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BErliner Allgemeine zeitung

04.02.2048

Giftstoff-Skandal weitet sich aus

Inzwischen über 100 Fälle von Fehlbildungen bei Ungeborenen bekannt / Politische Auswirkungen bis auf die Bundesebene möglich

Mannheim

Im Skandal um die mutmaßlich illegal entsorgten

Fabrikstoffe (wir berichteten) treten immer gravierendere Folgen zutage. Inzwischen sind bei speziellen medizinischen Check-ups in der Region Mannheim/Worms über einhundert Fälle vorgeburtlicher Fehlbildungen festgestellt worden. Bei den betroffenen Ungeborenen ist dabei die Ausbildung des Schädelknochens im Mutterleib gestört, meist fehlt das komplette Scheitelbein. Die Aufgabe dieses sogenannten Schädeldachs liegt im Schutz der oberen Hirnregionen, die bei diesen Babys nun lediglich durch eine dünne Hautschicht bedeckt sind.

Inzwischen ist auch eine achtköpfige Expert*innengruppe des Boston University Medical Campus in Mannheim eingetroffen, um den medizinischen Krisenstab zu unterstützen. Unter Hochdruck wird nach Wegen gesucht, die betroffenen Föten möglichst geschützt auszutragen, schonend zu entbinden und anschließend zu stabilisieren. Dennoch muss in vielen Fällen mit

lebenslangen Beeinträchtigungen gerechnet werden, auch mindestens sieben Totgeburten haben sich in diesem Zusammenhang bereits ereignet. Alle Schwangeren, die im letzten Jahr das beliebte Naherholungsgebiet um den Lampertheimer Altrhein besucht haben, fordert das Gesundheitsministerium dringend auf, sich fachärztlich untersuchen zu lassen, ansonsten aber Ruhe zu bewahren.

Unterdessen sind die polizeilichen Ermittlungen auf dem ehemaligen Fabrikgelände des bis 2035 existierenden Unternehmens CarFinishToGo abgeschlossen. Wie aus Polizeikreisen zu erfahren war, hat sich dabei der Verdacht auf eine Verunreinigung der umliegenden Gewässer durch ausgetretene Autolacke erhärtet. In einer Sandgrube unweit des Altrheins seien zahlreiche Behälter mit toxischen Inhalten sichergestellt worden, teilweise hätten sich darin jedoch nur noch die Reste der mutmaßlich ausgelaufenen Substanzen befunden. Ein sichtlich aufgebrachter Polizeibeamter, der namentlich nicht genannt werden will, sprach gegenüber dieser Zeitung von einer »unglaublichen Sauerei«.

Die Vernehmung ehemaliger Mitarbeiter*innen des Betriebs dauere in der Zwischenzeit weiter an, wie die Staatsanwaltschaft vermeldete. Juristische Konsequenzen sind dennoch unwahrscheinlich, da der Eigentümer und alleinige Geschäftsführer der Firma, Heinrich Dransfeld, vor knapp vier Jahren verstorben ist. Des Weiteren erschweren gesetzliche Verjährungsfristen eine gerichtliche Aufarbeitung.

Konsequenzen kündigen sich dagegen auf politischer Ebene an: In Mannheim gründete sich gestern die Geschädigtengemeinschaft Altrhein, die nach eigenem Bekunden bestrebt ist, zusammen mit zahlreichen anderen Umwelt-Opferverbänden eine Bundespartei ins Leben zu rufen. Für den 1. März ist in Berlin ein Kongress unter dem Motto Gerechtigkeit jetzt! geplant, auf dem sich die entsprechende Parteigründung vollziehen soll.

Zum Sprecher der neu gegründeten Geschädigtengemeinschaft Altrhein wurde Tristan Trautmann gewählt, dessen Tochter vor einigen Wochen ebenfalls mit einem stark verkümmerten Scheitelbein zur Welt gekommen ist. Er sagt: »Natürlich wird nichts, was wir nun auf politischer Ebene tun, dazu beitragen, dass meine Tochter gesund wird oder dass sie einmal ein normales Leben wird führen können. Aber wir leiden nicht nur, weil wir persönlich Betroffene sind. Nein, wir leiden auch unter der gesamtgesellschaftlichen Ungerechtigkeit, dass aktuell jene Leute ungeschoren davonkommen, denen vor ein paar Jahrzehnten alles egal war.«

Alexa Wilhelm, die Sprecherin des einflussreichen Verbandes ehemaliger norddeutscher Grundstücksbesitzer*innen ergänzt: »Der jüngste Vorfall in der Region Mannheim hat das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Mithilfe der neuen Partei wollen wir nun endlich diejenigen Personen zur Verantwortung ziehen, die Verantwortung tragen.«

Die konkreten Forderungen der in Gründung befindlichen Partei sind noch unklar, eine Blitzumfrage bescheinigt ihr für die im Spätherbst anstehende

Bundestagswahl jedoch schon jetzt Chancen, die 5%-Hürde überspringen zu können. Ob sich die neue Partei in einem solchen Fall eher dem liberalen Lager um Bundeskanzler van Dyke oder dem nationalkonservativen um Lilienthal zuwenden würde, ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch völlig offen.

Tom Bohnenkamp

www.baz.de/giftskandal/tombohnenkamp

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