Читать книгу Glashauseffekt - Alexander Sperling - Страница 14

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Dingo lässt dichten grauen Rauch zum Himmel steigen, während er finster vor sich hin brütet. Niemand fragt, worüber er nachdenkt, was ihn noch zorniger macht. Erica ist wegen Philly schon völlig durchgedreht, und jetzt spricht sie auch mit ihren Eltern nur noch in gereiztem Ton, wenn überhaupt. Und das nur wegen diesem gottverdammten Prozess! Ihre Wut über die Partynacht kann er dagegen sogar ein wenig nachvollziehen, da seine wahrheitsgemäße Aussage, sich an mehrere Stunden überhaupt nicht mehr erinnern zu können, wohl tatsächlich nicht gerade vertrauenerweckend gewirkt hat. Aber die beiden gutmütigen Alten, ohne die sie beide auf der Straße sitzen würden, nein, die haben eine solche Behandlung nicht verdient. Er ist so gereizt, dass er kaum ruhig sitzen kann.

Mika und Spex versuchen, an die Bälle des Tischkickers zu kommen, ohne Geld einwerfen zu müssen. Der Regen prasselt heftig an die hohen, bunten Scheiben, und es ist eigentlich wahnsinnig gemütlich in der Landauerkapelle. Faris und Ben sitzen in warmen Jacken nahe bei Dingo auf einem der vielen abgeranzten Sofas und trinken aus einem Flachmann, den Faris mitgebracht hat. Mika hat wie immer »aufgesperrt«. Er kann das mittlerweile in Sekunden.

Vor ein paar Jahren hat sich die Stadt Nürnberg schweren Herzens bereit erklärt, die Erhaltungskosten des maroden Gotteshauses zu übernehmen, und dort dafür einen kleinen Jugendtreff eingerichtet. In dem steinernen, kühlen Raum spielen in den heißen Sommermonaten ein paar Kinder unter Aufsicht Kicker, Tischtennis und ein paar überholte VR-Spiele. In den Übergangszeiten weicht Dingo mit seinen Freunden gerne hierher aus, wenn es zu regnerisch für den Park ist und über Mazurs Dachgeschoss wieder die Flugzeuge donnern. Im Winter dann, wenn es wirklich kalt ist, gehört die Kapelle allein dem lieben Gott.

»Hört mal, Leute«, sagt Dingo so laut, dass sich auch Spex und Mika angesprochen fühlen müssen, »ich will ja echt nicht mosern, aber das ist doch alles total jämmerlich.«

Niemand reagiert in irgendeiner Weise, Mika kriecht mit Werkzeug im Mund unter den Kicker.

»Ernsthaft, Jungs, so geht’s nicht weiter! Schaut doch mal, was aus uns geworden ist!«

Dingo ist aufgesprungen und rauft sich die krausen Haare. Ben sieht ihn erstaunt an, aber die anderen lassen sich noch immer nicht stören.

»Geht’s euch nicht auch so, dass ihr es kaum noch aushalten könnt, dieses ständige Rumsitzen und Nichtstun? Dass man denkt, man zerspringt, wenn nicht gleich irgendwas passiert? Kennt ihr das nicht?«

»Ne, aber du machst heute den Eindruck, als hättest du das falsche Zeug erwischt«, sagt Faris. Ben lacht. Und Dingo tickt aus. Einfach so, wegen dieser fehlenden Ernsthaftigkeit. Er macht den anderen und sich nichts vor, spielt nicht den Ausrastenden, sondern hat einen erstklassigen Wutanfall und wirft den schweren Tischkicker um, sodass Mika, der noch halb darunter gekauert hat, erschrocken zurückfährt. Dingo schreit sie zornig an, was in dem kahlen, hohen Raum noch mehr Eindruck macht.

»Schaut euch doch mal an! Ihr hockt rum und brecht Tischkicker auf! Trinkt Opa-Schnaps aus einem Flachmann! Aber niemand macht mal irgendwas! Wie wär’s denn, mal was zu machen? Statt die ganze Zeit zu Hause zu sitzen und stundenlang VR-Pornos zu schauen! Wie wär das?!«

Dingos wilder Blick bohrt sich zuletzt in Faris’ Gesicht und alle schauen deswegen ziemlich betroffen. Jeder der Jungs weiß, dass Faris pornosüchtig ist und jeden Tag vier Stunden die VR-Brille auf hat. Mindestens. Echten Sex kriegt er dafür seit Jahren nicht mehr zustande, einfach zu geringe Reizstimulation.

Faris ist kein Schlägertyp, er fällt eher in sich zusammen. Mit sanftem Druck kriegen Mika und Spex Dingo dazu, sich schwer atmend zu setzen. Je mehr er sich beruhigt, desto unangenehmer wird Dingo der Vorfall, und er entschuldigt sich kleinlaut bei Faris.

Immerhin interessieren sich die anderen danach endlich dafür, was ihn heute so sehr beschäftigt: »Wie meinst’n das: ›Was machen‹? Woran denkst du?«

Dingo blickt sie herausfordernd an: »Ich spreche natürlich von diesem gottverdammten Prozess. Lasst uns den ein bisschen durcheinanderbringen! Nichts Schlimmes, nur etwas stören, ein wenig ausfällig werden – etwas zum Ausfallen bringen, wenn ihr versteht. Nur eine kleine, zusätzliche Denkpause an entscheidender Stelle schaffen!«


Glashauseffekt

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