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Ein Brief von Jochen Eckebrecht an Marie Lente vom 21. Januar 1989 (von ihr 2009 an die Journalistin Barbara Köhler weiter geleitet).
ОглавлениеDen beigefügten Brief von Jochen Eckebrecht habe ich in meiner Korrespondenz gefunden. Vielleicht interessiert er Sie:
Liebe Marie,
wir haben lange nichts voneinander gehört – von Deiner Seite aus ist es vermutlich ein gutes Zeichen. Ich finde es schade. Vielleicht ist mein folgender Bericht nur Ausdruck dessen, aber ich schicke ihn Dir trotzdem, weil er Dir hilfreich sein könnte.
Vor Weihnachten war ich in Berlin und traf auf einem Kongress die DDR-Kollegin S. Nach den Gesprächen mit ihr wurde ich das Gefühl nicht los, dass sich in der DDR etwas tut. Sie arbeitete selbst oder eine ihrer Studentinnen über Rechtsradikalismus in der DDR-Jugend. Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, als ich ihren Bericht hörte. Was mich erstaunte, war nicht nur der Rechtsradikalismus bei einem Teil der Jugendlichen der DDR, den sie beschrieb, sondern dass sie im Westen darüber sprach. Ich versuchte danach, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Wir aßen zusammen, und dabei erzählte sie mir eine merkwürdige Geschichte. Johannes R. Becher, der Dir als der erste Vorsitzende des Kulturbundes natürlich kein Unbekannter ist, soll sich mit Ulbricht und anderen SED-Führern nicht nur über seine wenig kommunistische Definition des Revolutionärs angelegt haben, sondern auch über die Oder/Neiße-Grenze. Die sei auch in der DDR nicht unumstritten gewesen, sagte die Kollegin S., bei Becher ebenso wenig wie bei Grotewohl, wie dessen Redenschreiber 1946, der Nationalbolschewist Ernst Niekisch, bei der Vereinigung von SPD und KPD zur SED geschrieben habe. Becher habe sich auch darüber geärgert, dass jetzt die „gute alte deutsche Stadt Breslau“ polnisch geworden sei und er sie Wroclav nennen müsse.
Von Becher gibt es noch eine andere Geschichte. Er soll vermutlich Anfang der 1950er Jahre vor einem einschlägigen Homosexuellenlokal in Westberlin erwischt worden sein, kaum zu glauben. Das sei vertuscht worden, aber er sei damit natürlich bei seinen Genossen unten durch gewesen und konnte unter Druck gesetzt werden.
Beide Geschichten befänden sich im Nachlass Pieck im Parteiarchiv, Kaderfragen. Genauere Angaben konnte sie nicht machen.
Vielleicht sind es nur miese Geschichten aus der Gerüchteküche des ZK, vielleicht zeigen sie auch mehr. Eventuell kannst Du sie nutzen.
Lass mal wieder von Dir hören
(unterschrieben mit „Jochen“)