere Interessen handelt und uns schaden kann, mitunter sogar recht massiv.
Manipulative Machtausübung schadet aber nicht nur dem Einzelnen, sondern auch dem Erfolg ganzer Unternehmen. So untersuchte der Organisations- und Sozialpsychologe Wolfgang Scholl von der Berliner Humboldt-Universität im Jahr 2004 für eine Studie über 40 Innovationsprozesse in Unternehmen. Dabei fand er heraus, dass bei den misslungenen Innovationen vor allem Informationen nicht korrekt übermittelt und noch häufiger nicht korrekt verarbeitet wurden.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Die Manipulation von Informationen ist nur eine der von uns betrachteten Taktiken, doch sie begegnet uns jeden Tag: im Zurückhalten, Verdrehen oder Filtern, beim geschickt gewählten Ausschnitt der Wirklichkeit, der gezielten Halbwahrheit oder beim Ausschluss aus der Kommunikation durch Expertenphrasen und Insiderjargon – damit wir nicht gleich verstehen, was jemand wirklich vorhat. Oder dass er nur behauptet, kompetent zu sein.
Den Tricksern und Täuschern nutzt manipulatives Verhalten nur so lange, wie sie unentdeckt und ohne Sanktionen ihr Spiel treiben können. Deshalb machen wir Sie in unserem Buch mit einer Auswahl wichtiger und alltäglicher Einflüsse und Techniken der Manipulation bekannt. Anhand von Beispielen zeigen wir Ihnen, dass sie wirken und wie sie wirken – und wir zeigen Ihnen, wie Sie damit erfolgreich umgehen können.
Für uns heißt das: Nur wenn ich die Muster und Methoden der Manipulation durchschaue, kann ich selbstbestimmt handeln. Ich kann erkennen, ob und wie ich das Opfer der Machenschaften anderer werde. Und ich kann entscheiden, ob ich bestimmte Techniken für mich und für eine gute Sache einsetzen will. Unser Fachwissen macht uns kompetent, doch souverän werden wir erst durch das Wissen um die Wege und Abwege anderer Menschen. Denn gerade wenn sich deren Verhalten gegen uns richtet, wollen wir ihnen nicht so einfach auf den Leim gehen.
Die Spielregeln der Manipulation betreffen alle Lebensbereiche und vor allem auch unser eigenes tägliches Verhalten. Denn wir werden nicht nur von anderen manipuliert, wir tun es auch selbst jeden Tag, sei es unbewusst oder mit voller Absicht.
Ob wir dabei gewinnen oder verlieren, hängt auch davon ab, wie gut wir die Spielregeln kennen. Es ist wie beim Kartenspiel: Wer die Regeln nicht kennt und das Spiel nicht beherrscht, verliert sogar mit einem guten Blatt. Schließlich wissen wir doch alle: Das Leben ist kein Ponyhof.